Kapitel 13
Merin verschwand unter einer reinigenden Schneedecke. Der zentrale Platz, dessen Pflaster sich durch die Scheiterhaufen schwarz verfärbt hatte, wurde nun von einer weißen Schicht bedeckt. Wo vor einem Monat noch Menschen getötet worden waren, herrschte nun Markttreiben. Noch hatte sich der Schatten, der über der Stadt lag, nicht verzogen, aber die Bewohner kehrten allmählich zum Alltag zurück.
Hannah schlenderte mit einem Korb von Stand zu Stand. Die Leute begrüßten sie freundlich, in ihren Mienen keine Spur von Misstrauen mehr. Noch befanden sich die Meriner in einer Art Schockstarre, aus der sie nur langsam erwachten. Nach und nach wurde ihnen bewusst, was für Gräueltaten sie bis in den Herbst hinein bejubelt hatten.
In den meisten Familien war irgendjemand den Jüngern Lessamms zum Opfer gefallen und das Misstrauen zwischen den einzelnen Bewohnern war noch nicht ganz abgebaut. Hannah jedoch, die hinter ihrem Rücken als Hexe beschimpft worden war, wurde zu einer Art Vertrauensperson. Jeder in Merin wusste, dass sie von Anfang an die Jünger Lessamms kritisiert hatte und auch ihr Bruder Ander, der allmählich in seine Rolle als Stadtvorsteher hineinwuchs, war ein gern gesehener Gast.
Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sich Hannah ausgelastet. Sie war nicht zum Nichtstun verdammt, sondern hatte eine bedeutende Rolle in der lokalen Politik übernommen. Auch wenn sie kein offizielles Amt trug, war sie bei jeder Abstimmung zugegen. Auch mitunter dank der kräftigen Mithilfe ihres Bruders hatte inzwischen auch der letzte sture Bock im Stadtrat begriffen, dass Hannah nicht ganz untalentiert war, was wichtige Entscheidungen anbelangte.
Hannah nahm dankend eine Tüte Makronen in Empfang. Ihre Finger waren von der Kälte gerötet. Ander mochte sie verspotten, aber sie weigerte sich, Handschuhe zu tragen. Für sie waren diese ein Zeichen der Unterdrückung durch die Jünger, mit dem sie so wenig wie möglich in Berührung kommen wollte. Dafür nahm sie sogar Frostbeulen in Kauf.
Gedämpftes Hufgetrappel ließ sie aufmerken. Eine Gruppe Reiter näherte sich. Das seylsche Blau ihrer Uniformen stach deutlich zwischen dem weißen Schnee und dem sonst überall vorherrschenden Braun hervor. Ihr Anführer, ein glattrasierter Mann auf einem mächtigen Meriner, zügelte sein Reittier in der Mitte des zentralen Platzes. Seine Blick glitt prüfend über die Stadtbewohner, die ihn stumm und misstrauisch musterten. „Wo finde ich den Stadtvorsteher?", fragte er schließlich.
Hannah richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und trat vor. „Ich führe Euch hin", sagte sie, ohne dass ihre Stimme ihre Aufregung verriet. Was wollten diese Männer hier?
Sie stapfte durch den knöcheltiefen Schnee. An den Häuserwänden war er bereits fast mannshoch aufgetürmt, aber auch wenn gerade die kraftlose Sonne schien, würden die Berge noch weiter anwachsen.
Das Rathaus, in dem sich der Stadtrat regelmäßig versammelte, lag überraschenderweise nicht am zentralen Platz, sondern etwas abseits. Hannah hatte gehört, der Grund dafür sei das Wachstum Merins gewesen. Das ehemalige Rathaus beherbergte heute eine Schenke. Der Stadtrat hingegen war in ein größeres Gebäude gezogen.
Bevor die Männer dieses betraten, banden sie die Pferde an der dafür vorhergesehenen Stange fest. Niemand würde es wagen ein Pferd der Soldaten zu stehlen, denn dieses konnte nicht einmal auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. Kein Händler war derart lebensmüde.
„Darf ich fragen, wieso Ihr hier seid?", fragte Hannah.
„Nein, darfst du nicht", erwiderte der Mann. „Das ist Angelegenheit des Stadtrates und des Stadtvorstehers."
Hannah zuckte nur mit den Schultern und klopfte an die Tür ihres Bruders.
Sie fand ihn hinter Bergen aus Papier vor. Er sah kurz auf und als er sie erkannte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Gut, dass du da bist, ich..."
Dann registrierte er ihre versteinerte Miene und verstummte.
„Ich habe jemanden mitgebracht", sagte Hannah tonlos.
Hinter ihr schob sich der Anführer der Soldaten - welchen Rang auch immer er innehatte - vorbei. „Ich bin Hauptmann Anselm", stellte er sich steif vor. „Ich bin in offiziellem Auftrag der Regierung Seyls hier."
Ander erhob sich langsam, den Kiefer angespannt. „Ich bin der Stadtvorsteher Merins. Was verschlägt Euch in den rauen Norden?"
Anselm deutete auf Hannah. „Das ist nicht für Außenstehende bestimmt. Wenn..."
„Sie bleibt", unterbrach ihn Ander bestimmt.
„Das ist wirklich..."
„Ich sagte, sie bleibt. Was auch immer Ihr mir zu sagen habt, könnt Ihr auch ihr sagen."
„Na gut", willigte Anselm ein. „Bin ja nicht hier, um zu streiten." Dann zog er einen Brief aus seiner Umhängetasche hervor und räusperte sich. „Ich habe das Recht, die Einwohnerakten einzusehen", erklärte der Hauptmann. „In diesem Brief findet Ihr den entsprechenden Befehl, unterzeichnet vom Obersten und vom Oberen Kriegsminister."
Ander nahm den Brief in Empfang und öffnete ihn. Für eine Weile schwieg er, während er las. Schließlich hob er den Kopf. „Ihr seid also gekommen, um unsere Männer mitzunehmen?"
Anselm zuckte mit den Schultern. „Nur die Entbehrlichen. Ich habe fähige Männer dabei, die das Vertrauen der Oberen genießen. Sie werden entscheiden, welcher Mann das Heer verstärken soll und welcher Mann für andere Zwecke benötigt wird."
Hannah stellte sich neben Ander. „Wir brauchen jeden Mann", sagte sie entschlossen.
Der Hauptmann neigte den Kopf. „Das mag sein, werte Frau. Aber Seyl befindet sich im Krieg und es ist die Pflicht eines Jeden, sein Heimatland zu verteidigen."
Bevor Hannah aufbrausen konnte, spürte sie, wie eine warme Hand die ihre umgriff. Ander richtete sich auf. „Wir werden Euch nicht daran hindern, Eure Pflicht zu tun."
Er ging an ein Regal und nahm drei dicke Wälzer heraus. „Ich vertraue sie Euch an", sagte er zu Anselm.
„Komm Hannah. Wir müssen unseren Leuten Bescheid geben."
Sie folgte ihrem Bruder, aber nicht ohne die Soldaten verächtlich zu betrachten. Die schienen sich an ihr jedoch nicht zu stören.
Ander warf sich seinen gefütterten Mantel über und setzte sich die uralte Wollmütze auf, die er schon vor mehr als zehn Jahren getragen hatte. Draußen war die Sonne hinter dichten Wolken verschwunden. Bald würde es zu schneien beginnen.
Die wenigen Passanten, die ihnen begegneten, folgten Ander zum zentralen Platz. Jeder erkannte intuitiv, dass etwas geschehen sein musste, denn weder Hannah noch Ander waren Menschen, die oft verärgert dreinschauten.
Am zentralen Platz herrschte noch reges Treiben, auch wenn die Verkäufer ihre Stände bald schließen würden. Hannah fielen die Makronen in ihrer Tasche ein. Bestimmt waren diese längst kalt. Ohne dass die Geschwister etwas hatten sagen müssen, scharrten sich die Leute um sie.
Ander räusperte sich. Er hatte seit jeher Schwierigkeiten, vor Menschen zu sprechen. Hannah jedoch weniger. Bevor ihr Bruder zu stottern begann, ergriff sie das Wort. „Heute sind Soldaten der Oberen zu uns gekommen", verkündete sie mit lauter Stimme. „In diesem Moment überprüfen sie die Einwohnerlisten Merins und der umliegenden Ländereien. Jeder Mann im kriegstauglichen Alter, sofern er nicht anderweitig gebraucht wird, wird eingezogen."
Ein Aufschrei ging durch die Menge. Die Stimmung verschlechterte sich merklich. „Wir wollten diesen Krieg nie", rief ein Mann. Hannah kannte ihn, handelte es sich bei ihm doch um einen der beiden Schmiede in Merin.
„Haben wir etwa ein Monster überlebt, nur um vom nächsten zerrissen zu werden?", warf Heti, die Frau des Schneiders Luipold, ein.
„Was geschieht, wenn wir uns weigern?", fragte eine dritte Stimme.
Ander hob leicht die Arme und die Leute verstummten. „Es stimmt. Keiner von uns wollte diesen Krieg. Doch er ist nun einmal hier und keiner von uns kann das ändern. Wenn wir nicht in die Hände der Acerianer fallen wollen, wenn wir nicht zulassen wollen, dass sie unsere Frauen und Kinder missbrauchen und schänden, müssen wir kämpfen. Wenn wir es schon nicht für die Oberen tun, dann wenigstens für unser eigenes Überleben und das unserer Familien." Er atmete tief durch. „Um deine Frage zu beantworten, Johann...", wandte er sich an einen Mann weiter hinten. „Wer sich weigert, wird als Staatsverbrecher gehenkt."
Erneut war das Empören groß und Ander gelang es nicht, das Stimmengewirr zu übertönen. Aus diesem Grund stieß Hannah einen scharfen Pfiff aus. Sofort verstummten alle und richteten ihre Aufmerksamkeit auf Ander. Der strich sich durch seine Haare, wie er es immer tat, wenn er sich unwohl fühlte.
„Ich bin ebenfalls gegen diesen Krieg. Aber ich kann euch eines sagen: Ich werde nicht zulassen, dass mich die Leute einen Feigling schimpfen, weil ich es vorziehe in Schande zu sterben, denn in einer Schlacht. Ich möchte leben und vielleicht gewähren die Götter mir diesen Wunsch. Es liegt nicht an mir, das zu entscheiden. Doch wenn nicht, werde ich so und so sterben. Entweder in der Hoffnung, meine Schwester damit zu beschützen und meine Verlobte und auch euch, oder einsam und allein, weil ich mich geweigert habe, das zu tun, wofür alle anderen Männer kämpfen."
Diese Worte ließ die Menschen schweigen. Jeder erkannte die Wahrheit in ihnen, so schwer es ihnen auch fiel.
Das war es, was Ander ausmachte. Er war kein Mensch, der gerne im Mittelpunkt stand. Er war nicht so charismatisch wie Senn es ungewollt gewesen war. Aber er besaß eine stille unerschütterliche Kraft, an die sich die Menschen anlehnten.
Dann zwang er sich ein Lächeln auf die Lippen. „Und vergesst eines nicht: der Phönix ist wiederauferstanden. Egal ob ich es erleben werde oder nicht, so weiß ich doch, dass die Zeit der Angst und der Unterdrückung sich dem Ende zuneigt und eine bessere Zukunft folgen wird. Wenn mein Opfer dafür notwendig ist, bin ich bereit es zu geben. Das solltet ihr auch tun."
Obwohl es wahrlich kein Anlass zur Freude war, jubelten die Menschen. Seit die Jünger Lessamms gestürzt worden waren, hatte sich das Gerücht weiter verbreitet. Einige Überlebenden behaupteten steif und fest, ihnen sei Resha erschienen und habe ihnen verkündet, dass der König bald zurückkehren würde. Dass er längst bei ihnen sei und er sein Volk retten werde. Egal wie skeptisch die Meriner dem gegenüber gestanden hatten, so hatten die ehemaligen Gefangenen weiter auf ihrer Geschichte beharrt. Nun gab sie auch den anderen Hoffnung.
Ander beantwortete noch einige weitere Fragen. Noch immer waren die Menschen widerstrebend, aber sie erkannten wohl, dass ihnen letzten Endes keines Wahl blieb.
Schließlich begann Schnee zu fallen, erst wenig und dann immer heftiger, sodass die Menschen eilig in ihre Häuser zurückkehrten. Auch Hannah und Ander machten sich auf den Weg. Allerdings zum Rathaus.
Dort fanden sie Anselm und seine Männer eifrig bei der Arbeit. Im Lampenschein schrieben sie einzelne Namen heraus. Hannah blickte einem der Männer über die Schulter und erschrak, wie viele der Männer sie kannte.
„Werdet Ihr über Nacht bleiben?", fragte Ander etwas bleich.
„Ja, wir haben eine Unterkunft im Schnellen Pferd", erwiderte Anselm abgelenkt. „Wir werden noch länger für diese Liste brauchen. Werdet Ihr uns helfen, die Männer auf der Liste zu benachrichtigen? Ihr werdet Euch doch nicht sträuben?"
Hannah und Ander tauschten einen Blick. Sie schüttelte den Kopf, aber er nickte. „Wir werden Euch jegliche Unterstützung gewähren, die Ihr benötigt."
„Das will ich auch hoffen", brummte Anselm.
„Darf ich Euch nun allein lassen? Ich werde heute Abend noch einmal kommen, um abzuschließen."
Der Hauptmann nickte nur, in den dicken Wälzer vertieft.
Ander zog seine Schwester mit sich, ehe diese etwas Unbedachtes sagen konnte. „Wir können ihnen nicht auch noch helfen", zischte sie, kaum außer Hörweite.
„Es bringt uns nichts, wenn wir uns gegen die Männer stellen. Sie haben die Oberen hinter sich. Wir können das Unabänderliche nicht verhindern, indem wir uns sträuben. Am Ende würden sie nur Gewalt anwenden."
„Aber..."
„Hannah", sagte Ander beschwörend. „Ich weiß, dass es dir widerstrebt. Ich mag diese Männer ebenfalls nicht. Aber sie gleich vor den Kopf zu stoßen, bringt uns nichts. Bitte."
Sie seufzte auf und trat mit ihrem Bruder auf die Straße.
Ander zitterte.
Sie lächelte. „Du frierst viel zu schnell."
Er nickte und gab ihr einen Rempler. „Du hast eben das heißere Blut von uns beiden." Sein Lächeln wirkte bemüht.
„Ist irgendetwas?", wollte Hannah wissen, aber er schüttelte nur den Kopf.
„Mit ist einfach nur kalt."
„Wie wär's, wenn ich dir einen Tee koche?", schlug sie deshalb vor.
Er grinste schief. „Aber misch mir nichts drunter, du alte Hexe."
Jetzt war es an ihr, ihn zu stoßen. Zu ihrer Überraschung stürzte er fast.
Verlegen richtete er sich wieder auf. „Glatt hier."
Hannah zuckte nur mit den Schultern. Sie schwiegen beide, bis sie vor ihrer Haustür ankamen. Nachdem Ander zum dritten Mal den Schlüssel versehentlich fallen hat lassen, schloss Hannah auf.
Ohne sich auszuziehen, setzte sich ihr Bruder vor den kalten Kamin.
Hannah entzündete ein Feuer, ehe sie den Tee kochte.
Schließlich setzte sie sich ihm gegenüber. „Ander, du bist mein Bruder", begann sie und er sah mit glasigen Augen auf. „Was ist los? Seit wir aus dem Rathaus gekommen sind, bist du so merkwürdig."
Auf einmal überkam sie ein Schauer. „Du stehst auch auf der Liste, oder?"
Er lächelte bemüht. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen."
Sie stellte ihre Teetasse ab, nachdem ihre Hände plötzlich zitterten. „Bei den Göttern, Ander", stieß sie hervor. „Du bist doch der Stadtvorsteher. Was ist mit Celia? Mit mir? Merin? Sie dürfen dich nicht mitnehmen."
„Noch muss ich nicht gehen", erwiderte er. „Ich stehe nur bei den Männern, die in Betracht gezogen werden. Es ist nicht sicher. Außerdem kannst du Merin in meiner Abwesenheit genauso gut führen, wie ich es getan habe."
„Ich will dich nicht auch noch verlieren", rief Hannah. „Du bist doch der Einzige, der mir geblieben ist." Sie schluchzte auf und warf sich ihrem Bruder in die Arme.
Er umfasste sie fahrig, nach und nach wurden sein Griff jedoch fester, sodass nicht mehr eindeutig war, wer wen stützte. Nun traten auch ihm die Tränen in die Augen.
„Ich komme wieder", murmelte er. „Das verspreche ich dir. Wenn ich wirklich gehen muss, dann komme ich wieder. Und dann feiern wir alle gemeinsam. Ich werde Celia heiraten und eine Familie gründen. Merin wird wieder erblühen und alle werden glücklich sein."
Trotz ihrer Angst und Trauer musste Hannah lächeln. „Das klingt ja widerlich langweilig."
Nun musste auch er grinsen, obwohl ihm die Tränen über die Wangen liefen. „Genauso wie wir es uns immer gewünscht haben. Du wirst einen schmucken Mann kennenlernen und dann wird alles gut. Der König kommt zurück und allen wird es wieder besser gehen."
Sie gab ihm einen leichten Stoß. „Du bist schrecklich. Jetzt muss ich noch lachen, obwohl ich doch so traurig bin."
Sanft löste er sich von ihr. „Es wird alles gut werden. Bei den Göttern. Irgendwann muss alles Leid doch ein Ende haben." Ernst sah Ander ihr in die Augen. „Versprich mir eines, Hannah", sagte er. „Wenn du den Hauptmann und seine Männer triffst, halte dich zurück. Starte keinen Staatsstreich im Alleingang. Sei vernünftig."
„Aber nur weil ich dir nicht schaden will", murmelte sie mit wenig Begeisterung. Dann sah sie auf. „Du solltest zu Celia. Wenn du wirklich gehen musst, wird sie dich jede freie Minute sehen wollen."
Er verzog das Gesicht. „Ich will sie nicht unglücklich machen. Noch ist für sie die Welt in Ordnung."
„Es wird sie auch nicht glücklich machen, wenn du es aufschiebst."
Er schüttelte den Kopf. „Bei dir muss alles immer gleich und sofort sein. Was ist mit dir? Ich kann dich doch nicht allein lassen. Und nachher muss ich noch das Rathaus absperren und..."
Sie unterbrach ihn sanft. „Geh zu ihr. Ich schaffe das schon allein. Ich bin schon immer gut allein klargekommen und das Rathaus abzusperren ist nicht so schwer. Aber geh zu deiner Verlobten. Sag es ihr. Auch wenn es hart ist, du weißt, dass die Dinge sich kaum ändern werden."
Er erhob sich freudlos und sie schob ihn zur Haustür. „Jetzt mach schon. Sonst sperr ich dich aus."
Im Türrahmen drehte er sich noch einmal um. Eis und Schnee bahnten sich ihren Weg nach drinnen, wo sie auf dem Fußboden schmolzen. Hannah fröstelte. „Jetzt mach doch nicht so ein Drama. Es ist schließlich kein Abschied für immer. Morgen bist du ja wieder hier. Und jetzt mach die Tür zu. Es zieht und ist eiskalt."
Ander zog seine Mütze vor ihr und setzte sie mit Schwung wieder auf. „Weißt du, wie sehr ich dich liebe? Ich muss der glücklichste Mann auf der Welt sein, mit so einer Schwester wie dir."
„Lass das bloß nicht Celia hören", grummelte sie, auch wenn sie sich sehr über seine Worte freute.
Er drehte sich um und verschwand im Schneetreiben. „Auf Wiedersehen, Ander", sagte sie leise.
Dann fiel die Tür ins Schloss und sie lehnte sich erschöpft dagegen.
Bei den Göttern, dachte sie sich. Was würde denn noch kommen? Müde richtete sie sich wieder auf und holte einen Lappen, um den Boden zu wischen.
Sie wollte nicht ins Rathaus. Sie wollte diesen Männern nicht gegenübertreten mit dem Wissen, dass diese ganze Familien auseinanderrissen und gar über Leben und Tod entschieden. Fast wünschte sie sich die Jünger Lessamms zurück, waren diese zwar Fanatiker gewesen, aber schlussendlich hatten sie von zwei Frauen mithilfe eines einzelnen Mannes gestoppt werden können. Doch wer konnte tausende Soldaten aufhalten?
Was hatte das alles nur für einen Sinn? Was brachte es ihnen an Ehre ein, wenn am Ende Frauen ohne Mann und Mütter ohne Söhne dastanden.
Wütend rang sie den Lappen aus.
Diese Welt war so verkehrt.
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