Kapitel 6 - Aslans Haug

Die Kutsche wankte hin und her, während sie mit einem zügigen Tempo über den sandigen Weg fuhr. Helena seufzte entnervt und zog mit zwei Fingern den Vorhang ein wenig zur Seite, um nach draußen sehen zu können. Nichts als Bäume standen draußen am Wegesrand und erstreckten sich immer weiter zu einem Wald. Die Königin ließ den Vorhang los und lehnte ihren Kopf gegen die Wand hinter sich.
Plötzlich blieb der Wagen stehen und Hufgetrappel und aufgeregte Stimmen erklangen. Wieder zog Helena den Vorhang zur Seite, um sehen zu können, was dort draußen loswar. Sie klappte das Fenster hinunter und rief einen ihrer berittenden Wächter herbei.
"Was geht hier vor?", verlangte sie zu wissen.
"Eure Tante, Hochkönigin Lucy, ist zu uns gestoßen, Euer Gnaden", erklärte der Mann. "Euer Onkel spricht gerade mit ihr."
"Bringt mir mein Pferd."
"Euer Gnaden?"
"Ihr habt mich schon verstanden. Ich möchte mit meiner Tante reden und das geht wohl kaum, wenn sie neben mir reitet."
"Euer Onkel hat angewiesen, dass Ihr in der Kutsche bleiben ..."
Der Mann brachte den Satz nicht zuende, denn da stieg die Königin bereits aus dem Wagen. Sofort brachte man ihren schwarzen Rappen und schwang setzte sie sich in den Sattel. Helena sah sich um und entdeckte Lucy und Kaspian am Anfang des Zuges. Sie gab ihrem Pferd die Sporen, ritt ihnen entgegen und blieb vor ihnen stehen.
"Helena", begrüßte Lucy sie mit einem fröhlichen Lächeln.
Helena nickte ihrer Tante zu. "Ich hoffe, deine Reise war unerschwert."
"Bis jetzt, ja, doch wenn ich daran denke, welchen Weg wir nehmen."
"Ich möchte so wenig wie möglich durch Kalormen reisen und das Gebirge ist der beste Weg", erklärte das Mädchen.
"Auch auch der gefährlichste", erwiderte Lucy ernst.
"Helena, ich unterbreche euch nur ungern, aber wir müssen weiter." Kaspian sah die beiden Frauen an.
"Ja." Helena nickte. "Lasst uns weiter."
"Willst du nicht wieder in die Kutsche?"
"Nein. Falls wir überfallen werden sollten, würden man mich zuerst dort vermuten. Ich reite mit euch."
"Einverstanden. Ich werde nach Prinz Lorion sehen. Wenn ihr mich entschuldigen würdet." Kaspian gab seinem Pferd die Sporen und ritt im Galopp davon.
"Wie geht es meiner Schwester?", wollte Lucy wissen, als der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte.
"Gut soweit. Es dauert nicht mehr all zu lang, bis sie das Kind bekommt."
Susan war im telmarischen Schloss geblieben, da es Erstens am besten war, wenn sie nicht in Kontakt mit dem kalormenischen Herscher kam, und Zweitens wäre die Reise zu erschwerlich für eine schwangere Frau - außerdem war Eustachius bei ihr geblieben, der ihr bei Problemen helfen konnte.
Als die Sonne zu sinken begann, erreichten sie Aslans Haug. Die Fläche hatte sich seit Helenas letzten Besuch nicht verändert. Immer noch lagen Rüstungsteile, Knochen und Steinbrocken auf dem an manchen Stellen aufgesprengten Boden.
"Hier bauen wir unser Lager auf!", befahl Kaspian und stieg von seinem Pferd ab.
"Hier?", wiederholte Helena unglaubwürdig. Ihre Stimme war leise, denn sie wusste, was hier vor vielen Jahren passiert war - das Grauen und der Tod lagen vor ihr, direkt zum Greifen nahe.
"Ja. Von hier geht es geradewegs zum Gebirge an der Grenze Archenlands. Wir schlagen hier unser Lager auf", beschloss Kaspian noch einmal.
Ohne ein weiteres Wort ging der Mann. Helena sah ihm schweigend hinterher, ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Brust breit. Sie wandte sich um und führte ihr Pferd Zephir etwas abseits zum Wald, wo es grasen konnte. Für eine kurze Zeit konnte sie wieder das kleine Kind sein, welches auch die kleinsten Dinge genießen durfte. Es war so schwer, so schwer immer die Königin zu sein, zu zeigen, dass man nicht schwach war.
"Majestät?", erklang plötzlich die Stimme des kalormenischen Prinzens in ihrem Rücken.
Nun war es vorbei mit der Ruhe, mit der alten Zeit, und Helena hätte am liebsten geschrien. "Was ist, Prinz Lorion?", fragte sie stattdessen mit einer aufgesetzten freundlichen Miene und wandte sich ein wenig um, so dass sie den jungen Mann sehen konnte.
"Ihr solltet nicht alleine sein. Es können Gefahren zwischen den Bäumen lauern", meinte der Prinz.
"Das bezweifle ich."
Helena zog ihr Pferd an den Zügeln hoch und führte Zephir zum Lager. Zu ihrer Missbilligung folgte ihr der Mann, doch die Königin ignoriert diesen einfach und übergab einem Burschen ihr Pferd.
"Wieso folgt Ihr mir?", verlangte sie zu wissen, während sie ihr Zelt suchte.
"Weil ich zu Eurem Schutz eingeteilt bin", gab Lorion zurück.
"Ein Prinz, der eine Königin beschützt. Was da bloß falsch gelaufen ist ...", murmelte Helena.
Da fand sie ihr Zelt, schob ihren Vorhang zur Zeit und bevor sie es betrat, wandte sie sich um. "Eine angenehme Nacht Euch, Prinz Lorion." Sie nickte knapp und trat in ihr Zelt.
Helena sah sich um. Auf ihren Befehl hin, hatte man keine Truhen oder anderen unnützliche Nichtigkeiten auf die Reise mitgenommen. Nur ein Bett und eine ganz kleine Kiste mit einigen ihrer Anziehsachen stand in der Mitte des Zeltes.
Aufeinmal fühlte sie Müdigkeit in sich aufkommen und da sie heute nicht mehr irgendwo erwartet wurde, legte sie sich ins Bett. Es dauerte nicht, da schlief sie ein, auch wenn um sie herum der Tod lauerte.
"Peter, ich glaube, du verstehst das alles falsch. Es war meine Aufgabe ..."
Ein braunhaariges Mädchen saß auf einem Stein. Es hatte Helena den Rücken zugedreht, so dass sie ihr Gesicht nicht erkennen konnte. Der Junge, der schräg vor ihr stand, war von einer alten brüchigen Säule verdeckt, wodurch sie auch ihn nicht sehen konnte.
"Es war auch DEINE Aufgabe, Narnia zu beschützen!", unterbrach er das Mädchen sauer. "Was hast DU getan, als Cair Paravel fiel? He?"
Die Braunhaarige erhob sich. "ICH habe DIR hinterher getrauert, Peter! Jede Sekunde. Du kennst dieses Gefühl nicht, wenn man sich einfach nur leer und hilflos fühlt, oder? Als alle tot waren, die ich liebte, wollte ich ebenso tot sein. Ich stand am Rand der Klippe, wo einst mein Zuhause war, und wollte springen, doch da war eine Stimme. Sie sagte: "Nein, bitte. Tu es nicht". Und weißt du von wem diese Stimme war? WEIßT DU ES?! Es war deine! Ich spürte deine Hand auf meiner Schulter, konnte mich aber nicht umdrehen. Und dann schloss ich die Augen, aber ich konnte nicht springen. Und da wusste ich: Jetzt ist noch nicht die Zeit, um zu sterben. Jetzt ist noch nicht die Zeit, um zu bereuen." Das Mädchen machte eine kurze Pause. "Ich hatte dich geliebt, Peter Pevensie, doch diese Liebe hat das Ende Narnias gebracht."
Die Braunhaarige wandte sich um und als Helena ihr Gesicht sah, stockte ihr der Atem. Das war ihre Mutter. Das Mädchen, welches auf sie zustürmte. Auch wenn sie es geahnt hatte, war es ein merkwürdiges Gefühl.
Als wäre Helena ein Geist, ging das Mädchen durch sie hindurch. Sie sah zu der jungen Gestalt ihres Vaters. Sein Blick war auf den Eingang des Haugs gerichtet, welchen seine spätere Frau bereits betreten hatte.
"Liebe ist ein merkwürdiges Gefühl", erklang plötzlich eine bekannte Stimme. "Sie bringt so viel Glück, wie sie auch Pech bringt."
Helena spürte seine Anwesenheit und im nächsten Moment berührte weiches Fell ihre Hand. Sie blickte auf. Aslan stand neben ihr und sah sie aus seinen dunklen Augen eindringlich an. Es schien, als würde sie sich in der Dunkelheit verlieren. Da verlor sich der Boden unter ihren Füßen und die gähnende Tiefe zog sie hinein ins Unbekannte.
Helena schrie und schreckte mich pochendem Herzen aus dem Traum. Ein Traum. Eine Erinnerung, die nicht von ihr stammte.
"Liebe ist ein merkwürdiges Gefühl. Sie bringt so viel Glück, wie sie auch Pech bringt", hallten Aslans Worte in ihrem Kopf von Neuem.
Da huschte eine Gestalt um ihrem Zelt herum. Der große verzerrte Schatten verriet es und der Königin lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Sie hielt die Luft an, als die Zeltwand raschelte und zur Seite gezogen wurde, und ihr Herz schlug bis zum Hals, als jemand ihr Zelt betrat.

Einen Tag später veröffentliche ich doch noch ein Kapitel. Ich hatte gestern keine Lust mehr. Falls ihr es auf meinem Profil nicht gelesen hattet: Ich hatte gestern Abschlussfest.

Ich hoffe, euch gefällt das Kapitel. Lasst eure Meinung da <3

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