Kapitel 25 - Der Plan
"Diese Frau ist unser Untergang!", rief Edmund tobend. "Wir müssen sie vernichten, bevor es zu spät ist."
"Beruhige dich erst einmal, Ed", sagte Lucy und versuchte ihren Bruder an den Schultern festzuhalten, doch dieser schlug ihre Hände weg.
"Sie hat einen Soldaten zu Stein verwandelt", entgegnete er. "Sie wird nie auf unserer Seite sein. Sie wird sich bei der besten Gelegenheit gegen uns auflehnen und uns alle töten."
Eustachius, der gegen der Kommode lehnte, einen Arm vor der Brust verschränkt, den anderen aufgestellt und mit der Hand das Kinn haltend, sah seinen Cousin fragend an. "Und was sollen wir, deiner Meinung nach, tun?"
"Sie töten, bevor sie uns zuvorkommt", meinte dieser sofort.
"Deine Königin hat sie zurückgeholt. Es ist ihr Werk."
"Sie ist aber auch meine Nichte, und ich beschütze meine Familie." Edmund schüttelte den Kopf. "Belle hätte das nicht zugelassen. Sie hätte nicht gewollt, dass das passiert. Wir hätten Helena besser schützen müssen."
"Sie ist nicht deine Tochter", entgegnete Kaspian.
"Aber sie ist die Tochter meines Bruders!", rief Edmund mit lauter Stimme.
"Der sie zurückgelassen hat", erinnerte sein Schwager. "Sie ist alt genug, um selbst zu entscheiden, was richtig und was falsch ist."
Es raschelte in ihrem Rücken und sie wandten sich um. Jadis war eingetreten. Sie lächelte finster, in ihrer einen Hand hielt sie ihren Stab, in der anderen ein Schwert.
"Was soll das?", verlangte Kaspian zu wissen.
"Glaubt ihr wirklich, ich merke nicht, wenn ihr euch gegen mich verschwört?", sagte Jadis. Sie ließ ihre Blicke schweifen. "Ich konnte die Prophezeihung vor tausenden Jahren nicht verhindern, aber ich kann euch dennoch noch töten." Die Hexe hob ihr Schwert. "Ihr seid nur eine weitere Last, die ich nicht gebrauchen kann."
Lucy stand am nächsten an der Frau heran, nicht einmal eine Schwertlänge trennte die beiden. Edmund verstand die Situation sofort. Mit einem Warnschrei hastete er auf seine Schwester zu, Jadis schwang ihre Waffe bereits. Lucy realisierte es zu spät. Sie sah, wie die Schwertschneide auf sie zuschoss, doch bevor sie sie traf, verharrte die Hexe. Die Spitze eines Schwertes ragte aus ihrem Bauch. Ein Ruck verlief durch ihren Körper. Sie riss den Kopf nach hinten, die Arme ausgebreitet, dann zersprang die Frau in tausend Teile aus purem Eis. Klirrend fielen die Splitter zu Boden.
Entsetzt sah Lucy erst zu den Überresten der Hexe, dann zu dem Mann der nun vor ihnen stand.
"Da bin ich einmal nicht bei euch und schon ladet ihr euch den Feind ein? Wie verzweifelt ward ihr?"
"Sehr verzweifelt", meinte Edmund und ein erleichtertes Lächeln huschte über seine Lippen. "Bist du wieder du selbst?"
"Ich bin zumindest nicht mehr der, der Telmar verlassen hat", gab Peter schmunzelnd zurück.
Edmund lachte leise und lief mit ausgebreiteten Armen auf seinen Bruder zu. Die beiden umarmten sich. Peter drückte den Jüngeren fest an seine Brust und als sie sich lösten, klopfte er ihm auf den Rücken.
Edmund drückte seine Schulter und nickte. "Schön, dass du wieder da bist."
"Find ich auch", sagte Peter.
"Vater?", erklang auf einmal eine Stimme hinter ihm.
Langsam wandte er sich um. Seine Tochter stand im Zelteingang, eskortiert von Lorion und Chiron. Sie trug ein schwarzes Kleid. Die gewellten Haare fielen offen über ihre Schulter.
"Helena ...", flüsterte Peter.
Das Mädchen musterte das Gesicht des Mannes. Er hatte sich rasiert, seine Haare waren wieder kürzer. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und stürmisch fiel sie ihm um den Hals. Schweigend drückte Peter seine Tochter an sich - er wusste keine rechten Worte zu sagen. Als sie sich von ihm löste, fiel ihr Blick auf das Eis auf dem Boden, welches allmählich schmolz.
"Was war das?", fragte sie.
"Wer war das", verbesserte Edmund. "Die Hexe."
"Ein Phantom", meinte Peter und daraufhin sahen ihn alle verwundert an. "Glaubt ihr, Jadis lässt sich so einfach töten? Sie ist schon lange fort, sowie ihre Soldaten. Späher berichteten mir von dem, was geschehen ist. Sie hat Anhänger gesammelt, die ihr nach all den Jahren immer noch treu waren, Wesen, die sie nur aus Geschichten kannten. Wo, glaubt ihr, könnte sie sein?"
Helena blickte zu ihren Begleitern. Sie wusste genau, wo die Hexe war.
"Und du denkst wirklich, dass sie dort hin will?", fragte Peter noch einmal.
"Wer wäre besser als Verbündeter für die Weltherrschaft geeignet als Titanos?", gab Helena zurück. "Sie wird auf dem Weg zu ihm sein, das ist die logischste Erklärung."
Edmund sah auf. "Kann man bei Jadis von Logik reden?"
Lucy zuckte nur mit den Achseln.
"Und was willst du nun tun?", fragte Eustachius. "Du kannst schlecht nach Kalormen reiten und Titanos zur Kapitulation zwingen."
Helena sah ihren Großcousin schweigend an.
"Das ist nicht dein Ernst", sagte Kaspian fassungslos. "Du willst doch nicht etwa ..."
"Ich werde ihn zur Kapitulation zwingen und Jadis zu einem Zweikampf herausfordern", erklärte Helena.
"Sie ist eine Hexe!", rief Edmund. "Du wirst niemals gegen sie ankommen."
"Mit seiner Hilfe -", die Königin blickte zu Chiron, "- schon."
"Er ist ihr Neffe!" Edmund sah seine Nichte verständnislos an. "Er wird niemals auf deiner Seite sein."
"Er wird." Helena wandte sich von dem Prinzen ab und blickte zu ihrem Onkel. "Er hat niemanden mehr, und Jadis ist nicht unbedingt die Art von Gesellschaft, die man bevorzugt."
Hilfesuchend sah Edmund zu seinem Bruder. Dieser hatte den Blick auf die Karte vor ihm gerichtet. Er hob den Kopf und sah Helena an.
"Bist du dir sicher, dass du das schaffen kannst?"
"Ist man sich jemals bei irgendetwas sicher?", gab Helena zurück.
"Wenn du es nicht schaffst, -"
"- dann sterbe ich. Aber wenn ich es nicht versuche, sterben wir alle. Sofort. Sie hätte gewollt, dass ich für mein Reich kämpfe, für meine Familie kämpfe - denn dafür lohnt es sich. Vertraust du mir?"
Peter sah sie schweigend an, doch dann nickte er.
Fassungslos schüttelte Edmund den Kopf. "Wie kannst du das nur zulassen?"
"Es ist die einzige Möglichkeit", meinte Peter.
"Sie ist ein Kind!", entgegnete sein Bruder. "Und sie ist deine Tochter!"
"Ja, sie ist meine Tochter!", rief Peter mit lauter Stimme.
Ein weiteres Mal schüttelte er den Kopf. Hilfesuchend sah er die anderen an, doch diese reagierten nicht. Wutschnaubend verließ der Hochkönig das Zelt, und sein Bruder sah ihm hinterher.
"Er wird sich wieder beruhigen", meinte Kaspian, der Helenas Blicke bemerkte. "Kümmer dich nicht weiter um ihn. Du hast Wichtigeres zu tun."
1040 Wörter
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