Kapitel 11

Racola stand im Stall des alten Bauernhofs und schaufelte den Mist heraus.

Das war keine Arbeit für einen Anführer, hatten sie ihm gesagt, aber ihm war das Geschwätz egal. Er braucht eine Weile Ruhe von allem und hier entspannte er sich so richtig.

Auch hatte er seinen Hengst hierher gebracht, denn er würde ihn nicht mehr brauchen. Seine Mutter brauchte allerdings ein Reittier und sie wusste, dass er für alles sorgen würde, was sie benötigte. Also hatte er nicht nur seinen Hengst, sondern auch andere Pferde untergestellt.

Er seufzte leise und arbeitete dann weiter.

Dieses Mal erlaubte er es sich, einige Stunden an diesen Ort zu verbringen, ohne an seine Verantwortung zu denken.

Der alte Bauer, der dort lebte, hatte seinen Wunsch nach Einsamkeit respektiert und war gegangen. Er war wohl auch froh, dass ihm ein arbeitsreicher Tag abgenommen wurde.

Racola hatte die Ställe ausgemistet, die Kühe gemolken und all die Arbeiten erledigt, die ihn früher gewisse Freude gegeben haben und er war erfreut darüber, dass sie es immer noch taten.

Eine unbeschreibliche Ruhe war über ihn gekommen und er hatte Pläne für nach der Schlacht geschmiedet.

Nicht für sich.

Er wich von seinem Plan nicht ab, aber er würde Meriwan ein gutes Leben ermöglichen, wenn sie denn wollte. Sein Vermögen hatte er ebenfalls auf diesen Bauernhof geschafft und seiner Mutter eine Nachricht geschrieben, dass sie die beachtliche Menge an Münzen mit Meriwan teilen sollte. Ihm war klar, dass Meriwan wahrscheinlich bei den Drachen bleiben würde, doch dann hatte sie wenigstens eine Grundlage, um für sich und ihre Geschwister sorgen zu können. Racola war sich sicher, dass Meriwans Mutter die Kleinen nicht mehr zu sich nehmen würde und er schätzte Meriwan so ein, dass sie, im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester, sehr wohl Verantwortung für alle übernehmen würde. Ihre Brüder konnten sich schließlich auch nicht um die Kleinen kümmern und ihre älteste Schwester war von der Drachenstadt geflohen, um ein neues Leben zu beginnen. Sie war sogar soweit gegangen, dass sie ihren Sohn ausgesetzt hatte, der nun ebenfalls bei den Drachen aufwuchs. Momentan lebten zwar alle bei den Drachen, aber ob diese es lange akzeptieren würden, für im Prinzip völlig fremde Kinder zu sorgen, bezweifelte Racola. Aber mit seinen Gulden konnte Meriwan es eine gute Weile aushalten.

Er stützte sich auf der Mistgabel ab und sah aus dem Stall hinaus auf das Feld.

Es war ein schönes Stück Land, auf dem man gut leben und eine Familie aufwachsen lassen könnte.

Schade, dass er damals dachte, er müsste seinem Vater folgen. Hier hätte er glücklich sein können. Zwar nur ein Bauer, aber das hätte ihm vielleicht genügt.

Die Tiere wurden unruhig und Racola hörte das Flügelschlagen, dass ihm früher in Angriffs-Bereitschaft versetzt hätte. Doch nun legte er nur eine Decke auf die hölzerne Bank vor dem Haus und machte weiter mit seiner Arbeit.

Es dauerte nicht lange und ein Mann stand an der Tür zum Stall. Er hatte die Decke wie ein Plaid um sich gewickelt und versuchte gerade das Ende irgendwie festzumachen.

Racola betrachtete ihn, so lange der Mann noch beschäftigt war, sich einigermaßen anständig zu bedecken.

Er kannte ja Velion, Nielema und Calarion, aber dieser Drache war ihm unbekannt. Er sah nicht ganz so muskulös aus wie die anderen, dennoch würde ihn so manche Frau als schönen Mann bezeichnen. 

Als er endlich die Decke zu seiner Zufriedenheit befestigt hatte, hob er den Kopf und sobald er Racola entdeckte, fing er an zu Grinsen.

"Dachte ich mir, dass ich dich hier finde."

Racola stutzte einen Moment, als der Kerl die zweite Mistgabel in die Hand nahm und ihm bei der Arbeit half. Dabei schien es ihm nicht einmal etwas auszumachen, dass er barfuß war und der Mist zwischen seinen Zehen hervorquellte.

"Ich wusste nicht, dass die Drachen mich suchen.", bemerkte Racola.

Der Drachenprinz stand bis zu den Knöcheln im Mist und schaufelte voller Inbrunst.

"Tun sie nicht. Ich flog gerade hier in der Nähe, um nach euch bösen Drachenjägern zu suchen, als ich spürte, dass du hier bist."

Racola runzelte die Stirn.

"Du spürst mich? Das hört sich seltsam an."

Der Kerl lachte.

"Kann sein, dass ich etwas empfindsamer in dieser Hinsicht bin. Aber wenn ich ehrlich bin, war es auch Anuwe, der dich fand. Mein Bruder hat wirklich ein feines Gespür was Lügen angeht. Und deine Lügen, mein Freund, spürt er sofort."

Racola lachte spöttisch.

"Du bist Jefrandt, nehme ich mal an?"

Der Kerl schüttelte den Kopf.

"Nein. Jefrandt ist nicht gerade beliebt in dieser ländlichen Gegend, was auch teilweise die Schuld deiner Leute ist. Ich bin dein Vetter Kanoran."

Racola senkte leicht den Kopf.

"Und wo ist Anuwe, wenn er meine Lügen doch gespürt hat?"

Kanoran lachte.

"Du hast nur eine Decke hingelegt. Also versteckt er sich im Feld. Wir haben keine Probleme mit unseren Körpern, aber ihr Menschen seid in der Beziehung prüde."

Racola wollte eine weitere Decke holen, aber Kanoran schüttelte grinsend den Kopf.

"Nein, lass ihn nur noch eine Weile zwischen dem Getreide hocken. Das holt ihn mal wieder runter, denn er nervte mich schon etwas, als wir hier landeten." Er beugte sich etwas zu Racola. "Wenn er mit einen von uns zusammen ist, rutscht er manchmal in seine kindische Phase und das hält keiner lange aus."

Racola zuckte mit den Schultern und nahm seine Arbeit wieder auf. Was ging ihn das an?

"Was wollt ihr von mir? Wenn es die Vereitelung meines Plans ist, muss ich dich leider enttäuschen Ich sehe keine andere Möglichkeit als mich Calarion zu stellen."

Kanoran nickte.

"Auch wenn meine Brüder anderer Meinung sind, stehe ich da hinter dir. Aber es muss ja nicht unbedingt im Tod enden."

Racola hielt inne.

"Wenn ich meine Waffen strecke...das würde niemand von meinen Leuten akzeptieren."

Kanoran schaufelte weiter Mist.

"Auch da gebe ich dir Recht. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir wegen dir ziemlich den Kopf zermartert. Ich habe mit meiner Frau jede Schrift gelesen, von der wir uns einen Rat erhofften, aber leider..." Er zuckte mit den Schultern. "...es gibt keine Lösung in den alten Schriften."

Racola nickte.

"Ich danke dir trotzdem. Ich nehme mal an, dass du auch derjenige warst, der meiner Mutter die Abschriften hat zukommen lassen. Ich muss zugeben, manche Schriften lesen sich wie Romane mit viel wahrer Liebe und so ein Mist. Wenn du mir wieder etwas zu lesen geben willst, dann bitte etwas, was sich für einen Mann eher eignet."

Kanoran lachte schallend, so dass die Pferde, die draußen vor dem Stall in einem abgesteckten Feld graste, erschreckt die Flucht ergriffen.

"Ich werde daran denken, Vetter."

Wieder arbeiteten sie eine Weile schweigend, bis der ganze Mist auf der Karre lag.

"Also. Warum habt ihr mich aufgesucht?"

Kanoran zuckte mit den Schultern.

"Haben wir gar nicht mit Absicht getan. Wie ich schon sagte, spürte Anuwe deine Lügen, die du dir selbst immer wieder wie ein Gebet vor sagst. Wir waren neugierig auf dich, denn es ist ja schon eine Weile her, dass du bei uns lebtest."

Er griff nach einem Strohballen und verteilte das Stroh auf dem Boden.

"Wir waren noch jung, als du bei uns gelebt hast, aber wenn ich ehrlich sein soll, warst du ein Arschloch."

Racola kicherte leise.

"Das habe ich auch gehört."

Kanoran verdrehte genervt seine Augen.

"Immer aggressiv, immer bereit, sich zu prügeln und du bist immer mit Velion durch die Gegend marschiert. Der war auch immer so seltsam und immer auf Krawall aus!"

Nun war es Racola, der laut lachte, bis ein anderer Mann auftauchte.

"Wenn ihr beide glaubt, es ist lustig nackt in einem Getreidefeld zu sitzen, dann muss ich euch leider enttäuschen. Das ist es ganz und gar nicht. Ich glaube, ich erkläre euch nicht, wo mich die unzähligen Mücken gestochen haben."

Racola sah zu Kanoran, der seinen Kopf weg drehte, damit man sein Lachen nicht sah.

"Du findest das witzig, Kanoran? Das nächste Mal bin ich schneller und entdecke die Decke zuerst."

Er sah nach unten und grinste dann ebenfalls.

"Nun ja. Immerhin habe ich keine Scheiße an den Füßen. Was wird Nele wohl dazu sagen wirst, wenn du stinkend im Schloss auftauchst."

Kanoran warf das Stroh auf den Boden und stürzte sich lachend auf Anuwe.

"Wer stinkt hier, mh? Du stinkst und bist auch noch staubig."

Einen Moment sah Racola dem Treiben zu, bis er einen erstaunten Laut von sich gab.

"Ihr...ihr seid...völlig normal?"

Anuwe grinste ihn an.

"Normal? Diese wandelnde Schriftrolle kannst du doch nicht als normal bezeichnen. Er hockt lieber in seiner muffigen Bibliothek und liest dieses trockene Zeug. Was ist daran normal?"

Kanoran boxte Anuwe leicht in den Bauch.

"Das sagt gerade der Richtige. Wer hätte vor ein paar Wochen noch gejammert, weil es nicht so lief, wie der Herr wollte? Geheult wie ein Baby hast du!"

Racola schüttelte ungläubig den Kopf.

"Seid ihr schon immer solche Kindsköpfe?"

Anuwe lachte.

"Nur, wenn wir uns wohlfühlen. Ansonsten sind wir Krieger wie du auch. Aber nun sollten wir uns ernsthaft unterhalten. Willst du doch wirklich von Calarion töten lassen? Du weißt, dass es den Krieg nicht aufhalten wird."

Kanoran nickte, während er Anuwe eine weitere Decke reichte. Wenn er ehrlich sein sollte, fühlte er scih bei diesen Männern wohl. Sie verhielten sich zwar seltsam, aber es gefiel ihm, dass sie viel lachten und sich wohl auch nicht ganz so ernst nahmen. Es war eine schöne Abwechslung zu seinen Männern, die immer nur Befehle von ihm erwarteten.

Racola seufzte.

"Ich sehe keinen anderen Ausweg. Ich habe darauf bestanden, dass ihr nicht angegriffen werdet, wenn Calarion mich besiegt. Ich habe befohlen, dass sie sich zurückziehen."

Anuwe schaute seinen Bruder an, dann lachten sie schallend.

"Etwas blauäugig, meinst du nicht auch? Meriwan hat da schon Recht. Sie werden dich als Märtyrer feiern und deinen Tod rächen wollen. Also wird die Schlacht mit deinem Tod nicht beendet sein, sondern erst beginnen."

Racola seufzte.

"Ich werde noch einmal darauf bestehen.", meinte er stur und sah nicht, wie die beiden Drachen sich ansahen und den Kopf schüttelten.

"Nun ja. Wir haben es nochmal versucht."

Sie gingen aus dem Stall und Racola folgte ihnen.

Kanoran sah sich auf dem Hof um.

"Einen schönen Hof hast du da. Tante Sucala...sie wird wieder hierher kommen, oder?"

Racola nickte.

"Ich nehme es an. Warum fragst du?"

Kanoran zuckte mit den Schultern.

"Nur so. Ich verspreche dir, dass wir auf sie achtgeben werden."

Racola nickte dankbar.

Die Männer nahmen die Decken und falteten sie zusammen, ehe sie sich in Drachen verwandelten. Racola musste schon zugeben, dass es beeindruckend war.

Der blaue Drache neigte seinen Kopf zu ihn.

Gehab dich wohl, Vetter. Und denke nicht immer so eingleisig.

Racola hatte keine Ahnung, was der blaue Drache ihm damit sagen wollte, aber ihm blieb auch keine Zeit, darüber nachzudenken.

Die Drachen bewegten ihre Flügel und erhoben sich in die Lüfte. Um ihn herum wirbelte Laub und Staub auf und man hörte ein dunkles Brummen, ehe die beiden in Richtung Drachenstadt flogen.

Die Tiere waren dieses Mal seltsam ruhig und schauten nur gelangweilt den beiden hinterher.

Racola seufzte leise.

Er bedauerte, dass er so lange den Hass gegen die Drachenprinzen geschürt hatte, obwohl er sie nicht richtig kannte.

Nach dieser Begegnung war ihm klar, dass er sie gerne besser kennengelernt hätte. Wieder kam ihn der Gedanke, ob es anders gewesen wäre, wenn er ein einfacher Bauer wäre.

Nun ja. das würde er nun nicht mehr heraus finden.




"Also eines kann ich dir sagen. Er ist genauso stur wie wir. Schon diese Tatsache zeigt, dass der Kerl mit uns verwandt ist."

Calarion sah zu Anuwe und Kanoran. Die beiden kamen von einem Kontrollflug und hatten dabei Racola getroffen.

"Ich nehme mal an, er bleibt bei seinem Plan?"

Kanoran nickte.

"Mal ehrlich, Calarion. Eine wirkliche Alternative können wir ihm ja auch nicht bieten. Oder hattest du in der letzten Stunde den zündenden Einfall?"

Calarion schüttelte den Kopf, dann stand er auf.

"Nun gut. Dann bereiten wir uns auf eine finale Schlacht vor."

Kanoran blickte ihm nach, während der König Befehle verteilte.

Nun, er dachte auch, dass es eine Schlacht geben würde, aber er würde Racola nicht einfach so aufgeben. Außerdem war er nicht der Meinung, dass seine Leute auf ihn hören würden. Es war zu offensichtlich, dass sie nur nach einen Grund suchten, um die Drachen zu zerstören. Und dieses Mal war der Grund der Tod Racolas.

"Wo ist Meriwan?", fragte er einen der Diener.

Der verneigte sich kurz vor ihm.

"Die Dame ist mit den Kindern nach draußen, damit alle Ruhe haben. Die Dame Sucala begleitet sie."

Kanoran nickte.

"Vielen Dank. Ich werde sie finden."

Er ging in den Garten. Irgendwie musste er Racola dazu bringen, einen Grund zu sehen zu leben. Und dieser Grund lebte gerade hier im Schloss.

Er musste mit ihr reden, wie weit sie für diesen Mann gehen würde. Und dementsprechend mussten sie handeln.

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