Sozialarbeiter
Ich rannte nach der Schule schnell nach Hause. Die beiden Autos meiner Eltern parkten vor unserem Haus, was mich ehrlich gesagt ziemlich verwunderte, da sie immer abends kamen.
Ich schloss die Tür auf und trat in den Flur.
»Mum, Dad?«
»Hey, Sally, Liebling«, begrüßte mich meine Mutter.
»Was ist los?«, fragte ich, als ich ihre bedrückte Miene sah.
»Komm mit in die Küche. Wir haben Besuch!« Schweigend folgte ich ihr.
Dort saß eine dünne Frau. Sie trug einen kurzen Rock und ein Jackett, die Haare waren zu einem Dutt gemacht.
»Mrs. Collins? Was machen sie denn...« Ich musste nicht weiter reden, denn ich wusste es bereits.
»Setz dich, Sally«, forderte die Sozialarbeiterin mich freundlich auf.
»Nein.«
»Liebes, es wäre besser, wenn du dich setzt. Da kann man besser mit einander kommunizieren!«
»Nein, auf keinen Fall!«, protestierte ich. »Ich weiß doch eh was los ist. Ich werde wieder weggeschickt! Ins Heim, da ich ja krank bin. Ich bin ein psychischer Problemfall und Eltern wollen keine Problemkinder, hab ich recht? Und ihr seid Pflegeeltern. Die wissen normalerweise, was auf sie zukommt! Macht ihr das mit jedem? Schmeißt ihr immer Kinder raus, wenn sie zu »anstrengend« werden?«
Ich brüllte beinahe und die Aussage von Mrs. Collins ließ mich noch wütender werden.
»Schon die dritte Familie in knapp zwei Monaten ... Sie bekommt schon wieder einen Anfall. Danke, dass sie mich angerufen haben, Mr. und Mrs. Kingston. Wir werden uns um Sally kümmern! Auf Wiedersehen!«
Die Sozialarbeiterin umklammerte fest mein Handgelenk und riss mich nach draußen. Ich schlug wütend um mich, kreischte und biss, auch wenn es nichts brachte.
Ich bin nicht krank! Ich bin nicht krank!, schoss es mir durch den Kopf.
Doch wer hörte auf ein Mädchen? Niemand. Ich konnte nichts anderes machen, als es einfach geschehen zu lassen.
Ich saß im Warteraum des Kinderheims. Jedes Kind musste hier zuerst hin, wenn es im Heim eingewiesen wird. Es war aber nicht das erste Mal, dass ich war.
Meine Koffer standen vor mir, sowie meine Handtasche. Eigentlich waren es bis jetzt immer nette Pflegefamilien gewesen. Jedes Mal, wenn Mrs. Collins kam versicherten mir einige, dass sie nicht beabsichtigt hatten, mich loszuwerden. Als ob.
Ich wischte mir eine Träne von den Wangen und fischte mein Handy aus der Jackentasche. Ich wählte Fannys Nummer und wartete ab. Nach wenigen Augenblicken nahm meine beste Freundin ab.
»Hey, Sal, was geht?«, hörte ich ihre Stimme.
»Ich ... ich bin wieder im ... Heim.« Ich versuchte normal rüberzukommen, doch ein Kloß bildete sich in meinem Hals und machte mir das Reden schwer.
»Oh, nein! Schon wieder? Soll ich vorbeikommen?«
Bevor ich antworten konnte, kam die Chefin des Kinderheimes aus ihrem Büro.
»Sally, kommst du bitte«, sagte sie höflich und ich nickte.
»Ich muss los. Ruf dich nachher noch mal an«, verabschiedete ich mich von Fanny, dann rannte ich der Frau hinterher.
Ich betrat den Raum, schloss die Tür und setzte mich nach der Aufforderung.
Die Leiterin des Heims kramte in ihren Unterlagen und sah mich immer mal wieder über ihre schwarze Harry-Potter-Brille an.
»So ... Sally Nathan, 16 Jahre, beide Eltern tot. Seit dem dritten Lebensjahr ein Waisenkind, 30 Pflegeeltern. Verdacht auf psychische Krankheit, noch nicht vollständig bestätigt«, las sie meine Akte vor. »Ich habe gute Neuigkeiten für dich. Du wirst dieses Mal nicht in unserem Kinderhaus beitreten.«
Kinderhaus.
Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Mir war egal, was jetzt kam - Hauptsache weg.
Die Tür wurde plötzlich aufgerissen und ein Mann im Anzug betrat den Raum.
»Darf ich vorstellen: dein neuer Adoptivvater.«
Ich sprang erschrocken auf und blickte dem blonden Mann direkt in die tiefblauen Augen.
»Wir haben schon alles besprochen, Mr. Pevensie. Sie können gehen. Ich wünsche Ihnen und Sally eine tolle gemeinsame Zeit. Hoffentlich länger, als die Ihrer Vorgänger und viel Glück!«
Der Mann wollte meine Koffer nehmen, doch ich riss sie ihm aus der Hand.
»Ich mach das!«, fauchte ich wütend und trottete ihm genervt hinterher.
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