Prinz Kaspian

Wir kamen gerade noch rechtzeitig, um den gefesselten Zwerg aus den Klauen, der beiden eigenartigen Männer zu befreien. Sie saßen in einem Boot und wollten ihn ertränken. Susan erschoss die Männer mit ihrem Bogen, leider viel der Zwerg dennoch ins Wasser. Zum Glück reagierte Pet schnell. Er sprang ins kalte Nass und rettete den kleinen Mann.
Dieser sah jedoch nicht gerade sehr glücklich aus, als er an Land seine Fesseln abriss und nach Luft schnappte. Er hatte blondes langes Haar, was zerzaust über seinen Schultern hing, und einen langen Bart, wie es für Zwerge nun mal üblich war.
»Lasst ihn fallen? Etwas besseres ist euch nicht in den Sinn gekommen, oder?«, rief er wütend.
»Ein Danke hätte auch gereicht«, antwortete ich.
Der Zwerg hob seinen Blick und schaute uns an. Wir standen nebeneinander in unseren narnianischen Kleidern vor ihm und hielten unsere Waffen in der Hand.
»Beim Barte meiner Großmutter«, murmelte er. »Ihr seid es wirklich. Was habt ihr Spaßvögel denn in den letzten 1300 Jahren gemacht?«
Mir stockte der Atem. 1300 Jahre?

Wir fanden heraus, dass der Zwerg Trumpkin hieß. Mit dem Boot der Telmarer (Trumpkin hatte uns erklärt, dass sie Narnia vor vielen Jahren überfallen, viele Narnianen getötet und sich angesiedelt hatten) ruderte Peter uns zum Festland. Dort zogen Peter, Susan, der Zwerg und ich das Boot an Land, während Lucy zu einem Bären lief und auf ihn einredete. Leider antwortete er nicht, wie wir es gewohnt waren, sondern rannte auf meine Schwester zu. Susan nahm hastig ihren Bogen zur Hand und spannte ihn, doch war es nicht sie, die den Bären tötete. Es war Trumpkin.
»Guter Schuss, Zwerg«, ertönte plötzlich eine weibliche Stimme. Erschrocken wandten wir uns um und wir erblickten eine Gestalt, die am Waldrand stand. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, denn es war vermummt. Außerdem trug sie einen schwarzen Umhang, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen war. Auf dem Rücken hatte sie einen Köcher und einen Bogen geschnallt.
»Zeigt euch!«, verlangte Peter. Er hatte sein Schwert gezückt.
»Ich glaube, dass ist keine so gute Idee, Eure Majestät«, meinte der Zwerg. »Sie zeigt sich, wenn sie es möchte.«
Ich wusste, dass er die Frau kannte, aber er verriet nicht, wer sie war. Durch das Mundtuch klang ihre Stimme etwas gedämpft, so dass ich sie nicht einmal am Klang hätte erkennen können.
Ich wandte mich zu meinen Geschwistern um und blickte ihnen ratlos ins Gesicht, dann drehte ich mich wieder um, doch Frau lief in den Wald. Susan wollte ihr folgen, doch Peter meinte, sie sollte es lassen.
»Kommt«, meinte Trumpkin dann und führte uns, ohne die Frau weiter zu beachten, durch den Wald. Er erklärte, dass Prinz Kaspian uns gerufen hatte und er eine Armee gegen die Telmarer aufbaute. Deswegen mussten wir zu ihm.

Peter pov.

Die Frau war uns die ganze Zeit mit etwas Abstand gefolgt. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, aber solange sie uns nicht angriff, war es mir egal. Edmund, Susan und der Zwerg schliefen noch, als ich aufwachte. Lucy war verschwunden, die Frau auch. Ich wollte mich auf die Suche nach meiner Schwester begeben und lief weiter durch den Wald. Schließlich fand ich sie.
Ich vernahm ein Geräusch und abrupt riss Lucy zur Seite. Hinter einem Busch gingen wir in Deckung, und das war auch gut so, denn in diesem Moment erschienen Minotauren einige Meter von uns entfernt auf dem Weg. Aber nicht nur das: Ich sah die Frau, die sich hinter einem Baum versteckte.
»Belle«, flüsterte ich. Sie war es. Ohne Zweifel. Sie trug ein rotes Kleid, die Kapuze vom Mantel hinunter gezogen, sowie das Mundtuch, so dass ich ihre braunen lange Haare sehen konnte. Sie hatte sich seit unser letzten Begegnung nicht verändert.
Ich wollte ihr gerade zurufen, dass sie sich bei uns verstecken könnte, als ein braunhaariger Junge schreiend aus dem Gebüsch stolpert und auf sie zustürmte. Ohne zu zögern sprang ich aus der Deckung hervor und stellte mich ihm in den Weg.
Der Junge schlug mit seinem Schwert zu, ich parierte und schlug meinen Kopf gegen seinen, so dass er zurück taumelte. Er erholte sich ziemlich schnell vom Schreck, und bevor ich reagieren konnte, hatte er mich entwaffnet. Ich sprang zur Seite, als er mit meinem Schwert nach mir schlug und hob hastig einen Stein auf.
Gerade wollte ich zuschlagen, als Susan meinen Namen schrie. Verdattert drehten der Junge und ich uns um. Susan, Edmund und Trumpkin waren gekommen, außerdem standen Zentauren, Minotauren und andere Wesen auf dem Weg.
»Kaspian?«, fragte ich vorsichtig den Jungen, der vor mir stand.
Er nickte. »Ihr seid Hochkönig Peter«, bemerkte er mit einem spanischen Akzent. »Ich dachte Ihr seid älter.«
»Wir können gerne in ein paar Jahren wiederkommen -«, setzte ich gereizt an.
»Nein, nein«, sagte Kaspian hastig.
Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er trug braune Haare, etwas länger als meine. Ich schätzte ihn auf ungefähr siebzehn Jahre, vielleicht sogar achtzehn. Und ich mochte ihn nicht, das war mir von vornherein klar. Er war ein Telmarer und sein Volk hatte Narnia angegriffen.
Plötzlich erfüllte eine aufgebrachte Stimme das Schweigen. »Lasst mich sofort los!«, brüllte sie. Ich drehte mich um und sah, dass Belle von einem Minotauren festgehalten wurde. »Ich bin eure Königin!«
»Die Königin ist seit vielen Jahren tot«, meinte ein Zentaur.
»Nein. Sie ist verschwunden. An dem Tag, als Cair Paravel fiel«, konterte ein anderer.
Für mich bestand kein Zweifel. Das war Belle, die wahre Königin von Narnia. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert, sie war nur etwas größer geworden, aber dennoch einen Kopf kleiner als ich.
»Verdammt sollt ihr sein«, fauchte sie. »Ich bin Isabella Maria Sophie, die Königin von Narnia!«
Der Minotaurus ließ sie los und Belle stolperte nach vorne.
»Wenn ihr wirklich die Königin seid«, begann eine kleine Maus, »dann beweist es uns. Es heißt, sie könne zaubern.«
»Der ist ja so was von niedlich«, hörte ich Lucy hinter mir sagen.
Die Maus zückte ihr Schwert und drehte sich um. »Wer von euch hat das gesagt?«
»Oh, Verzeihung«, meinte Lucy und trat hervor.
Eilig steckte das Tier wieder seine Waffe zurück. »Es ist nicht von Belang, Eure Majestät.« Er verneigte sich tief. »Mein Name ist Reepicheep.« Dann wandte er sich wieder an Belle. »Sprecht!«
»Es stimmt, was über die Königin gesagt wurde«, sagte sie. »Sie konnte zaubern. Doch die Zeit heilt nicht alle Wunden.« Bei dem letzten Satz sah sie mir direkt in die Augen. Ihr Blick war kalt und gefühllos. Ich wusste nicht, was sie damit meinte, aber es musste etwas passiert sein, was sie verändert hatte. Innerlich.
»Sie ist es«, sagte plötzlich Edmund.
»Woher wollt Ihr das wissen?«, fragte ein Faun.
»Ich würde sie unter Tausenden erkennen. Ich habe mit ihr Seite an Seite gekämpft. Sie hat meinen Bruder vor dem Tod bewahrt«, rief er laut, so dass alle ihn hören konnten. »Zweifelt ihr etwa an meiner Aussage?«
Lautes Gemurmel machte sich breit. Belle stand mitten drin. Es schien sie nicht zu stören. Da nickten auf einmal alle. Sie schienen ihr zu vertrauen.
»Dann kann es ja weiter gehen«, sagte ich und lief mit Kaspian, der mir mein Schwert wieder gab, an den Anfang des Zuges.

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