Kapitel 7
"Wo ist sie?"
Anuwe starrte die Magd vor ihm wütend an, die noch vorher damit geprahlt hatte, dass sie Doro gesehen hätte. Sie log ihm dreist ins Gesicht und Anuwe hasste dieses seltsame Gefühl, dass er dabei immer bekam. Es brachte ihm im Moment nicht weiter und das konnte er nicht ausstehen.
Diese Magd hatte sich nun theatralisch auf ihre Knie fallen lassen und irgendetwas Unzusammenhängendes gestammelt, bis sie ihm erklärte, dass Doro wohl einen besseren Mann gefunden hatte.
"Ich sagte doch schon, dass sie mit einem Mann gegangen ist. Völlig freiwillig."
Jefrandt beugte sich zu der Frau.
"Du weißt aber, wer das ist, oder? Anuwe ist der weiße Drache. Er kann Lügen erkennen, sobald man sie ausspricht und selbst ich sehe, dass du lügst. Mein Bruder ist jetzt schon wütend. Provoziere ihn nicht noch damit, dass du noch mehr Lügen auftischt. Das wird dir nicht bekommen."
Sie schluckte hart und senkte den Kopf.
"Ich kann nur sagen, was ich gesehen habe."
Anuwe brüllte seinen Zorn heraus.
"Ich kann mir nicht erklären, warum du so unsagbar dumm bist. Gerade sagte Prinz Jefrandt zu dir, dass ich jede Lüge erkenne und dennoch lügst du schon wieder. Denkst du, er machte einen Scherz? Ich kann dich auch ihm überlassen, aber dann wirst du nicht mehr dieselbe sein, die du vorher warst."
Er beugte sich zu ihr, hob ihr Kinn grob an und sah ihr in die Augen.
"Ich an deiner Stelle wäre nicht so dumm. Aber was weiß ich schon?"
"Kimek ist nicht gerade mit Verstand gesegnet, Herr."
Thekla kam zu ihnen und sah missbilligend auf die junge Frau, die zwar immer noch auf dem Boden kniete, aber jeden einem hasserfüllten Blick zuwarf.
"Wenn Kimek mit Verstand gesegnet wäre, dann würde sie jedem danken, dass man sie hier wohlwollend aufgenommen hat und sich niemand um ihre Vergangenheit schert."
Nach einem weiteren Blick auf Kimek, du nun endlich zu verstehen schien, vor was sie Thekla gerade rettete, wandte sie sich zu Anuwe.
"Ich glaube nicht, dass Doro davon gelaufen ist. Sie wollte die Ziege melken und sie bat mich, dass ich Euch nicht ärgere, weil sie wollte, dass ihr gute Laune habt, wenn sie mit Euch spricht."
Anuwe setzte sich auf einen Stuhl.
"Doro wollte mit mir sprechen?"
Thekla nickte.
"Ich sehe Euch an, dass ihr wisst, dass ich nicht lüge. Ich habe euch nie angelogen, obwohl ich eine Drachenjägerin war. Ich sah gestern, dass das Mädchen sehr unglücklich war. Heute morgen wirkte sie allerdings entschlossen und bereit. Ich denke mal, sie wollte Euch etwas mitteilen, was sie für sehr wichtig hielt."
Anuwe stöhnte und rieb sich das Gesicht.
Endlich wollte Doro sich öffnen und nun war sie weg.
"Vielleicht hat sie es auch mit der Angst zu tun bekommen. Immerhin war sie eine Hure, genau wie ich!"
Kimeks Stimme klang gehässig und triumphierend.
Anuwe hob langsam den Kopf und starrte sie an.
"Denkst du, das weiß ich nicht? Meinst du, ich würde nun in Verzweiflung ausbrechen, weil du mir ihre Vergangenheit an den Kopf wirfst?"
Er stand auf und stellte sich vor die Frau, die seine Geduld nun wirklich hart auf die Probe stellte. Tief in ihre Augen blickend kam er noch näher und sah in ihre Gedanken, was er vorher noch nie gemacht hatte. Er sah den Neid, den sie schon seit Jahren gegen Doro hegte. Er sah ihre Vergangenheit, als ob er selbst dabei wäre. Die Männer, die sich zu ihr legten und er spürte ihre Freude, wenn die Männer ihr Komplimente machten, aber sein Drache spürte, dass diese nie ernst gemeint waren. Anuwe betrachtete, wie Kimek hier in die Villa kam und erst zufrieden war, bis sie Doro erblickte und der Hass wieder entfacht wurde. Dann sah er noch etwas und schreckte zurück.
"Racola!" flüsterte er und sofort wollte sein Drache die Kontrolle übernehmen, um jeden zu schützen, der seinen Schutz wollte. Er selbst hörte das tiefe Brummen, dass sein Drache von sich gab und er bemerkte, wie sich seine Hände schon in Klaue verwandelten.
"Anuwe! Beruhige dich!"
Er atmete tief ein und aus, als er Jefrandts Stimme hörte. Sein Drache konnte sich nur schwer beruhigen und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder hinlegte und zurück zog.
"Sie hat Kontakt zu Racola. Er war hier! Hier in der Drachenstadt.", keuchte er angestrengt, als der Drache endlich Ruhe gab.
Jefrandt richtete sich gerade auf und seine Augen blickten einen Moment rot auf. Sein Bruder hatte schneller seine Kontrolle wieder erlangt und Anuwe bewunderte ihn dafür.
"Du weißt, was das bedeutet, oder?"
Anuwe nickte.
"Die Schlacht steht kurz bevor und Racola ist sich seiner Sache so sicher, dass er hier in der Stadt ein- und ausging, wie es ihm gerade gefiel."
Er wandte sich wieder an Kimek.
"Was wollte er von dir? Was hat er dir versprochen? Hat er Doro entführt?"
Kimek lachte irre.
"Doro interessiert ihn nicht und er hat mir nichts versprochen. Das brauchte er auch nicht. Er wird euch vernichten und dann wird es allen besser gehen."
Thekla stand vor sie und gab ihr eine kräftige Ohrfeige.
"Du bist wirklich dumm. Glaubst du, Racola wird dich belohnen, wenn du ihm einen Gefallen tust? Nein, das wird er nicht. Ich kenne ihn, denn ich habe jahrelang bei ihm gelebt. Er ist eiskalt und nur auf seinen Vorteil bedacht. Was wollte er, hm? Wollte er Lili? Hat er von dir verlangt, dass du ihm eine Nachricht zukommen lässt, wenn sie hier ist?"
Kimek wurde auf einmal unsicher, aber schüttelte den Kopf.
"Er fragte nach Lili, aber er verlangte nicht von mir, dass ich ihm eine Nachricht zukommen lasse. Ich sollte mir allerdings merken, was hier vor sich geht."
Anuwe schaute zu Jefrandt.
"Wie viel hast du ihm schon gesagt?", fragte der ruhig und Anuwe bewunderte ihn auch dieses Mal für seine Selbstbeherrschung.
Kimek zuckte zusammen und wandte sich unter dem Blick von Jefrandt. Anuwe wusste, dass Jefrandt im Moment tiefer in Kimeks Kopf eindrang, als er es konnte. Doch dieses mal ließ er ihr keine Strafe zukommen, wie er es sonst tat. Dieses Mal wollte er einfach sehen, wie weit Racola gegangen war.
Nach einer Weile sackte Kimek zusammen und hielt sich den Kopf. Jefrandt erhob sich mit einem zufriedenen Lächeln.
"Noch weiß er nicht so viel. So wie ich das sehe, ist er wirklich noch hinter Lili her. Wir sollten Velion informieren und Kimek zu ihrer eigenen Sicherheit unter Arrest stellen."
Anuwe schnaubte.
"Ich muss Doro finden. Nicht, das Racola sie doch hat."
Jefrandt schüttelte den Kopf.
"Nein. Racola hat wirklich kein Interesse an Doro. Ich sah allerdings noch einen Mann. Hamiran nannte er sich."
Beide drehten sich zu Kimek um, die leise vor sich hin wimmerte.
"Wenn wir noch einmal in ihren Kopf gehen, weiß ich nicht, wie sich das auf ihren Verstand auswirkt.", gab Jefrandt zu bedenken.
Anuwe war da egal. Er wollte seine Doro finden.
Er hockte sich neben die wimmernde Kimek.
"Höre mir jetzt gut zu, Kimek. Ich lasse dir die Wahl. Entweder sagst du mir, wer dieser Hamiran ist und wo ich ihn finde, oder ich wühle in deinen Kopf herum, bis ich es finde. Allerdings bezweifel ich, dass du deinen letzten Rest Verstand noch behalten wirst. Du wirst sabbernd irgendwo in der Ecke sitzen und man wird dich pflegen müssen. In Kriegszeiten dürften sich weniger gute Seelen finden, die das übernehmen."
Sie riss entsetzt die Augen auf und versuchte ihm auszuweichen.
"Nein! Nicht! Ich sage es ja. Hamiran war unser Zuhälter. Doro war seine Lieblingshure, weil sie viel Geld einbrachte. Kennt ihr die Spelunke im alten Hafenviertel? Sie heißt: Zum springenden Fisch."
Anuwe nickte, obwohl er keine Ahnung hatte. Er würde Faköle fragen, immerhin ging sein Bruder jeden Tag ins Hafenviertel.
"Dort findet man ihn immer. Dort kommen seine Huren immer hin, wenn sie ihm die Münzen geben."
Sie streckte den Arm aus, als ob sie ihn abwehren wollte, doch Anuwe hatte genug gehört.
"Nun gut. Ich werde dich dennoch unter Arrest stellen."
Er sah zu Thekla.
"Ich werde Wachen schicken lassen. Sie werden Kimek mitnehmen und die Kinder bewachen."
Er nickte Jefrandt zu und wollte aus dem Zimmer.
"Moment. Wo willst du hin? Wir müssen zu Calarion und Velion."
Anuwe schüttelte den Kopf.
"Das musst du alleine machen,Jefrandt. Ich suche Doro. Ich werde bei euch sein, wenn die Schlacht losgeht."
Jefrandt neigte seinen Kopf zur Seite.
"Und wenn du sie bis dahin nicht findest?"
Anuwe holte tief Luft.
"Dann werde ich dennoch hier sein. Ich lasse euch und die Menschen nicht im Stich."
Einen Moment stutzte Jefrandt, dann lächelte er.
"Du wirst wirklich erwachsen. Geh schon! Ich regle hier alles."
Doro erwachte, als ihr Körper durchgerüttelt wurde. Mühsam öffnete sie die Augen und stöhnte leise, weil ihr Kopf schmerzte.
Sie sah sich um und fluchte leise. Ihre Hände und Füße waren gefesselt und Hamiran hatte sie wohl in eine Kiste gesperrt und dem Gerumpel nach zu urteilen, fuhr er gerade auf einer nicht befestigten Straße.
Sie konnte wohl froh sein, dass sie in dieser Kiste lag und nicht schlimmer herum geworfen wurde. Das hier reichte ihr schon.
Am liebsten hätte sie nach Hilfe gerufen, aber Hamiran könnte sie wieder niederschlagen und das wollte sie vermeiden. Stattdessen lauschte sie und hoffte zu erkennen, wo sie war.
Der Wagen hielt nach gefühlten Stunden. Doro quälte der Durst und ihre Kleidung war verschwitzt. Sie hoffte, dass er ihr etwas zu Trinken geben würde, aber dann hörte sie, wie er sich mit zwei Männern unterhielt.
"Warum werde ich angehalten?"
Er klang so anders. Man hörte sonst immer eine gewisse vornehme Art in seiner Stimme, doch dieses Mal sprach er viel zu laut und er hatte einen seltsamen Dialekt, den Doro vorher noch nie hörte.
Die Männer kamen während des Sprechens wohl näher.
"Wir kontrollieren jeden Wagen, der hier entlang fährt. Wo kommst du her und wo willst du hin?"
"Ich komme aus der Drachenstadt. Hab da meine Ware verkauft und fahre nun wieder nach Hause."
Hamiran hörte sich wie ein Bauer an. Doro hätte am liebsten gekichert, denn er versuchte immer zu vermeiden, dass man ihn mit einem niederen Mann verglich. Sie nahm mal an, dass seine Familie wirklich Bauern waren, denn diesen Dialekt und die einfache Aussprache lernte man nicht so einfach.
"Und wo ist dein Zuhause?", fragte nun ein anderer Mann.
"In der Hafon-Ebene."
Doro hörte nun die Schritte ganz in ihrer Nähe und sie setzte schon an, um zu schreien. Doch dann hörte sie zwei dumpfe Schläge und Stöhnen. Nach einer Weile öffnete sich die Kiste und Hamiran lächelte sie an, als ob er völlig unschuldig wäre.
"Da wären uns diese dämlichen Krieger beinahe auf die Schliche gekommen. Ich musste schnell handeln, denn du wolltest gerade um Hilfe rufen, habe ich Recht?"
Doro schnaubte.
"Kannst du mir das verdenken? Du hast mich entführt!"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ja, das habe ich wohl."
Doro versuchte eine bequemere Lage zu finden, was mit ihren gefesselten Gliedmaßen ziemlich schwierig war.
"Hast du die Krieger getötet?"
Hamiran schüttelte den Kopf.
"Nein, Doro. Das habe ich nicht."
Es klang beinahe schon bedauernd.
"Anuwe wird sie finden und mich auch."
Hamiran lachte spöttisch.
"Du hast noch keine Verbindung zu ihm. Das weiß ich. Selbst wenn er die Krieger hier findet, werde ich schon weit weg sein. Wenn wir Glück haben, greifen die Drachenjäger auch gerade jetzt die Drachenstadt an. Dann wäre dein Drache auch beschäftigt und könnte dich nicht suchen. Denn durch die fehlende Verbindung sind sie geschwächt und können keinen Drachen entbehren."
Doro fluchte lautlos.
Daran hatte sie gar nicht gedacht, als sie Anuwe eins um andere mal von sich stieß. Warum war er dennoch bei ihr geblieben, wenn er doch wusste, dass die Zeit drängte? Er mochte sie bestimmt, bis zu dem Zeitpunkt, an dem seine Geduld am Ende war. Doro wusste nicht einmal, wie viel Zeit vergangen war. Hatte sich Anuwe schon eine andere Frau genommen, um die Gefahr zu bannen? Verdenken könnte sie es ihm nicht, doch sie hoffte, er würde sie suchen.
Hamiran betrachtete sie lächelnd.
"Ich habe dir wohl einiges zum Überlegen gegeben. Das freut mich, denn dann wirst du nicht an Flucht denken. Leg dich wieder hin, sonst werde ich dich so lange verprügeln, bis du von alleine ruhig bist."
Mit dem letzten Satz herrschte er sie an und hob drohend seine Faust.
Sie legte sich sofort hin, doch bevor er wieder den Deckel schloss, bat sie um Wasser.
Hamiran schnaubte leise, gab ihr aber dann einen Wasserschlauch, der schon von außen sehr warm war. Erfrischend würde es nicht sein, aber es hielt sie am Leben.
Kaum hielt sie den Wasserschlauch in den gefesselten Händen, wurde die Kiste wieder zugeschlagen und nach einer Weile rumpelte es wieder.
Doro fluchte leise auf sich selbst.
Warum hatte sie nie die Nähe zu Anuwe zugelassen.? Oft erzählten die Frauen von der Verbindung, die sie zu ihren Drachen hatten. Sie erklärten sogar, dass sie sich mit ihnen über große Distanzen unterhalten konnten. Das wäre nun wirklich hilfreich. Sie war so dumm, obwohl ihr die Bedenken bisher richtig vorkamen. Nun konnte sie nur hoffen, dass man sie dennoch finden würde.
Irgendwer.
Ich hoffe darauf, Anuwe, dass du es sein wirst. Ich war so dumm. Ich hätte deinem Drachen gerne einen Namen gegeben. Lefko! Ja, so hätte ich ihn genannt. Doch nun...es tut mir so leid.
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