Kapitel 27
„Glaubst du, Senn geht es gut?" Rosena wusste selbst, dass sie dieselbe Frage erst vor fünf Minuten gestellt hatte, doch ihre Sorgen waren nicht kleiner geworden. Anfangs hatte sie den Meuchelmörder gehasst, weil er sie aus ihrer Familie gerissen und entführt hatte, jetzt jedoch war sie ihm auf ewig dankbar.
„Ich weiß es nicht", knurrte Alyn. Mit verschränkten Armen lief sie auf und ab. Einmal hatte sie vor lauter Frust gegen die Wand getreten. Die Piraten hatten sie in einen schmucklosen Raum gesperrt. Immerhin gab es zwei Betten, was Alyn ironisch als Komfort in Par'Nevere bezeichnet hatte.
„Was ist mit Mika?"
„Ich weiß es nicht", entgegnete Alyn scharf. „Bei den Göttern, Rosena. Ich weiß genauso wenig wie du und das treibt mich in den Wahnsinn." Hilflos rang sie mit den Händen, während Rosena sie beobachtete.
Sie schlang die Arme um ihre Knie. „Wird mein Leben denn immer aus Angst bestehen?", fragte sie leise.
Alyn hielt inne und machte eine abrupte Kehrtwende. Sie setzte sich zu Rosena. „Du brauchst keine Angst zu haben. Alles wird gut."
„Wie denn?", rief Rosena aus. „Wir sind von Piraten gefangen genommen worden und unser Kapitän ringt mit seinem Leben. Und zu allem Übel wollen sie auch noch was von Senn. Was, wenn sie ihn getötet haben?"
„Das glaube ich nicht", sagte Alyn überzeugt. „Nein. Sie haben explizit nach ihm gefragt. Es muss etwas mit dem Kapitän der Wellenkönigin zu tun haben."
„Glaubst du das, was diese unheimliche Kapitänin gesagt hat? Dass er uns alle retten kann oder uns zum Tode verurteilt?"
„Ach Rosena! Ich weiß es nicht. Warum stellst du lauter Fragen, die ich nicht beantworten kann?" Sie barg das Gesicht in den Händen. Müde rieb sie sich die Schläfen. „Ich kann nur darauf vertrauen, dass alles gut wird. Senn hat dieses unmenschliche Glück, dass er alles irgendwie übersteht, egal wie aussichtslos es auch sein mag."
Rosena musste an die Jünger Lessamms denken und an das, was sie ihm angetan hatten. Sie konnte Alyn nur zustimmen, denn auch wenn er nur wenig darüber gesprochen hatte, war doch klar, dass er im Gegensatz zu anderen noch gut davongekommen war. „Ich wünschte, es wäre einfacher. Dieses Abenteuerleben zehrt an mir. In den Fängen von Piraten. Kann es denn noch schlimmer kommen?"
„Ro, reiß dich zusammen. Weißt du, was ich schlimmer fände? Von meinem eigenen Vater vergewaltigt zu werden. Darum heb den Kopf und zeig diesen Piraten, dass du aus härterem Material gemacht bist. Dass du sie nicht fürchtest, weil du stark bist. So wie es deine Mutter gesagt hat."
Ihre Worte waren ungewöhnlich scharf und bewiesen nur, dass Alyn ebenfalls unter der Gefangenschaft litt. Mehr, als sie vielleicht jemals zugegeben hätte. In dieser Hinsicht ähnelte sie Senn. Beide waren so stark und unabhängig und gaben niemals auf. Rosena schluckte. „Du hast recht. Ich werde diesen Piraten meine Angst nicht mehr zeigen."
Wenn es nur so einfach wäre. Sie fürchtete den Moment, in dem sich die Türe öffnen würde. Doch andererseits sehnte sie ihn ebenso herbei. Dieses Warten war schrecklich.
„Mach mir einen Schmetterling", sagte Alyn plötzlich.
Rosena sah auf. „Einen Schmetterling?"
„Ja. Vielleicht auch einen Papagei. Es ist mir gleich, solange es bunt ist und nicht so trist, wie dieser scheußliche Raum. Es wird dir helfen, glaub mir."
Auch wenn sie ihrer älteren Freundin nicht glaubte, konzentrierte sich Rosena. Sie malte sich aus, einen Schmetterling durch den Raum fliegen zu sehen. Mit leuchtend blauen Flügeln, die leicht grünlich schimmerten, wenn das Sonnenlicht darauf fiel. Sie sah seine kleinen Fühler vor sich, die Facettenaugen und den zierlichen Körper. Sie zeichnete in Gedanken seine fragilen Flügel, zerbrechlich und doch stabil.
Als sie die Augen wieder öffnete, flatterte ein kleiner Falter vor ihnen. Doch er glich eher einer Motte, denn dem Schmetterling, den sie sich vorgestellt hatte.
„Ich kann es ja doch nicht", seufzte sie.
Alyn sagte nichts, erhob stattdessen die Hand und der Falter trudelte nach unten.
„Was machst du da?", fragte Rosena überrascht. „Ich dachte, du kannst es nicht beeinflussen. Es ist doch nur eine Illusion."
„Ich habe nicht die geringste Ahnung", antwortete Alyn. „Ich wollte ihn nur abtasten. Er hat keine eigene Energie, aber offensichtlich kann ich ihm diese für kurze Zeit verleihen."
„Das ist doch unmöglich. Er ist eine optische Täuschung. Er existiert gar nicht."
Der Falter setzte sich in Alyns Hand, wo er sanft mit den Flügeln auf und abschlug. Sie hielt ihn sich vors Gesicht, betrachtete ihn fasziniert. „Das beweist nur, wie gut er in Wirklichkeit ist. Du hast ihn so perfekt gemacht, dass er theoretisch lebensfähig wäre. Wenn ich ihm etwas Energie einhauche." Sie lächelte leicht und der Falter erhob sich wieder, flatterte mit seinen Flügeln und verschwand schließlich zwischen den Gitterstäben des Fensters.
„Verrate es nicht Senn", sagte Alyn.
„Warum?", fragte Rosena. „Er wird sich sicher freuen."
„Wir müssen erst herausfinden, was das zu bedeuten hat. Niemand darf es vorerst erfahren. Wenn irgendjemand erfährt, dass ich deinen Illusionen möglicherweise Leben einhauchen kann, dann könnte es jemand ausnutzen. Auf schlechte Weise."
„Aber Senn würde es doch niemandem erzählen", empörte sich Rosena.
„Niemand. Auch nicht Senn. Bitte Ro."
Rosena schüttelte den Kopf. „Du traust ihm nicht", stellte sie fest.
„Er ist ein Meuchelmörder. Er hat Menschen getötet, Ro. Viele Menschen."
„Und wie viele mehr hat er gerettet? Ist es nicht etwas heuchlerisch, wenn du dich über sein mangelndes Vertrauen beklagst und ihm zugleich so etwas verschweigst?"
Alyn wurde bleich und Rosena bereute ihre Worte. „Bei den Göttern, das tut mir leid. Ich wollte nicht..."
„Schon gut", murmelte Alyn. „Du hast recht. Vielleicht bin ich genauso scheinheilig wie alle anderen meines Standes." Sie schüttelte den Kopf. „Und ich dachte, ich wäre anders."
„Du bist anders, du bist die einzige Freundin, die ich je hatte. Aber manchmal..." Rosena seufzte. „Vielleicht werden wir hier drin einfach nur wahnsinnig."
Alyn erhob sich und schlug gegen die hölzerne Tür. „Hallo? Ist da jemand?"
Vermutlich hätte sie niemals aufgehört, wenn nicht plötzlich das Geräusch eines Schlüssels, der in einem Schloss gedreht wurde, zu hören gewesen wäre. Verdutzt hielt sie inne. „Ich hätte jetzt nicht gedacht, dass das tatsächlich funktioniert."
Die Tür öffnete sich und nun erhob sich auch Rosena. Denn vor ihnen stand niemand anderes als Mika in Begleitung zweier Piraten.
„Ich wollte zu dir", sagte er leise.
Alyn machte einen Schritt zur Seite. „Damit bin ich wohl überflüssig geworden. Wenn ihr mich sucht, ich bin in der anderen Ecke des Zimmers. Ich kann hier ja nicht weg." Die letzten beiden Worte hatten mehr den beiden Piraten gegolten. Diese tauschten einen Blick.
„Ich kann dich Par'Nevere zeigen", sagte der eine mit starkem Akzent.
Alyn lächelte. „Das wäre sehr nett."
Sie drehte sich zu Rosena um. „Ihr braucht mich ja nicht. Viel Spaß euch beiden."
Die junge Frau tauschte mit Mika einen Blick. Beide verabschiedeten sich höflich. Kaum war Alyn in Begleitung der beiden Piraten verschwunden, musste Mika grinsen. „Sie ist wirklich außergewöhnlich."
Rosena zuckte mit den Schultern. „Sie ist die Tochter eines Herzogs. Was erwartest du?"
„Sie ist eine Adelige?"
„Das hätte ich nicht verraten dürfen."
„Ich werd's niemanden verraten. Wenn meine Mutter wüsste, was sie da für einen Fang gemacht hat."
„Deine Mutter?"
Seine Miene verdüsterte sich. „Es scheint, als hätte mein geschätzter Bruder mich jahrelang belogen", erklärte er bitter. „Aöwe..." Als er ihr verdutztes Gesicht sah, ergänzte er hastig. „Die Kapitänin der Schwarzen Jungfrau. Sie ist meine Mutter. Na ja, nicht meine richtige Mutter, sondern meine Stiefmutter."
„Das ist doch wundervoll."
„Wundervoll?" Er lachte bitter. „Ich dachte, sie wäre tot. Mein Bruder hat mir jahrelang vorgespielt, sie wäre gestorben. Und jetzt steht sie auf einmal vor mir. Ich hätte sie nicht einmal erkannt, wenn sie mich nicht darauf angesprochen hätte. Kannst du dir das vorstellen? Und weißt du was das Beste ist? Sie hat's mir gesagt, aber nicht, weil mein Bruder sie darum gebeten hat, sondern dein Freund."
„Senn? Wie kann er...?"
„Wenn ich das wüsste." Er raufte sich die Haare. „Bei den Göttern. Meine Familie ist so kaputt."
Unsicher hob Rosena die Hand, zögerlich strich sie ihm über den Rücken. „Sag sowas nicht. Immerhin hast du eine Familie." Bei den letzten Worten brach ihre Stimme fast.
Mika zuckte zusammen. „Ich bin so ein Esel. Es tut mir leid. Ich wollte wirklich nicht..."
„Schon gut. Ich will mich nicht einmischen. Doch ich weiß, dass dein Bruder dich über alles liebt. Er wollte dir sicher nicht damit schaden. Er hätte es dir bestimmt gesagt, wenn er jetzt nicht um sein Leben ringen würde. Es hilft ihm nicht, wenn du ihm zürnst."
„Ach meine Rose, du sagst immer so nette Dinge. Du bist immer so herzensgut, so perfekt. Wie kann ich dir je genug sein?"
Sie lächelte, denn das Kompliment erwärmte ihr Herz. „Du kennst meine Vergangenheit. Ich war nicht immer so perfekt, wie du behauptest. Und das weißt du."
„Für mich bist du perfekt."
Er näherte sich ihr und instinktiv wich sie aus. „Ich denke nicht, dass ich das kann."
Er hielt inne und verzog den Mund. „Mein Fehler. Ich bin momentan etwas durcheinander. Normalerweise würde ich mir die nächste Schnapsflasche suchen. Aber ich trinke nicht mehr. Manchmal bereue ich diese Entscheidung."
„Ich bin froh, dass du sie getroffen hast."
Er wandte sich ihr zu. „Meine Mutter möchte, dass ich hier bleibe. Bei ihr in Par'Nevere."
„Und du?"
„Mir ist es gleich. Wenn du bei mir bist, wäre ich überall glücklich."
Vorsichtig umfasste Mika mit seiner Hand die ihre. Rosena entzog sie ihm nicht, trotzdem schüttelte sie den Kopf. „Du weißt, dass ich nicht kann. Ich muss Senn begleiten. Ich habe es ihm versprochen."
Er sprang erregt auf. „Warum? Warum musst du ihn begleiten? Er liebt dich doch nicht einmal sondern die Herzogstochter. Ich aber..."
Sie unterbrach ihn geduldig. „Mika. Sei kein Narr. Er ist mein Freund."
„Und was bin ich für dich?"
Sie rang mit den Händen. „Ich weiß es nicht." Dieser Satz schien heute überdurchschnittlich oft zu fallen. „Du bist... Ich mag dich, Mika. Ich mag dich so sehr."
„Warum bleibst du dann nicht bei mir?" Er blickte sie so traurig an, dass sie sich schlecht fühlte.
Rosena musste an Alyn und Senn denken, die sich früher oder später gegenseitig zerstören würden, weil sie einfach kein Vertrauen zueinander hatten, obwohl sie sich liebten. Sie seufzte. „Es gibt da etwas, das habe ich dir noch nicht erzählt. Vielleicht hätte ich das schon eher tun sollen."
„Du bist bereits verlobt und nun auf dem Weg zu deiner Hochzeit?"
Sie musste lachen. „Nein, das ist absurd."
„Dann kann ich damit leben."
„Es könnte die Dinge um einiges verkomplizieren, deshalb warte mit deinem Urteil, bis ich dir alles gesagt habe."
Sie suchte in seinem Gesicht nach Verunsicherung, fand in seinen walnussbraunen Augen jedoch nichts als Vertrauen. Wie hatte sie ihn nur verdient?
Sie schloss die Augen und streckte die Hand aus. Es fiel ihr immer noch leichter, wenn sie so tat, als würde sie malen. Dieses Mal stellte sie sich keinen Schmetterling vor, sondern einen Hund. Einen kleinen schwarz-braunen Hund mit walnussbraunen Augen, die sie voller Treue anblickten.
Sie hörte Mikas erstaunten Ausruf. „Was ist das?", fragte er vollkommen fassungslos.
Sie verzog das Gesicht. Sie hatte wohl wieder einen Fehler gebaut. Frustriert blickte sie auf und sah einen kleinen Hund, der schwanzwedelnd vor ihnen stand. Er hechelte und legte den Kopf schief. Dann winselte er leise.
„Wie hast du das gemacht?", wollte Mika vollkommen fasziniert wissen. Er beugte sich vor, doch seine Hand griff durch den Hund hindurch.
„Ich bin noch nicht so gut", erklärte Rosena.
„Das ist der Wahnsinn." Mika war vollkommen begeistert.
„Das ist meine Magie", setzte Rosena an. „Was weißt du über die Edelsteine?"
Es dauerte lange, bis sie alles berichtet hatte. Mika war ein geduldiger Zuhörer, der sich jedoch nicht entscheiden konnte, wem er mehr Aufmerksamkeit widmen sollte. Dem Hund, der sich inzwischen hingelegt hatte, oder Rosena.
„Und du hältst die Illusion die ganze Zeit aufrecht?"
„Ohne mich ist sie nichts. Ich stelle mir seine Bewegungen vor. Es ist ziemlich schwer. Manchmal gelingt es mir nicht ganz und es sieht merkwürdig aus. Auch die Geräusche sind nicht immer perfekt. Das ist viel schwerer und kostet mich ziemlich viel Kraft. Vermutlich, weil es eine ganz andere Ebene ist."
„Egal, ob es dir schwerfällt oder nicht, du bist ganz und gar erstaunlich. Ich kann es kaum glauben."
„Verstehst du jetzt, warum ich gehen muss?"
„Es ist ziemlich ehrenhaft von dir, ein Land retten zu wollen, in dem du so gelitten hast."
Sie schüttelte den Kopf. „Das solltest du Senn sagen. Dieses Land hat mir nichts getan, sondern nur mein Vater. Die wenigsten wussten davon. Vielleicht haben manche weggeschaut, doch im Vergleich zu dem, was Senn erdulden musste, ist das wohl harmlos."
„Was ist mit ihm?"
„Ich bin mir nicht sicher, ob es ihm recht ist, wenn ich es dir sage. Seine Mutter wurde von den Oberen getötet, als er vier war."
„Was ist dann geschehen?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Darüber redet er nicht. Gar nicht. Er ist ziemlich verstockt. Ich denke, er braucht einfach noch Zeit."
„Oder er ist ein Idiot, weil er sich jemandem wie dir verschließt."
„Natürlich ist er das. Aber ich mag ihn trotzdem."
Er legte sich rücklings aufs Bett und starrte an die Decke. „Meine Mutter meinte, Nick wollte, dass er an seiner Stelle die Mutprobe besteht."
Rosena legte sich neben ihn. „Wer ist Nick? Was für eine Mutprobe?"
„Mein Bruder. Er heißt Dominic. Aber ich hab' schon immer Nick zu ihm gesagt. Hab' ich ihn noch nie beim Namen genannt?" Er seufzte. „Ach egal. Ein Kapitän kann seine Mannschaft befreien, in dem er eine besonders gefährliche oder schwierige Aufgabe bewältigt. Wenn der Kapitän aus irgendwelchen Gründen dazu nicht in der Lage ist, kann er einen Stellvertreter erwählen, der dies an seiner Stelle tut."
„Und er hat Senn genommen?"
„Ja. Ich verstehe das nicht. Er hätte mich nehmen sollen. Immerhin bin ich sein Bruder. Oder zumindest Argur oder auch Degendan. Warum wählt er einen Wildfremden?"
„Weil dein Bruder nicht dumm ist. Wenn die Mutprobe wirklich so gefährlich ist, wie du sagst, hätte er keine bessere Wahl treffen können. Senn schafft das. Er ist gut im Überleben und kann auf sich selbst aufpassen. Er kämpft mit sämtlichen Waffen, als wären sie ihm angewachsen. Auch wenn er nicht den Eindruck erweckt, ist er vermutlich nicht weniger gefährlich als die ganzen Piraten hier."
„Ich hoffe, du behältst recht."
Sie schwiegen eine Weile und Rosena genoss einfach seine Anwesenheit. Er war ganz anders als die Männer, die sie bisher kennengelernt hatte. Nicht so gestört wie ihr Vater, aufbrausender als Ander und weniger beherrscht als Senn. Trotzdem mochte sie seine Leidenschaft. Seine Verletzlichkeit.
Wäre Alyn nicht wiedergekommen, wären sie wohl bis in alle Ewigkeiten dort gelegen.
Die junge Herzogstochter wirkte gut aufgelegt. Der Spaziergang schien ihr gut getan zu haben, denn offenbar hatte sie dabei ihre immerwährend gute Laune wiedergefunden. „Was sehe ich da?", rief sie aus.
Rosena und Mika richteten sich beide verlegen auf, aber Alyns Aufmerksamkeit galt mehr dem Hund, denn ihnen. „An wen erinnerst du mich bloß?", murmelte sie leise.
Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit auf die beiden. „Deine Begleitung wartet", erklärte sie mit dem Daumen auf die beiden Piraten im Türsturz deutend.
„Ich hoffe, ich kann dich bald wiedersehen", murmelte Mika.
Rosena lächelte. „Ich auch."
Nur zögerlich trennten sie sich voneinander. Alyn tauschte mit den beiden Piraten einen augenrollenden Blick. Anscheinend waren sie über die kurze Zeit so etwas wie Verbündete geworden. Rosena musste den Kopf schütteln. Das war es, was Alyn ausmachte. Sie kam mit jedem klar und machte sich schnell Freunde. Anders als sie selbst.
Doch ausnahmsweise störte sie das nicht. Ihr Herz klopfte immer noch laut und sie spürte die Röte in ihrem Gesicht.
Alyn schmiss sich aufs Bett, während sie nachdenklich mit einem Schlüssel spielte. „Jetzt erklär mir, warum Mika dich sehen durfte. Laut Freddy und Skip war es ein Befehl der Kapitänin der Schwarzen Jungfrau. Sie scheint hier eine Menge zu sagen haben."
„Sie ist seine Stiefmutter."
Die Herzogstochter richtete sich auf. „Das würde einiges erklären."
„Senn muss für Mikas Bruder eine Mutprobe ablegen, damit er alle befreien kann."
„Wie konnte er das nur verlangen?", rief Alyn aufgebracht aus. „Und wie kann ER mitmachen?"
„Du kennst ihn doch. Senn muss immer helfen, das liegt ihm im Blut."
„Dieser Dummkopf", schimpfte Alyn. „Irgendwann stirbt er noch wegen so etwas."
Rosena schwieg, musste aber in Gedanken den Kopf schütteln. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass ihre beiden älteren Freunde auch nicht weiser waren als sie. „Was ist das?", fragte sie, auf den Schlüssel in Alyns Hand deutend.
Ihre Freundin grinste. „Das ist der Schlüssel zur Freiheit."
Rosena wurde blass. „Wie...?"
„Ich habe ihn gestohlen. So schwer ist das gar nicht."
„Aber..."
Alyn richtete sich auf. „Wir werden hier ausbrechen."
„Und dann?"
Rosenas skeptischer Tonfall ließ Alyns Lächeln verschwinden. „Wie und dann? Wir sind frei."
„Aber Senn und Mika... und der Kapitän... was passiert mit ihnen, wenn wir fliehen?"
Alyn biss sich auf die Unterlippe, während sie nachdachte. „Warum musst du immer nur so verdammt gute Einwände haben." Sie schwieg. Rosena erkannte, dass die Herzogstochter fieberhaft überlegte. „Also gut. Wir werden vorerst hierbleiben. Sollte Senn jedoch... scheitern, werden wir fliehen."
Rosena legte sich neben Alyn und beide starrten an die Decke, wie Rosena es zuvor mit Mika getan hatte. Keiner von ihnen sagte ein Wort, denn was hätte es auch noch zu erzählen gegeben? Sie mussten darauf hoffen, dass es Senn gelang, die Mutprobe zu bestehen.
Rosena wusste, dass es Alyn noch viel mehr wurmte als sie selbst, dass sie zur Untätigkeit verdammt waren. Manchmal blieb einem jedoch keine Wahl.
Irgendwann verschwand der Hund, der bis dahin schlafend auf dem Boden gelegen hatte, genauso leise wie er gekommen war.
Die Piraten, die später aufgeregt in die Zelle stürmten, um zu überprüfen, ob sie noch da waren, erfuhren nie von dessen kurzer Existenz.
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