Kapitel 6

"Nielema!"

Immi kam auf ihn zu gerannt und schon von Weitem streckte sie ihm die Arme entgegen. Er selbst breitete seine Arme aus und fing sie auf, nur um sie danach herum zu wirbeln, in dem er sich um seine eigene Achse drehte.

Sie hob den Kopf und lachte mit kindischer Freude, bis sie dann ihre Lippen auf seine senkte.

Nielema drückte sie noch fester an sich und Immi seufzte.

"Ich habe dich so vermisst."

Er lachte leise.

"Du warst den ganzen Tag in meiner Nähe. Wie kannst du mich da vermissen?"

Sie schnalzte mit der Zunge.

"Es reicht mir eben nicht mehr, dich nur von Weitem zu sehen, ohne mit dir zu sprechen oder dich berühren zu können."

Nielema schluckte hart. Ihm erging es ja genauso, aber das Immi so etwas zu ihm sagen würde, überraschte ihn. Er hatte gedacht, nur ihm ging das so.

"Ich will dich nicht in Gefahr bringen. Du weißt doch selbst, was Lana passiert ist."

Sie nickte seufzend.

"Das weiß ich wohl. Mir gefällt es nicht, das Calarion Lili einfach so glaubte, als sie ihm versicherte, sie hätte nichts davon gewusst, dass Lana und er ein Paar seien."

Nielema ließ sie herunter, behielt aber ihre kleine Hand in seiner.

"Das wundert mich auch, denn eigentlich ist Calarion nicht für seine Gnade bekannt. Und Lili hat es sehr wohl gewusst, was auch ihm bewusst ist."

Immi sah ihn mit großen Augen an.

"Warum tut er es dann? Warum behält er sie dennoch im Schloss?"

Nielema zuckte mit den Schultern.

"Ich kann nur mutmaßen, mein Liebling. Immerhin gilt sie als eine Drachenbraut. Das wird ihn auch etwas bremsen, denn sie ist die Gefährtin eines Prinzen. Er kann sie nicht trennen. Ich denke aber auch, er weiß, dass Lili auch etwas mit der Entführung Lanas zu tun hat und er lässt sie heimlich beobachten, um ihre Komplizen zu überführen."

Immi nickte.

"Das könnte wirklich sein. Aber die Entführung und der Angriff der Drachenjäger...gibt es da auch einen Zusammenhang?"

Nielema schnaubte.

"Wenn ich das wüsste, dann wäre mir wohler. Ich habe Calarion darum gebeten, dass auch ich dich für ein paar Tage von hier fortbringen darf. Ich traue weder meinem Bruder Töfur noch Lili wenn ich ehrlich sein soll. Doch leider bin ich der General seiner Truppen und Calarion tut es leid, dass er mir eine Absage erteilen musste."

Immi lehnte ihren Kopf an seine Brust.

"Das ist sehr schade, aber ich verstehe ihn auch. Es macht mich traurig, dass ich nicht zeigen kann, dass du mein Mann sein wirst, aber Sicherheit geht vor."

Nielema hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an und betrachtete lächelnd ihr Gesicht.

"Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du mit so schnell vertraust und keine Angst mehr hast."

Immi seufzte.

"Das ist der Nachteil an meinen Visionen. Ich sehe nur einen Teil, nie das große Ganze. Aber obwohl ich keine Angst vor dir habe, fürchte ich mich vor der Vision, denn sie bedeutet, dass es eine Schlacht geben wird und du wirst mitten in den Kämpfen sein."

Sie schmiegte sich wieder an ihn und er spürte, wie sie leicht zitterte.

"Auch wenn du es nicht glaubst, bin ich ein vorsichtiger Krieger. Natürlich wird es Schlachten geben, denn die gab es schon immer. Ich muss mein Land verteidigen und nun habe ich einen Grund mehr, es mit jedem Feind aufzunehmen, der dich bedrohen könnte."

Sie lächelte leicht, hob aber nicht ihren Kopf.

"Ganz ehrlich, Nielema. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass der rote Drache einer der romantischsten Männer sein kann, den ich kenne."

Er lachte.

"Diese Seite habe ich erst durch dich entdeckt, Liebe meines Lebens."




"Immi und du also?"

Nielema drehte den Kopf weg und fletschte die Zähne, als Töfur auf ihn zu geschlendert kam.

"Ich weiß nicht, was du meinst."

Er schliff sein Schwert und sah seinen Bruder nicht an, denn das würde er sofort als Gelegenheit nutzen, um Nielema so lange zu provozieren, bis die hellblauen Augen dunkel wurden, dann hatte Töfur Zeit, weg zu rennen und er wusste es.

"Nun ja, man munkelt es schon, dass der rote Drache gezähmt sei. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass du nicht mehr gefährlich bist, sondern zahm seist, wie ein kleines Kätzchen."

Nielema antwortete nicht, sondern lächelte nur.

Es war ja auch die Wahrheit. Zumindest ein Teil davon. Durch Immi wurde er immer ruhiger, was aber nicht hieß, dass er anderen gegenüber nicht gefährlich sein könnte. Fu beherrschte sich in ihm, genau wie es Nielema tat. Auch deswegen ging er nicht auf Töfur und seine Spitzen ein. Stattdessen beschäftigte er sich weiter mit seiner Waffe und ignorierte ihn geflissentlich.

Nielema hörte seinen Bruder leise schnauben.

"Warum gerade Immi sich mit dir einlässt, verstehe ich nicht. Sie hätte sich einen besseren Mann wählen können."

Nielema lachte leise.

"Ach ja? Einen Mann wie dich?"

Nielema sah in den Augenwinkeln, dass Töfur sich gerade aufrichtete und ihn hasserfüllt anstarrte.

Er seufzte leise.

"Was habe ich dir angetan, Töfur? Warum hasst du mich so?"

Töfur schnaubte.

"Ich hasse nicht nur dich. Ich hasse alle Drachen. Ihr seid Besetzer und keine Menschen. Ihr gehört nicht hierher."

Nielema hob den Kopf.

"Du bist der Sohn eines Drachen."

Töfur kniff die Augen zusammen.

"Auch Vater gehörte nicht hierher. Er hätte nie über Menschen herrschen dürfen. Wie Mutter es bei ihm ausgehalten hat, werde ich nie verstehen. Genauso wenig, wie ich verstehe, dass Immi in Liebe zu dir entbrannt sein soll. Ihr seid Monster. Alle zusammen."

Nielema stand langsam auf. Er wusste, dass es bedrohlich wirkte, denn er überragte Töfur um einiges. Nun lächelte er auch nicht mehr.

"Lass Mutter aus dem Spiel.", forderte er leise. "Du hast sie schon immer beleidigt und verletzt. Vater überspielte es, dass du ihn immer verletzt hast, obwohl er alles versuchte, um dein Wohlgefallen zu erlangen. Dabei hättest du alles dafür tun müssen, um seinen Respekt zu verdienen. Bei Mutter war es schlimmer. Deine Verachtung ihr gegenüber hat sie mehr als einmal zum Weinen gebracht."

Töfur lachte.

"Ich sollte mir Vaters Respekt verdienen? Nein! Ich schäme mich, ihn Vater nennen zu müssen. Und Mutter? Sie war verblendet. Soll ich dir sagen, was ich denke?"

Töfur hatte sich in Rage geredet und merkte offenbar nicht, dass Nielemas Haut anfing, sich rot zu färben. Dieses Mal versuchte Nielema nicht, es aufzuhalten. Es gab Dinge, die ihn in Wut versetzten und die eigenen Eltern zu beleidigen, war eines der Gründe.

"Ich denke, Mutter hat nur an sich selbst und an den Ruhm gedacht, den sie an der Seite des Königs haben konnte."

"Sie hat ihn geliebt!", knurrte Nielema.

Töfur lachte.

"So wie Immi dich? Immi ist doch genau so. Sie wird froh sein, dass sich überhaupt ein Mann für sie interessiert. Und du bist so verzweifelt, weil sich keine anständige Frau an dich heran wagt. Immi ist wie Mutter. Sie denkt nur an sich."

Unbändige Wut überkam ihn, aber das kannte Nielema schon. Er konnte sich nicht gegen seinen Drachen wehren und dieses Mal wollte er es auch gar nicht.

Wenn Nielema wütend wurde, dann wurde es auch sein Drache und er forderte dann freigelassen zu werden.

Sein Bruder Calarion und seine Braut konnten ihn beruhigen, aber die beiden waren gerade heute nicht im Schloss. Und Immi wollte er nun nicht bei sich haben. Er hätte nicht für ihre Sicherheit garantieren können.

Es schien fast so, als ob der Idiot genau diesen Augenblick abgewartet hatte.

Ein roter Schleier legte sich über Nielemas Augen, doch er konnte noch Töfurs hämisches Grinsen erkennen.

Er spürte, wie er wuchs und sein Drache so langsam die Kontrolle übernahm. Seine Hände wurden zu Klauen und auf seiner Haut wuchsen die roten Schuppen.

Ein wütendes Grollen ertönte und Nielema hatte keine Kontrolle mehr über den Drachenkörper. Hilflos musste er sich seiner Wut überlassen, dabei wusste er, dass Töfur das beabsichtigt hatte. Er würde den Drachen weiter provozieren, damit jeder, der gerade in der Nähe war, sah, wie gefährlich der rote Drache war.

Aus dem Grollen wurde ein wütendes Gebrüll und ein Feuerstrahl erfasste einige Bäume, die sich sofort in Asche verwandelten.

"Du bist so dämlich, Nielema!", lachte Töfur und schaute hinter den roten Drachen.

Nielema drehte sich um und spürte, wie sein Schwanz irgendwas berührte. In den Augenwinkeln sah er einen kleinen Körper, der gegen einen Baum geschleudert wurde.

"Immi!"

Selbst sein Drache bemerkte den Fehler und rannte auf die Frau zu, die leblos vor dem Baum lag.

"Immi! Wach auf!", forderte sein Drache.

Immi lag mit geschlossenen Augen auf der Erde. Blut sickerte aus einer Wunde an der Stirn und ihr Arm war seltsam verdreht.

Fu jammerte leise und stieß sie so sanft wie möglich mit seiner Schnauze an, aber sie rührte sich nicht.

Immi!

Nielema rollte sich mental zusammen.

Seine Schuld! Er hätte aufpassen müssen, ob sich jemand hinter ihm befand.

Fu stieß ein grollendes Gebrüll aus, dass die anderen Drachen zu sich rufen sollte. Hinter ihm lachte Töfur.

"Es ist getan! Ich habe es geschafft. Deine Braut wird dich nun nicht mehr wollen und wir werden die Drachen vernichten. Vielleicht stirbt sie auch und es wäre deine Schuld. Die Menschen werden euch verachten. Ich werde den Platz einnehmen, der mir schon immer zustand."

Fu drehte sich zu ihm um und brüllte ihn an.

Entweder war Töfur so dämlich, dass er nicht mit Konsequenzen rechnete oder er wollte Nielema weiterhin provozieren, damit er jedem zeigen konnte, dass die Gerüchte um <Nielema wahr seien.

"Fu! Beruhige dich!"

Die Stimme von Faköle ließ den roten Drachen innehalten. Irgendwie beruhigte er sich wirklich, dabei war es Faköle, der ihn ansprach. Er hatte das noch nie bei Nielema geschafft.

"Immi!", versuchte er zu erklären.

Faköle nickte und auch Kanoran kam nun zu ihm.

"Wir kümmern uns schon um sie. Und um den kleinen Wicht hier. Du beruhigst dich und lässt Nielema wieder frei, damit auch er sich um Immi kümmern kann."

Nein!

Immer noch im Körper des Drachens gefangen, brüllte Nielema seinen Schmerz heraus. In gewisser Weise hatte Töfur recht. Er war gefährlich. Besonders für seine zarte Immi. Er wusste nicht, ob sie so schwer verletzt war, dass sie sterben könnte, aber eines wusste er. Er war Schuld an allem und er sollte sich von ihr fernhalten.

Fu schien zu bemerken, dass Nielema fort von allem wollte.

Noch einmal schnaubte er Töfur wütend an, der nun aber von Anuwe festgehalten wurde, dann spannte er seine Flügel an und schoss in die Luft.

"Nielema! Komm zurück! Sie braucht dich!"

Er hörte nicht mehr hin.

Nur noch weg.

Nielema wollte alleine sein und über alles nachdenken.

Er merkte zwar Fus Zögern, aber das war ihm egal. Er musste sich von Immi entfernen, bevor er ihr noch größeren Schaden zufügte. Obwohl Fu sich sträubte, trieb Nielema ihn weiter an und flog weit weg von seiner Heimat und Immi.

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