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Alles um mich herum drehte sich. Farben, Formen, in den unterschiedlichsten Größen. Überall erklangen tausende Geräusche gleichzeitig. Das einzige, dass mich davon abhielt zu schreien, war die warme Hand die meine drückte. Erst in diesem Moment wurde mir richtig bewusst, wie dumm ich diese Entscheidung getroffen hatte. Am liebsten hätte ich seine Hand losgelassen, doch ich konnte nicht. Das wusste ich. Sonst würde alles was ich erarbeitet hatte, einfach ins Wasser fallen. Die Lightfire Akademy, alles.

Mein Atem wurde langsamer, bis sich meine Brust wieder gemächlich hob und senkte. Der Schwindel überkam mich. Alles drehte sich, wirbelte all meine Gedanken und Gefühle durcheinander.

Bis es unvorhergesehen einfach aufhörte. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben führte sich gut an, obwohl der Schwindel sich dadurch nicht gleich besserte.

Ich schlug Alastairs Hand weg. Ich hasste ihn. Er hatte mich verführt, ohne dass ich es gewollt hatte. Ich hatte seinen Augen nicht widerstehen können und war dadurch geradewegs ins Unglück gestürzt. In einer feinen, bescheuerten Robe mit der man nicht ein wenig kämpfen konnte. Blitzschnell umfasste meine Hand meinen Bogen, während die andere nach dem Köcher tastete, um mir einen Pfeil zu verschaffen.

Ich schluckte. Meine Hände umfassten den Pfeil und sofort spannte ich ihn im Bogen.

„Keinen Schritt näher! Ich weiß was du vorhast. Du willst mich töten. Und ich habe dir vertraut!  Das war ein Fehler, von Anfang an. Es hätte niemals geschehen dürfen! Eine echte Lichtkriegerin traut nicht einfach Fremden!" Doch konnte ich mich überhaupt noch eine Lichtkriegerin nennen? Denn gleich würde ich sterben. Wenn ich genau darüber nachdachte, wegen verdammten azurblauen Augen, die einfach jeden um den Finger wickelten.

Dazu noch die süßen Grübchen und das charmante Lächeln....

Gut, das mit dem hassen klappte nicht so gut. Meine Augen fixierten Alastair, der verlegen aussah, aber nicht darauf anspielte, sein Schwert ebenfalls zu zücken.

Gleichzeitig packte mich jemand von hinten. Ich schlug um mich, versuchte mit dem Bogen zu zielen, doch es funktionierte nicht. Wie die eines Riesen legte sich eine schwere Hand auf mich. Das lag wohl eher daran, dass einer der Männer mir ein Tuch an die Nase hielt, dass mich wohl betäuben sollte. Ich lächelte in mich hinein.

Manchmal zeigte es sich doch als ganz nützlich, eine Mutter als Tränenheilerin zu haben. Sie hatte mir ein Elixier gebraut, dass es unmöglich machte mich zu betäuben. Das half mir auch gegen Wunden, wenn ich ein bisschen auf die Wunde tröpfelte heilte die Verletzung in wenigen Sekunden.

Trotzdem tat ich, als würde ich den Duft einatmen und das Bewusstsein verlieren. Vielleicht konnte ich etwas von den Leuten, die mich gerade mitnahmen belauschen, um an mehr Informationen zu gelangen.

Alstairs Augen fixierten mich, dass spürte ich, obwohl ich nichts sah. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass er wusste, dass ich bei Bewusstsein war.

„Es tut mir leid", flüsterte er mit geheimnisvollen Unterton, bei dessen jede andere ihm wahrscheinlich sofort alles verziehen hätte. Doch ich war nachtragend. Es konnte sich noch so viel entschuldigen, für mich war Alastair gestorben.

Ich spürte seine warme Hand nun ebenfalls an meiner Schulter, sie berührte mich ein wenig sanfter als die Pranken der anderen Männer.

Am liebsten hätte ich mich in der Umgebung umgesehen. Auch hören konnte man kaum etwas spannendes. Gezwitscher von exotischen Vögeln, hier und da mal das Brüllen eines Löwen oder das Heulen eines Wolfes. Ich wurde in diesem Moment wie ein Gegenstand behandelt und dachte nicht das erste Mal darüber nach, wie es wäre, ein Sklave zu sein.

Für andere zu kochen, putzen und andere unangenehme Angelegenheiten für seinen Besitzer zu erledigen. Und das nur, um leben zu dürfen, sowie es jeder andere tat.

In der Zwischenzeit kamen die Männer offenbar an ihrem Ziel an, denn ich spürte, wie sie mich losließen, sodass ich unsanft auf dem Boden aufschlug. Ich wollte die Zähne zusammenbeißen, doch selbst dass durfte ich nicht, wenn ich nicht auffliegen wollte. Also versuchte ich ohne sind geringste Reaktion den Schmerz zu unterdrücken. Als er dann doch kam, reagierte ich nicht.

Schon hatten die Männer mich wieder gepackt. Erst dann fiel mir auf, wie leichtsinnig es gewesen war, so zu tun, als wäre ich bewusstlos. Was wusste ich schon, was diese Leute mit mir anstellen würden?

Die Überraschung war auf meiner Seite. Mit einem geübten Sprung nach rechts und einer gekonnten Rolle um Verletzungen zu verhindern, hatte ich innerhalb weniger Millisekunden wieder festen Boden ihrer den Füßen.

Bevor nur einer der Männer den Mund wieder zuklappen konnte, hatte ich die mit ein paar Dolchstichen außer Gefecht gesetzt. Selbst Alastair, obwohl es mir schwere gefallen war.

Sein weißes, mit Blut durchtränktes Hemd sah noch dreckiger aus, als in der Sekunde in den ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Ich würde sagen, dass er es überleben würde, trotzdem war ich keine erfahrene Heilerin. Wäre meine Mutter oder eine meiner Schwestern es gewesen, die hier gestanden hätte, hätten sie dies genauer beurteilten können.

Doch ich war Lichtkriegerin. Und Lichtkrieger trauten niemandem. Ich hatte erst vor knapp einer Stunde die Zusage für die Ausbildung auf der Lightfire Akademy bekommen und hatte schon die erste Regel missachtet und gebrochen. Der Legende nach, sah Wächterin Aris alles, obwohl dies sich auch als Gerücht auszeichnen könnte. Trotzdem sah ich mich nervös um, ließ meine Augen über jedes mögliche Versteck schweifen, doch ich fand nichts.

Doch was sollte ich nun machen? Vor mir lagen sechs halbtote Männer, hinter mir wartete eine wunderschön verzierte Kutsche, vor der prachtvolle Schimmel angereiht waren.

Um eine Entscheidung zu treffen, ließ ich mich auf einem Stein nieder und schloss die Augen. Seit meinen ersten Lebensjahren war ich schon immer sehr naturverbunden gewesen und hatte den Gräsern, Bäumen und Blumen die Entscheidung überlassen, um mich selbst nicht zu überlasten.

Wieder drang das Zwitschern der verschiedensten Vögel an meine Ohren, die ich nach so langer Zeit an ihrem Ruf problemlos erkennen konnte. Doch diesmal mischten sich noch andere Geräusche unter die Lieder der Federwesen. Das Rauschen eines anscheinend naheliegenden Flusses, das Geräusch von Blättern die sich ihm Wind wiegten. Auch das Brüllen einer wilden Raubkatze war ab und zu zu vernehmen. Ich liebte diese Situation. Das, was die Götter geschaffen hatten, brachte mich dazu, den Kopf aufrecht zu halten und sich so zu benehmen, wie eine Lichtkriegerin es tun musste.

Ich schenkte den Männern noch einen letzten abfälligen Blick. Für wen diese Trottel wohl arbeiteten? Konnten zu sechst nicht einmal eine junge Frau niederschlagen. Männer eben. Angeben, große Klappe und nichts dahinter. 

Ich beschloss mit der Kutsche eine Stadt aufzusuchen. Zu Not meinetwegen auch ein Dorf. Hauptsächlich ging er ja darum, dass ich mit jemandem plaudern konnte und ihm heimlich Informationen entlockte wo ich mich hier befand. 

Ich biss die Zähne zusammen. Natürlich konnte ich diese "Soldaten" oder wie sie sich nannten , hier nicht einfach liegen lassen. Also kniete ich mich vor ihnen hin und packte sie unter den Schultern. Stöhnend hievte ich den ersten Mann in die Kutsche. Mit dem rechten Fuß musste ich die Tür aufmachen, oder eher auftreten, was sich als nicht so einfach herausstellte. Ein paar Kisten standen an den Wänden und ich ließ den ersten Mann einfach auf den Boden fallen. 

Dann stolperte ich wieder hinaus und machte mich mit dem zweiten auf den Weg, den noch schwerer war, als der Erste. 

Als sich dann endlich alle in der Kutsche befanden  lief mir der Schweiß über die Stirn. Die Luft in dem Gefährt war schwül und stickig , auch die Pferde schienen schnell ihr Ziel erreichen zu wollen, um einen Tropfen Wasser zu kriegen. 

Mit der einen Hand fuhr ich über die Robe. So würde mich jeder für eine reiche Adelige halten und keiner würde mir etwas erzählen. Es zerriss mir zwar fast das Herz, aber wenn er der einzige Weg war, jemanden aufzusuchen, musste ich das tun. Auch wenn ich es nicht wollte. 

Ich riss einem der Männer etwas grob das Hemd vom Körper und zog es mir selbst an. Ein anderer musste mir seine Hose unwillig leihen. Leider brauchte ich noch etwas anderes. Glücklicherweise trug einer der Männer eine Mütze, hinter denen ich meine Haare versteckte. Ich betrachtete mich zufrieden in meinem Taschenspiegel. Dann räusperte ich mich. 

„Entschuldigen Sie, Mein Name ist Ray Loverson und ich bin Lehrling eines Schreiberlings. Ich muss ihn während wir durch die Straßen irrten verloren haben. Könnten sie mir sagen, wo wir uns gerade befinden? Ich weiß dass er nach Cavellon wollte. Wie weit ist dies von hier entfernt?" imitierte ich Alastairs dunkle, warme Stimme. 

Ich strich mir eine der braunen Haarsträhnen die noch unter der Mütze hervor lugten zurück unter die Abdeckung meiner Haare und grinste zufrieden. Meine einzigen Bedenken waren es, dass jemand die Männer finden würde. Wie würden ich schon auf sechs halbtote und dann auch noch zwei halbnackte reagieren? 


Ich war noch nie mit einer Kutsche gefahren. Davon sie zu steuern ganz zu schweigen. Der Weg auf dem wir fuhren, war holprig, sodass ich immer wieder fast vom Wagen fiel. Ich hatte kaum die Zügel in die Hand genommen, da sprinteten die weißen  Pferde schon los, als wäre die böse Fee hinter uns her. 

Vielleicht war sie das ja. Wer weiß, wem die Trottel-Gang angehörte. Vielleicht ja auch einer bösen Fee. Aber was wollten diese Männer von mir? Meinen Schmuck? Das einzige was ich trug, war ein hübsches Lederband mit kleinen unechten Diamanten. Meine Mutter hatte mir das Armband zum zehnten Geburtstag geschenkt. 

Aber dafür der ganze Aufwand? Selbst wenn die Diamanten echt gewesen wären, hätte es sich dann gelohnt? Meiner Meinung nach hatten mich gerade ein Haufen Trottel überfallen, weil sie auf irgendetwas an mir aus waren. Deshalb hatten sie mich fast umgebracht, aber leider leider den Kampf gegen eine junge, noch nicht ausgebildete Lichtkriegerin verloren. Und jetzt schleppte diese sie durch einen Wald um ein Dorf aufzuspüren. 

Der Wald war auch recht fragwürdig. Wunderschön für mich, auf seine Art und Weise. Aber irgendwie etwas zu ruhig. Kein Gezwitscher, kein Brüllen, kein Heulen, nicht einmal das Rauschen der Blätter wie sie im Wind tanzten. Totenstille. 

Desto weiter wir in den Wald hervor drangen, um so dunkler schien er zu werden. Das wir ihm nicht willkommen waren stand sowieso fest. 

Auch die Schimmel schienen ein ungutes Gefühl zu haben. Immer wieder wollten sie umkehren, auch ihr Tempo wurde deutlich langsamer. 

„Wohin des Weges?" Mit einem Satz sprang ein Löwe hinter einem Baum hervor. Seine prächtige Mähne wehte im Wind. Wie als hätte die Natur darauf gewartet, löste sich die Stille auf. Die Vögel begannen neue Lieder zu zwitschern, die Blätter rauschten. Selbst ein Heulen war in der Ferne zu hören. 

Ich zuckte zurück. Fast hätte der Waldboden ein weiteres Mal mit mir Bekanntschaft gemacht, worauf ich ehrlicherweise verzichten konnte. 

„Äh, ich suche... Ein Dorf. Ein  Dorf hier in der Nähe. Der Name ist mir nicht bekannt. Ähm... Können Sie mir helfen?" Ich fühlte mich recht bescheuert. Redete ich gerade ernsthaft mit einem Löwen? 

„Das denken die meisten. Ein einsamer Löwe, der im Wald haust und es sich zur Beschäftigung gemacht hat, Leute zu erschrecken. Ich bin ein Gestaltswandler. Und glaube mir, nicht besonders scharf darauf, diese Brücke zu überwachen. Sein Kopf zeigte nach hinten. 

Tatsächlich war mir die baufällige Brücke hinter dem Löwen noch garnicht aufgefallen. Eigentlich wollte ich nicht unbedingt dieses Gestell überqueren. Es sah nicht wirklich so aus, als würde man diesen Weg überleben. 

„Was muss ich dafür tun?", fragte ich trotzdem. Denn ob ich es nun wollte oder nicht. Ich musste dort hinüber. 

„Du hast drei Wünsche."

„Äh... Wie bitte?"

„Sie haben drei Wünsche frei. Erst wenn ich diese Wünsche erfüllt habe, dürfen sie diese Brücke überqueren. Erst wenn sie diese Herzenswünsche ausgesprochen haben, kann ich Sie hinüber lassen." Der Löwe stieß ein Brüllen aus und die Schimmel stiegen. Ich konnte die nur mit Mühe beruhigen. 

„Okay. Dann wünsche ich mir erst einmal ein Stute. Eine schwarze Stute, die vor nichts zurück weicht und sich wie eine Anführerin benimmt." Ich musste los, deshalb dachte ich nicht wirklich über meine Wünsche nach. Ich überlegte mir nur etwas, was mit der Zeit nicht lästig werden konnte. 

Der Löwe senkte den Kopf und hob ihn dann wieder, was wahrscheinlich ein Nicken sein sollte. Ich fuhr fort. „Mein zweiter Wunsch wäre eine Landkarte."

Wieder folgte die komische Geste. 

„Und zu letzt wünsche ich mir, dass Sie frei sind und das tun können, was Sie wollen." 




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