Kapitel 3 (-)Leander
Leander zog seinen Umhang fester um sich und beschleunigte seine Schritte wieder, je näher er den Bergen kam und je lichter der Wald wurde, desto kälter und windiger wurde es. Der Wind sang im wilden hohen Gras, dass sich zwischen den nun selten gewordenen Bäumen im seichten Tanz wiegte, während er selbst hindurch zu schwimmen schien. Die Sonne ließ mit ihren letzten Strahlen das Gras um ihn herum golden aufleuchten und der Moment wäre perfekt gewesen, wenn die Angst ihm nicht schon seit dem Betreten der Wiese eiskalt den Rücken runterlaufen würde.
Er rannte beinahe, weg von den letzten riesigen Bäumen, die Wiese und somit den Berg hinauf, seine Füße hatten ihren professionellen Tritt und ihre Ruhe in dem Moment verloren, als er den riesigen orangenen Drachen über den hohen Kronen des Waldes in seine Richtung hatte fliegen sehen. Seine Schuppen hatten in den schönsten Kristalltönen gefunkelt und alles an ihm hatte majestätisch ausgesehen - so jedenfalls hätte es wohl jeder außerhalb der Reichweite des Zeitordens beschrieben.
Leander hatte trotz seiner bisherigen Erfahrung nur ein einziges Gefühl gehabt: Angst. Er war nicht in der Lage einen Drachen zu töten, schon gar nicht einen dieser Größe, selbst, wenn er alle seine kleinen Spielzeuge aus dem Hauptquartier der Zeitenjäger gehabt hätte. Hinzu kam noch, dass er ihn an den kleinen Drachen erinnerte, den er auf der Zeitlichtung gefunden hatte. Für einen kurzen Moment blieb er stehen und wandte den Kopf.
Mit einer schnellen Bewegung streifte er sich seine grüne Kapuze ab und sein weißes Haar kam zum Vorschein. Der Drache war nicht mehr zu hören, doch ein anderes Geräusch hatte sich zu dem Wind gemischt. Schritte. Viele Schritte. Und ein leises Klappern. Jemand war im Wald. Er drehte den Kopf ein Stück ein bisschen, um besser zu hören und da fiel es ihm auf. Ein abschreckender metallener Zaun zog sich in einiger Entfernung durch das hohe Gras, er lag so, wie er gelaufen war, beinahe hinter ihm. Stacheldraht säumte seine Spitzen und Misstrauen keimte in ihm auf.
Ein Zaun dieser Größe mitten in den Bergen und Schritte, die nicht im Wald sein durften. Er dachte zurück an Obsidian City mit all den Zeitenordnern und den Zeitpriestern und ihren verqueren Vorstellungen der Welt. Er kam ursprünglich aus dem Umfeld von Sunset City und hatte in seinen ersten Kindheitsjahren wenig vom Einfluss des Zeitordens zu spüren bekommen, erst als er an die Akademie von Minor geschickt worden war, hatten ihn die Reden über die Wissenschaft der Zeit und die Notwendigkeit des Zeitordens als regierende Kraft eingenommen. Es würde genau zu dem passen, was er während seiner Ausbildung und in den öden Jahren danach auf den wenigen Zeitsprüngen erlebt hatte.
Ein geheimer Ort auf der anderen Seite des Gebirgszuges, der die Halbinsel vom Festland trennten, eine Festung außerhalb der normalen Reichweite der Zeitsprünge, so weit entfernt, dass nie einer aus den geschützten Megacitys sich so weit hinauswagen würde. Warum auch? Auf der Halbinsel war man sicher vor den Drachen und man konnte sicher sein, dass ein oder zwei Zeitenordner in der Nähe waren, um nach dem Rechten zu sehen. Wut strömte in seine Gedanken und er begann, auf den Zaun zuzulaufen. Die Schritte hatte er schon wieder ausgeblendet.
Er zog seinen Bogen aus der grünen Halterung auf seinem grünen Mantel und legte einen Pfeil ein. Das Gras schien seinen Schritten Platz zu machen und wurde niedriger, je näher er dem Zaun und somit auch einem kleinen Ausläufer des Waldes kam. Die Dämmerung fiel nun schneller über das kleine Tal und die Welt begann, sich in Grautöne aufzulösen. Seine Sinne waren aufs Äußerste gespannt und seine Schritte strauchelten für einen kurzen Moment, als der Drache einige hundert Meter vor ihm zwischen den Bäumen hervorbrach, doch er fing sich schnell wieder.
Was auch immer hinter diesem Zaun war, es musste zum Zeitorden gehören und gerade zu dem passte es, Dinge zu verbergen oder vorzuenthalten. Ob nun die Festung mit verbotenen Büchern oder ein geheimes Labor, nichts schien ihm geheim genug, um mit immensen Transport- und Geheimhaltungskosten so weit draußen einen solchen Zaun zu bauen. Im letzten Licht stach ihm ein Detail in die Augen, dass seinen Verdacht noch bestärkte. Nicht ein bisschen Rost schien den Zaun zu zieren, nicht ein bisschen Zerfall.
Die Schritte und der Drache drangen wieder auf ihn ein, als Letzterer sich in die Lüfte erhob, nur, um sich jetzt einige Meter weiter in der Ebene zu platzieren. Ein Schauer durchfuhr ihn wieder und vielleicht fragte er sich etwas zu spät, was den Drachen zu seinem Handeln getrieben hatte. Er war gerade an dem kleinen Waldausläufer vorbeigelaufen, als ihm die Menschen auffielen. Sie waren nur noch schemenhaft zu erkennen und kurz war er froh, dass jemand ihn gefunden hatte. Wer war hier draußen mit einem guten Zaun in der Nähe in einer solchen Gruppe unterwegs? Jagten sie den Drachen um ihn und seine Art auszurotten und er war nur zufällig hineingeraten?
Er zögerte und war sich unsicher, ob er sich verstecken sollte, oder laut zu den Menschen hinlaufen sollte. Vielleicht war dieses kurze Zögern das, was ihm das Leben rettete. Starke Taschenlampen blitzten auf der einen Seite des Halbkreises auf und für einen winzigen Moment konnte er die Uniformen der Männer sehen. Es waren Zeitenordner, die Executive und Armee des Zeitordens. Reflexartig ließ er sich ins hohe Gras fallen, den Pfeil und Bogen immer noch in den Händen.
Sie hatten nichts mit Drachen zu schaffen. Sie dienten dem Zeitorden mit ihren verstärkten elfenbeinfarbenen Rüstungen in allen Dingen, die irgendwas mit Gewalt zu tun hatte - mit Ausnahme von Drachen, die von Eliteeinheiten der Zeitenjäger nach Tagen der Planung und Ausspähung zur Strecke gebracht wurden.
Er hob den Kopf ein wenig uns lugte aus dem Gras hervor. Die Ordner hatten sich vom Wald her ausgebreitet, weit aufgefächert, um zu verhindern, das jemand durchschlüpfen konnte. In die andere Richtung war der Drache ihm im Weg. Er strengte sich an, sich an alle Einzelheiten der Landschaft um ihn herum zu erinnern. Denselben Weg zurück konnte er auch nicht, er würde in Sichtweite der Linie von Zeitenordnern kommen und wäre binnen Augenblicke tot. Mit ihren Gewehren waren sie ihm hier im Vorteil.
Für einen kleinen Moment verfluchte Leander, dass er als Zeitenjäger an eine der alten Künste gebunden war. Er saß in der Falle - es sei denn er war mutig genug, aufzustehen und seine Hände zu heben. So hatte er wenigstens den Hauch einer Chance nicht direkt weggeschossen zu werden. Ein kleines Lächeln schob sich in sein Gesicht, als ihm der Vorteil von Pfeilen gegenüber Gewehren einfiel: Der leichte Halbkreis sorgte im Zweifelsfall immer dafür, dass man die eigenen Männer treffen konnte. Er befestigte im Liegen seinen Bogen wieder und steckte den Pfeil zurück in den Köcher. Wenn sein Plan schief ging, würde ihm keine antike Waffe der Welt helfen. Er atmete zweimal tief durch bevor er sich langsam aus dem hohen Gras erhob, die Hände sichtbar über dem Kopf. Fast sofort schwenkten die Lichtkegel auf ihn zu und er hörte wie Gewehre entsichert wurden.
Die Reihen öffneten sich und ein Leander nur wohlbekannter Mann trat hervor. Etwas goldenes hing an seiner Hüfte und er musste sich bemühen keinen Schritt zurückzuweichen, als der Mann in der weißen Robe näher kam. Das eiskalte Gesicht strahlte ihm entgegen und keine einzige Regung zeigte sich. Die Stimme war eisig, als der Mann die Hand wie zum Abschiedsgruß hob. "Es war schön, sie gekannt zu haben, Master Leander"
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