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Maria Susanna springt in die Luft. Zwei smaragdfarbene Flügel aus Licht bilden sich an ihrem Rücken und sie kommt mit ein paar kräftigen Flügelschlägen auf mich zu, wobei sie noch immer ihr dämliches Feuerschwert schwingt. Ernsthaft? Sie kann auch noch fliegen? Langsam wird es lächerlich. Wie kann es sein, dass eine einzige Person so viele verschiedene Fähigkeiten besitzt? Das ist einfach nicht richtig!

Ich stoße mich elegant von der Blase ab und fliege ebenfalls auf sie zu. Dabei rezitiere ich im Kopf die Beschwörungsformel für meine magische Kalaschnikow. Ich lächle zufrieden als sich die Waffe aus dem Nichts materialisiert. So macht man das. Gar nicht zu vergleichen mit Maria Susannas läppischen brennenden Zahnstocher. Auf meinen lautlosen Befehl hin lösen sich die ersten Raketen und schießen auf sie zu, aber sie weicht ihnen elegant aus. Nicht einmal ihre Frisur verrutscht dabei. Ich beiße die Zähne zusammen. Irgendwo hinter ihr kommt es beim Einschlag der Raketen zu einer gewaltigen Explosion.

„Was bist du?", stoße ich grimmig hervor. Sie schlägt mit dem Schwert auf mich ein und ich wehre den Hieb ab, indem ich mit meiner Kalaschnikow pariere. Einen kurzen Moment sind wir uns ganz nahe. Maria Susanna verzieht ihren Mund zu einem wunderschönen Lächeln.

„Dein schlimmster Albtraum", erwidert sie. Ihr Schwert flammt auf und wenig später habe ich Feuer im Gesicht. Im Gegenzug feuere ich weitere Raketen, die sich auf magische Weise selbst nachladen, in ihre Richtung ab, die sie um ein paar Millimeter verfehlt.

„Mein schlimmster Albtraum", verkündige ich mit zusammengebissenen Zähnen, „ist ein Leben ohne Internet. Damit kannst du nicht einmal ansatzweise mithalten."

Ich feuere erneut auf sie. Vielleicht hat meine Antwort sie aus der Fassung gebracht oder vielleicht hat einfach mein unglaublich gutes Aussehen sie für einen Moment abgelenkt. Auf jeden Fall explodieren die Raketen mitten in ihrem Gesicht. Ich lächle feixend. So benutzt man magische Waffen.

Der Rauch der Explosion verzieht sich und Maria Susanna ist erneut vollkommen unversehrt. Sie hat sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, ein smaragdfarbenes Schutzschild zu errichten. Unfassbar! Es ist, als wäre sie unverwundbar. Irgendetwas läuft hier gewaltig schief! Ich muss meinen Feinden immer haushoch überlegen sein. Das ist ein Naturgesetz. Immerhin bin ich eine Mary Sue. Wer ist dieses Mädchen? Was ist sie?

Es gibt nur einen Weg, das rauszufinden.

„Im Ernst, was bist du?", hake ich nach.

Maria Susanna schürzt die Lippen. Ihre Smaragdaugen blitzen.

„Also gut, Kreatur der Dunkelheit, du sollst wissen, wer für deine Vernichtung verantwortlich ist", sie führt einen buchstäblich blitzschnellen Schlag mit der Kraft eines Vorschlaghammers aus, den ich ebenso schnell und kraftvoll mit meiner Waffe pariere.

„Ich bin ein einzigartiges Wesen von vollkommener Macht", erklärt sie und lässt einen weiteren Schlag auf mich herabsausen. „Ich bin halb Mensch, halb Elfe, halb Hexe, halb Engel, halb Fee, halb Vampir, halb Meerjungfrau, halb Dryade, halb Banshee, halb Werwolf, halb ... "

Ich verdrehe die Augen. Nun, ganz offensichtlich ist sie keine Halb-Mathematikerin. Die Liste ist noch deutlich länger, aber ich höre schon längst nicht mehr zu. Stattdessen zerbreche ich mir den Kopf, weshalb dieses Mädchen so mächtig ist. Ich habe schon gegen all diese Wesen, die sie aufgezählt hat, gekämpft und hatte noch nie Schwierigkeiten, sie zu vernichten. Allein ihre Herkunft erklärt also nicht ihre Stärke.

Ich beschwöre im Kopf schnell eine weitere magische Schusswaffe. Als diese wie aus dem Nichts in meiner Hand auftaucht, ist Maria Susanna kurz abgelenkt, weshalb es mir gelingt, sie mit meiner Kalaschnikow zu erwischen. Dieses Mal sind die Raketen bis zum Rand mit meiner tödlichen Magie vollgepumpt. Obwohl der Schuss stark genug wäre, um einen Riesen zu enthaupten, fügt er Maria Susanna nur einen leichten Kratzer zu, der sofort wieder verheilt. Trotzdem frohlocke ich, zumindest so lange bis ich den versteinerten Ausdruck auf ihrem Gesicht sehe.

Der Grünton ihrer Augen verdunkelt sich schlagartig und ihre Augäpfel färben sich vollkommen schwarz. Ich verziehe das Gesicht. Das ist kein gutes Zeichen. Schwarze Augäpfel bedeuten in der Regel, dass jemand richtig, richtig wütend ist und man besser verschwinden sollte. Die Adern in ihrem Gesicht treten hervor. Auch sie sind haben sich schwarz verfärbt. Das ist ein noch viel schlechteres Zeichen. Ich habe das schon öfters gesehen. Manche Monster und mächtige Magier verändern sich auf diese Weise bevor sie ihre mächtigste, tödlichste Attacke durchführen. Normalerweise kein Problem für eine Mary Sue wie mich, aber nichts an dem Kampf mit Maria Susanna ist normal. Ich mache kehrt und fliege rasch zu der Blase, in der Amora und Kass noch immer gefangen sind

„Ähm Amora", sage ich, „ihr beide solltet vielleicht in eine andere Welt wechseln", ich werfe Maria Susanna, um deren Körper sich eine Art schwarzes Loch zu bilden scheint und der es trotz allem immer noch gelingt, dabei umwerfend auszusehen, einen besorgten Blick zu, „und zwar jetzt!"

Amora nimmt die Brille ab. Ihre Augen wirken erschöpft, ihre Haut ist unnatürlich blass.

„Ich kann nicht", erklärt sie.

„Genau", stimmt Kass zu und ballt entschlossen die Hände zu Fäusten, „wir lassen dich nicht im Stich Mary Sue."

„Also bitte", ich verdrehe die Augen. „Ihr glaubt doch nicht, dass das eine Bedrohung für mich darstellt, oder?" Ich nicke in Richtung Maria Susanna. Die Dunkelheit um ihren Körper breitet sich immer weiter aus. Ich schlucke. Dann kleistere ich mir schnell wieder ein selbstsicheres Grinsen ins Gesicht.

„Ich will nur nicht, dass ihr versehentlich umgebracht werdet", erkläre ich und mache eine wedelnde Handbewegung. „Also husch, husch. Verschwindet. Jetzt!"

Maria Susanna scheint ihre Verwandlung abgeschlossen zu haben. Ihre vollkommen schwarzen Augen richten sich auf mich. Ich kämpfe gegen den Drang an zurückzuweichen. Ich bin eine Mary Sue. Ich fliehe nicht. Ich habe keine Angst. Ich darf keine Angst haben. Wieso habe ich dann Angst?

„Ich kann nicht", erklärt Amora heiser, „diese dämliche Blase verhindert, dass ich meine Kräfte einsetze."

Ich stoße einen nicht sehr Mary-Sue-haften Fluch aus. Maria Susanna setzt sich in Bewegung. Sie kommt langsam auf mich zu. Selbst aus der Entfernung kann ich die Macht spüren, die von ihrem Körper ausströmt. Die Energiewelle hätte einem normalen Menschen vermutlich die Haut von den Knochen geschält und ich bin froh, dass Amora und Kass durch die Blase davor geschützt sind.

„Dir wird doch nichts passieren, oder Mary Sue?", erkundigt sich Kassandra mit weit aufgerissenen Augen. „Du bist viel zu mächtig, als dass sie dir etwas antun könnte."

„Natürlich", ich versuche mich an einem Lachen, „immerhin bin ich Mary Sue. Ich bin mit Abstand das intelligenteste, schönste und mächtigste Wesen, das je existiert hat."

Das erste Mal in meinem Leben fühlen sich diese Worte auf meinen Lippen wie Lügen an.

Amora reißt die Augen auf. Sie sieht zu mir. Dann zu Maria Susanna, die noch immer langsam näherkommt, dann wieder zu mir.

„Das ist es", ruft sie aufgeregt. Die Erschöpfung ist für einen Augenblick aus ihrem Gesicht verschwunden. „Das ist der Grund, weshalb sie so mächtig ist und weshalb du sie nicht besiegen kannst. Es erklärt auch ihr Aussehen oder die Tatsache, dass ich sie auf Anhieb nicht ausstehen konnte. Wie konnte ich nur die ganze Zeit so blind sein?"

Ich sehe sie verständnislos an.

„Begreifst du denn nicht?", Amora scheint kurz davor zu sein, vor Aufregung auf und ab zu hüpfen, „Maria Susanna ist eine – "

„Mary Sue, pass auf!", kreischt Kassandra.

Ich keuche. Der Sog der Dunkelheit hat mich erfasst und reißt an mir, zieht mich in seine Mitte. Schmerzen graben sich in meinen Körper. Schlimmere Schmerzen als ich je in meinem Leben verspürt habe. Mein Mund öffnet sich zu einem lautlosen Schrei. Ich zapple und kämpfe mit aller Macht, aber die Dunkelheit umhüllt mich unbarmherzig. Verzweiflung steigt in mir auf. Noch nie habe ich mich so hilflos gefühlt. Ich bin eine Mary Sue, verdammt nochmal. Die Dunkelheit dringt in meinen Körper. Reißt mich bei lebendigem Leibe entzwei. Ein Finger wird von meiner rechten Hand abgetrennt. Kurz darauf folgte der ganze Arm. Wut flammt in mir auf. Jetzt reicht es mir!

Meine noch vorhandene Hand beginnt zu glühen. Kurz darauf mein ganzer Körper. Mir wird warm und die Dunkelheit weicht zischend ein Stück von mir zurück. Ich lächle, während das Licht in meine Schulter fließt und der abgetrennte Arm nachwächst.

Ein Sperr aus Dunkelheit rast auf mich zu. Ich hebe die Hand und lasse reine Macht in das Licht fließen. Der Sperr verharrt Millimeter von meinem Gesicht entfernt in der Luft, wo er sich schließlich in reines Licht auflöst. Ich werde immer heller und heller. Dränge die Dunkelheit Zentimeter für Zentimeter zurück. Schließlich befinde ich mich im Zentrum einer Supernova. Ich schließe die Augen und öffne mich vollständig dem Licht. Mache mich bereit, die Dunkelheit um mich herum ein für alle Mal zu zerstören.

„Netter Versuch", flüstert mir Maria Susanna ins Ohr, „aber du kannst mich nicht besiegen."

Ich reiße die Augen auf. Maria Susanna ist nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Sie schenkt mir ein wunderschönes Lächeln. Dann hebt sie die Hand wie zum Gruß und ballt sie schließlich zu einer Faust. Ich atme scharf ein. Die Dunkelheit gewinnt an neuer Kraft. Sie stürzt sich auf mich und zerfetzt meine Supernova wie einen alten Teppich. Ich kreische. Tausende Klingen scheinen sich in meinen Körper zu bohren, als die Schwärze mich ganz erfasst. Mein Licht wird schwächer, flackert und verlöscht schließlich.

„Stirb, Monster!", ruft Maria Susanna. Ihre Stimme scheint aus mehreren Richtungen gleichzeitig zu kommen. Sie ist überall.

„Wirklich?", keuche ich mit schmerzerfüllter Stimme. Dunkelheit dringt in meine Lunge und zerreißt sie von innen, was das Sprechen wirklich erschwert. „Du hattest ... so lange Zeit, zu überlegen ... und es ist dir trotzdem nicht gelungen, ... dir einen besseren Schlachtruf einfallen zu lassen?"

Ich verziehe meine perfekt geformten Lippen zu einem kraftlosen Lächeln. Blut sprudelt aus meinem Mund.

„Erbärmlich", krächze ich mit letzter Kraft.

Die geballte Macht der Dunkelheit trifft auf mich und alles wird schwarz.

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