Kapitel 1 ~ Die Menschenheit
Die Welt war schon lange verloren, und das Leben an der Oberfläche war nur noch eine Erinnerung. Die Menschen lebten in ständiger Angst, Angst vor dem Tod und vor dem Verlust ihrer Liebsten. Die Erde war in einem endlosen Kampf gegen die Drachen gefangen. Einst, vor unzähligen Jahren, hatten Menschen und Drachen friedlich nebeneinander existiert. Die Drachen lebten glücklich in ihren Biomen, und die Menschen lebten großteils unter sich. Jedoch gab es auch einige Menschen, die sich mit den Drachen zusammen schlossen. Doch eines Tages färbte sich der Himmel blutrot, und ein schrecklicher Krieg brach aus. Die Menschen standen kurz vor der Vernichtung und suchten Zuflucht unter der Erde.
In ihrer Verzweiflung bauten die Menschen ein neues Leben im Untergrund auf. Sie schufen ein weitverzweigtes Netzwerk von Tunneln und gründeten neue Familien um das Leben der Menschenheit zu sichern. Doch dieses Leben war keine dauerhafte Lösung. Die Bedrohung durch die Drachen blieb bestehen, und so entstanden die Jäger. Mit herkömmlichen Waffen hatten sie kaum eine Chance. Also sammelten sie Drachenreste, so was wie Schuppen, Zähne und Haare. Daraus schmiedeten sie neue Waffen. Diese brachten die ersten Erfolge, aber auch viele Tote. Die Menschen kämpften weiter, in der Hoffnung, eines Tages die Oberhand zu gewinnen, doch diese Mission war mehr als schwer. Mit der Zeit verbesserten sich die Waffen und die Ausrüstung der Jäger. Je mehr Drachen getötet wurden, desto angesehener waren die Jäger.
Unter den Trümmern einer einst blühenden Stadt, die nun in Ruinen lag und von Stille und Vergessenheit umhüllt war, verbarg sich eine geheime Welt. Tief unter der zerstörten Oberfläche erstreckte sich eine gewaltige unterirdische Metropole, erfüllt von Leben und Energie. Diese verborgene Stadt war das Zentrum einer ungewöhnlichen und gefährlichen Leidenschaft geworden: dem Drachenjagen.
Jeden Monat strömten Jäger aus allen Himmelsrichtungen herbei, angezogen von dem Versprechen von Ruhm und Reichtum. Männer und Frauen mit entschlossenen Blicken und tödlicher Ausrüstung versammelten sich, bereit, die legendären Drachen zu erlegen, die in den dunklen Tiefen lauerten. Was einst ein Überlebenskampf war, hatte sich inzwischen zu einem regelrechten Sport entwickelt. Die Kämpfe gegen die Drachen waren nicht nur ein Spektakel, sondern auch eine Möglichkeit, Wetten abzuschließen und Reichtümer zu gewinnen oder zu verlieren.
Die Atmosphäre in der unterirdischen Stadt brodelte vor Aufregung und Erwartung. Die Arena, wo die Jäger ihre Beute zur Schau stellten, war stets von jubelnden Zuschauern umringt, die auf den Ausgang der Jagden setzten. Doch in den Schatten warteten Geheimnisse und Gefahren, die nur darauf lauerten, enthüllt zu werden. Die Jagd auf die Drachen war mehr als nur ein Spiel - sie war ein Tanz mit dem Tod, der die Tapfersten belohnte und die Schwächsten verschlang.
Einer dieser Jäger war Rolf, der dort lebte und einer der besten war. Seine schwarzen Haare lässig nach hinten gekämmt, als hätte der Wind selbst sie so gelegt. Sein Gesicht war durchzogen von einer markanten Narbe, die von seiner allerersten Jagd stammte - ein ständiges Andenken an den Kampf, der ihn zum Krieger machte. Ein Dreitagebart betonte sein raues, aber charismatisches Aussehen. Um seinen Hals hing eine Kette, die von verschiedenen Drachenzähnen geschmückt war, jedes davon ein Souvenir seiner zahlreichen und gefährlichen Abenteuer. Sein muskulöser Körper, gestählt durch tägliche Jagden, strahlte Stärke und Selbstbewusstsein aus, was sein ohnehin schon starkes Ego nur noch weiter anheizte. Nun stand er einer Frau gegenüber.
Milena, gerade erst 21 Jahre alt, gehörte zu den wenigen Menschen, mit denen Rolf sich überhaupt unterhielt. Ihre kupferfarbenen Haare hatten ihn vom ersten Augenblick an verzaubert. Doch während Rolfs Interesse immer stärker wurde, wollte Milena sich einzig und allein ihrer Aufgabe widmen - der Ernte. Ihre Hände arbeiteten unermüdlich, ihre Gedanken kreisten nur um die Felder, doch die Blicke, die Rolf ihr zuwarf, waren schwer zu ignorieren.
Die Ernte von frischem Gemüse war nur durch eine Vielzahl genialer Ideen möglich, die das Leben in der unterirdischen Stadt erheblich erleichterten. Erfindungen wie leuchtende Kristalle, die das Sonnenlicht imitierten und die Dunkelheit vertrieben, ermöglichten den Anbau von Pflanzen in großen, unterirdischen Gewächshäusern.
Dank dieser technologischen Wunderwerke war es den Bewohnern möglich, in der Tiefe zu gedeihen. Frisches Gemüse war keine Seltenheit, sondern ein alltäglicher Bestandteil ihres Lebens. Diese Errungenschaften machten das Leben in der unterirdischen Stadt nicht nur möglich, sondern auch lebenswert. Milena war dafür zuständig, die Ernte zu beobachten das sie gut gedeiht ohne Probleme. Da kommt ihr Rolf überhaupt nicht gelegen, das er sie jetzt bei der Arbeit stört.
Rolf war ein mächtiger Jäger, aber er schien als Kind oft auf den Kopf gefallen zu sein. Schon lange versuchte er, Milena für sich zu gewinnen, denn sie war die kleine Schwester der Oberhäuptin. Doch Milena hatte keinerlei Interesse an ihm. Heute war keine Ausnahme - wieder prahlte er damit, einen Drachen mit bloßen Händen getötet zu haben. Milena war diese Geschichten leid. Sie träumte davon, die Welt zu erkunden, Drachen hin oder her.
Während Rolf weiter prahlte, schloss Milena ihre Erntearbeiten ab und verstaute die Vorräte in der Speisekammer. "Nun, edle Dame, darf ich Sie nach getaner Arbeit auf einen Drink einladen?" Er verbeugte sich gespielt vor ihr, sicher, ein Ja zu hören. "Nein, ich muss ablehnen. Es gibt noch viel zu tun. Guten Tag, Rolf." Damit ließ sie ihn stehen und machte sich auf den Weg zum Marktplatz. Die unterirdischen Wege waren durch alte Kanäle verbunden, die einst der Abwasserentsorgung dienten. Der Weg war kurz, und schon bald hörte sie Stimmen und Musik. Ein paar Leute grüßten Milena, und insgeheim hasste sie es, dass sie so bekannt war. Es würde zu sehr auffallen, wenn sie einfach an die Oberfläche verschwinden würde.
Auf dem geschäftigen Markt wimmelte es von Händlern und unzähligen Ständen. Viele boten gefundene Schätze von der Oberfläche an, Relikte aus vergangenen Zeiten. Unter den Besuchern befanden sich auch zahlreiche Schaulustige, die gespannt die Drachenjagd verfolgten.
Milena atmete tief ein, als sie endlich ihr Ziel erreichte. Ihre Schwester Enja begrüßte sie nur kurz, bevor sie sich wieder einem Gespräch mit ein paar älteren Leuten zuwandte. Diese besprachen das heutige Jagdgebiet. Milena setzte sich auf einen Hocker an der Wand und verschränkte die Arme, um das Gespräch unauffällig zu belauschen. Enja war entschieden dagegen, dass die Jäger weiter als sonst gingen. Das Gebiet sollte vergrößert werden, doch Enja wollte es zuerst erkunden, um die unbekannten Gefahren zu minimieren. Milena bewunderte immer wieder, wie durchsetzungsfähig ihre Schwester war und wie sie in ihrer Rolle aufblühte. Nach dem Tod ihres Vaters war es ein großer Aufschrei, als Enja zur Nachfolgerin ernannt wurde, doch sie überzeugte schnell durch ihre Fähigkeiten bei der Jagd und ihre Führungsqualitäten. Milena besaß diese Fähigkeiten nicht, wusste jedoch, dass die Männer bereits genug mit Enja zu tun hatten.
"Ich werde meine Leute nicht opfern, nur weil ihr meint, dass wir neue Orte erkunden müssen," sagte Enja fest und schlug mit der Hand auf den Tisch. "Nun versteht doch, in der nahegelegenen Stadt gibt es noch Ressourcen, die wir dringend brauchen. Und die Jäger machen diesen Job nicht umsonst," versuchte einer der Männer, die Oberhäuptin zu überreden. Enja blieb standhaft und schien kurz zu überlegen. "Gut, die Jagd wird wie gewohnt im urtümlichen Gebiet stattfinden. Nach den Geschehnissen kümmern wir uns darum. Damit ist das Gespräch beendet." Milena lächelte stolz. Ihre Schwester Enja war wirklich eine geborene Anführerin. Die anderen Männer hatten zuerst skeptisch reagiert, aber schließlich nachgegeben. "Nun gut, Fräulein Enja, wir kümmern uns um alles andere." Murrten sie, bevor sie sich entfernten. Ein lauter Seufzer entfuhr Enja, als die Männer außer Hörweite waren.
"Glaub mir, Schwester, diese Leute machen mich fertig. Es ist mehr als anstrengend," gestand sie und begann, die verstreuten Karten zusammen sammeln und sorgfältig in einem Schrank zu verstauen. "Wie war die Ernte?" fragte Enja Milena, die immer noch an der Wand saß. "Die Ernten laufen sehr gut, aber wir brauchen dringend weitere Energiekristalle. Unser Vorrat neigt sich dem Ende," berichtete Milena und stand auf, um zu ihrer Schwester zu gehen. Die die letzten Karten nun endlich verstaut hatte. "Lass mich mit auf die Erkundungen gehen, Enja. Die Jäger wissen oft nicht, was wir wirklich brauchen."
Enja verschränkte die Arme und wirbelte zu ihrer Schwester herum. Ihre blonden Haare schwangen zur Seite, und ihr scharfer Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie in dieser Sache nicht nachgeben würde. "Milena, du weißt, dass es zu gefährlich ist. Wir brauchen dich hier. Die Jäger werden lernen müssen, was wichtig ist." Milena senkte den Kopf, aber in ihrem Blick glomm unbeugsamer Wille. Sie wusste, dass sie ihre Schwester eines Tages überzeugen musste, sie mit auf die Expeditionen zu nehmen. Doch heute war dieser Tag noch nicht gekommen.
Ein Gedanke schlich sich gleichzeitig wieder in Milenas Kopf. Sie könnte sich einfach hinausschleichen, doch das wäre verrückt. Sie konnte weder kämpfen noch wusste sie, wie die Welt draußen aussah. Doch der Drang, den Sand unter ihren Füßen zu spüren und die frische Luft einzuatmen, ließ sie nicht los. "Ich verstehe. Ich werde mich nun zurückziehen und mich weiter um die Ernte kümmern. Pass auf dich auf, Schwester." Mit enttäuschtem Blick verließ Milena das Zelt von Enja. Sie hörte noch ihren Namen rufen, aber sie hatte keine Lust auf ein weiteres Gespräch.
Milena strich sich eine Strähne hinters Ohr, sammelte sich und ging zurück durch den belebten Markt. Die Menschen hasteten umher, aber Milena fühlte sich wie ein Geist inmitten der Menge. Endlich erreichte sie ihr Zuhause, ließ sich auf die alte Couch fallen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das Leben hier unten war manchmal unerträglich. Enja hielt sie fest wie ein Vogel im Käfig. Der Frust kochte in ihr hoch, und sie fluchte laut.
Plötzlich bemerkte sie, dass sie nicht allein war. "Du sollst dich doch nicht immer so aufregen, Kleines. Das gibt nur Falten auf der Stirn." Erschrocken blickte sie auf und sah ihren Onkel Bennet, der sie durch seinen dichten Bart hindurch freundlich anlächelte.
"Meine Güte, schleich dich doch nicht so an, Onkel!" rief Milena aus. Bennet hob die Hände in einer unschuldigen Geste und setzte sich neben sie auf die Couch. Für ihn war das bequemer, da er seit langem nicht mehr richtig laufen konnte. Eine schwere Verwundung aus einem Kampf hatte ihn gezwungen, seinen Job als Jäger aufzugeben. Jetzt war er Enjas Stellvertreter, wenn sie unterwegs war."Ich vermute Mal, du hast Enja wieder gefragt ob du nach oben kannst." Begann Bennet und fragte direkt los und wartete nicht Mal auf eine Antwort von ihr. "Du musst geduldig sein, Milena. Deine Zeit wird kommen."
"Ich weiß, Onkel, aber es fühlt sich an, als würde ich hier unten ersticken. Ich will die Welt sehen. Ich will frei sein," sagte Milena mit bebender Stimme. Bennet nickte verständnisvoll. "Dein Wunsch nach Freiheit ist verständlich. Aber die Welt da draußen ist gefährlich, und hier bist du sicher. Lass uns weiter daran arbeiten, dass du eines Tages bereit bist. Bis dahin, halte durch. Du bist stärker, als du denkst." Seine Worte gaben Milena einen Hauch von Trost, aber das Feuer in ihrem Inneren erlosch nicht. Sie wusste, dass sie nicht ewig in dieser unterirdischen Zuflucht bleiben konnte. Eines Tages würde sie ihren eigenen Weg finden, koste es, was es wolle.
"Warum bist du eigentlich hier? Müsstest du nicht bei Enja sein? Die große Jagd beginnt doch bald," fragte Milena und musterte ihren Onkel besorgt. Bennet nickte und stand unter sichtlichen Schmerzen auf. "Ich hasse diese Feierlichkeiten. Diese vielen Leute, die sich überall einschleimen, wo es nur geht." Er verdrehte die Augen, und Milena musste unwillkürlich lächeln. Sie verstand genau, was er meinte, und war froh, dass sie nicht in seiner Haut steckte. Zum Glück wurde von ihr nicht verlangt, bei den Festivitäten anwesend zu sein.
Milena dachte an Enja, die sich auf die gefährliche Jagd vorbereitete. Ihre Schwester war stark und furchtlos, aber das machte die Sorgen nicht kleiner. Jedes Mal, wenn Enja loszog, schwebte die Angst wie ein dunkler Schatten über Milena. Sie hatte ihre Eltern bereits verloren, und die Vorstellung, auch noch ihre Schwester zu verlieren, war unerträglich. "Mach dir keine Sorgen, Milena. Enja weiß, was sie tut," sagte Onkel Bennet, als ob er ihre Gedanken lesen konnte. Doch selbst in seinen Augen flackerte ein Hauch von Sorge. "Ich weiß, aber es ist schwer," antwortete Milena leise. "Ich kann nicht anders, als mir vorzustellen, was alles schiefgehen könnte." Bennet legte ihr eine schwere Hand auf die Schulter. "Wir alle haben Angst, Milena. Aber wir müssen stark bleiben, für sie und für uns selbst. Die Welt da draußen ist gefährlich, aber auch voller Möglichkeiten. Eines Tages wirst auch du bestimmt hinausgehen und deine eigenen Abenteuer erleben."
Milena schaute ihren Onkel an und spürte einen Funken Entschlossenheit in sich aufsteigen. "Vielleicht," sagte sie, "Aber bis dahin werde ich alles tun, um Enja zu unterstützen."Bennet lächelte und nickte zustimmend.
"Das ist die richtige Einstellung, Milena. Jetzt komm, wir haben noch Arbeit vor uns, bevor die Jagd beginnt."
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