🪦🪦🪦🪦🪦

Amoras Augen verziehen sich hinter den Brillengläsern zu Schlitzen, als sie das fremde Mädchen mustert. Dieses stützt sich lässig auf ihrem lächerlichen Flammenschwert ab und beobachtet uns mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Sie hat mir einfach so ein Schwert in den Rücken gerammt!", beschwere ich mich. Mein Rücken jault zustimmend, obwohl die Schwertwunde inzwischen verheilt ist. Amora starrt das Mädchen daraufhin finster an.

„Hey", sagt sie kalt und baut sich vor dem Mädchen auf. „Wenn hier jemand Mary Sue umbringt, dann bin ich das!"

Was soll ich sagen – da wird mir doch ganz warm ums Herz.

„Nichts für ungut, aber überlass das den Profis", gibt das Mädchen im herablassenden Tonfall zurück. „Du siehst nicht so aus, als wärst bedeutsam genug, um jemanden wie ihr auch nur Unannehmlichkeiten zu bereiten."

Ui, das war ein Fehler. Amoras Blick verfinstert sich und in ihre Augen tritt ein mörderischer Ausdruck, der normalerweise speziell für mich reserviert ist.

„Was denkst du", erkundigt Amora sich in einem freundlichen Tonfall, der so gar nicht zu dem mörderischen Ausdruck in ihren Augen passt, „wäre ich wohl bedeutsam genug, um jemanden wie dir Unannehmlichkeiten zu bereiten?"

Das Mädchen verzieht ihr Gesicht zu einem verächtlichen Lächeln.

„Natürlich nicht. Immerhin bin ich Maria Susanna Frederika Antonia Valentina von und zu Lilienhain. Ganz genau", sie fährt sich mit einer hochmütigen Geste durchs Haar, obwohl ihre Frisur bereits einwandfrei sitzt, „DIE Maria Susanna Frederika Antonia Valentina von und zu Lilienhain."

Unglaublich! Über so eine arrogante Haltung kann ich nur den Kopf schütteln. Und was für ein lächerlicher Name. Andererseits, was kann man auch erwarten, von jemandem, der ein flammendes Schwert führt.

„Nie von dir gehört", sagt Amora und rückt ihre Brille zurecht „Und glaub mir, an einen solchen Namen würde ich mich erinnern".

So wie sie das ausspricht, klingt es nicht gerade nach einem Kompliment.

„Aber das hat gar nichts zu bedeuten", fügt Kass schnell hinzu und hebt beschwichtigend die Hände. „Wir sind nicht von hier. Also nimm es dir bitte nicht zu Herzen. Ich bin sicher, du bist sehr, sehr berühmt."

Sie lächelt entschuldigend und ich muss ein Lachen unterdrücken, als ich den säuerlichen Gesichtsausdruck des Mädchens sehe. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Kass mag?

„Nun, Maria Susanna wie-auch-immer, ich nehme dann mal an, dass auch du diejenige warst, die meine Kräfte manipuliert und uns hierher verfrachtet hat", sagt Amora mit gefährlich ruhiger Stimme.

„Selbstverständlich", Maria Susanna grinst triumphierend.

Das erklärt also, weshalb unsere Reise hierher sich so angefühlt hat, als würde man in zwei gegensätzliche Richtungen gerissen werden. Aus Erfahrung weiß ich, dass Amora kein großer Fan davon ist, auf magische Weise manipuliert zu werden. Hinter den Gläsern ihrer Brille kann ich tiefe Abneigung gegen das fremde Mädchen in ihren Augen lesen, was mich ungemein freut.

„Ich schätze, da hast du großes Glück gehabt", fährt Amora fort. „Wenn es mir nicht zufällig gerade ziemlich mies gegangen wäre, wäre dir das nie gelungen."

„Da wäre ich mir nicht so sicher", Maria Susanna lächelt herablassend. „Mir gelingt so ziemlich alles, was ich mir vornehme."

„Außer dir einen vernünftigen Namen anzuschaffen", murmle ich halblaut. Amora grinst und Kass prustet los. Maria Susanna starrt die beiden wütend an, woraufhin Kass schuldbewusst verstummt.

„Tut mir leid", murmelt sie und wirkt dabei aufrichtig zerknirscht. „Ich wollte deine Gefühle nicht verletzen."

Maria Susanna sieht aus, als wollte sie Kass jeden Moment an die Kehle springen. Ich grinse. Zuzusehen, wie Kass dieses Mädchen unbeabsichtigt zur Weißglut treibt, ist wirklich höchst amüsant. Vielleicht war der Ausflug hierher doch nicht vollkommen für die Katz. Amora reibt sich die Hände. Die Augen hinter ihren Brillengläsern funkeln. Es ist wirklich angenehm, dass sich ihr Zorn mal zur Abwechslung nicht gegen mich richtet. Daran könnte ich mich gewöhnen.

Sie beginnt in ihrer Tasche zu wühlen und ich weiß, dass sie nach gewissen Visitenkarten sucht. Ich grinse breit und bedauere nur, dass ich gerade kein Popcorn zur Hand habe.

„Die beiden?", fragt Amora und deutet auf den Bogenschützen und den Axtkämpfer, deren Existenz ich schon wieder völlig ausgeblendet hatte. „Eine Romeo und Julia Konstellation? Wirklich? Wie fantasielos."

Maria Susanna schürzt ihre wohlgeformten Lippen.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest", erklärt sie spitz.

„Darf ich mich vorstellen?", Amora zückt drei Visitenkarten und drückt sie unseren Feinden in die Hände. Der Bogenschütze und der Axtkämpfer wirken verwirrt, während Maria Susanna verärgert den Mund verzieht. „Amora Schneider, professionelle Liebesdreiecks-Vernichterin. Zu euren Diensten."

„Ist das ein Scherz?", will Maria Susanna wissen. „Ein erbärmlicher Versuch mich abzulenken, um dem Bösen die Gelegenheit zu geben, zu fliehen?"

„Mach dich nicht lächerlich", gibt Amora zurück und rückt ihre Brille zurecht. „Wir haben doch schließlich bereits etabliert, dass jemand wie ich einfach nicht bedeutsam genug bin, jemanden wie dir in irgendeiner Form Unannehmlichkeiten zu bereiten, nicht wahr?"

„Keine Sorge", ich schenke Maria Susanna mein süßestes Lächeln. „Ich gehe nirgendswo hin. Das würde ich mir nicht einmal für einen Game-of-Thrones-Marathon entgehen lassen."

„Ich fasse mich kurz", Amora deutet auf den Bogenschützen, „du verlierst."

Der Bogenschütze macht für einen Moment große Augen, bevor seine Miene undurchdringlich wird. Er hebt seinen Bogen und legt einen Pfeil auf Amora an.

„Was meinst du damit?", fragt er mit gepresster Stimme.

„Du und Maria Susanna seid Teil einer Gruppierung, während der Axtkämpfer dort zu einer euch verfeindeten Gruppierung gehört, ist es nicht so?", fragt Amora und spricht gleich weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. „Ich erkenne das an euren unterschiedlichen Uniformen und der Art, wie du und der Axtkämpfer euch gegenseitig feindselig mustert, wenn ihr glaubt, dass niemand hinsieht."

Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ich kneife die Augen zusammen und versuche, mich auf Maria Susannas Begleiter zu konzentrieren, aber alles an ihnen schreit geradezu nach irrelevant, weshalb mein Blick immer wieder gelangweilt abgleitet.

„Verfeindete Königreiche", stimmt der Bogenschütze gequält zu. „Wir haben uns nur temporär zum Kampf gegen das absolut Böse verbündet."

Ich grinse. Was soll ich sagen, ich bin so perfekt, dass ich Menschen allein durch meine Existenz dazu bringe, ihre Zwistigkeiten beizulegen und zusammenzuarbeiten. Maria Susanna und ihre Gefährten sollten mir eigentlich auf Knien danken, anstatt zu versuchen, mich zu ermorden.

„Maria Susanna und dieser Kerl mit der Axt sind also genau genommen Feinde", stellt Amora nüchtern fest. „Wenn zwei eigentlich verfeindete Parteien in ein Liebesdreieck verwickelt sind, dann spricht man von einer typischen Romeo-und-Julia-Konstellation", erklärt sie dem Bogenschützen mit aufrichtigem Mitleid in der Stimme. „Dagegen kommt niemand an. Tut mir leid, aber du hattest von Anfang an keine Chance. Du weißt schon, der Reiz des Verbotenen, die Möglichkeit, dass ihre Liebe den Jahrhunderte alten Hass überwindet und so weiter. Dagegen bist du machtlos."

„Das ist nicht wahr", widerspricht der Bogenschütze. Ein schmerzhafter Ausdruck huscht über sein Gesicht und er lässt den Bogen sinken. „Maria Susanna Frederika Antonia Valentina, sag ihnen, dass das nicht wahr ist."

Ihr Schweigen ist Antwort genug.

Der Bogenschütze stößt den verzweifelten Schrei eines Menschen aus, dessen Herz gerade in tausend Teile zersplittert ist. Sein Bogen zerbricht. Ich werfe Amora einen Seitenblick zu. Diese wirkt unglaublich selbstzufrieden, auch wenn sie versucht, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Gut, dass ich nicht bedeutsam genug bin, um jemanden wie dir auf irgendeine Weise zu schaden", sagt sie trocken an Maria Susanna gewandt. „Es würde mir das Herz brechen, wenn die Zerstörung deines Liebesdreiecks dir Unannehmlichkeiten bereiten würde."

Ich kann nicht anders, ich muss einfach lachen, als ich Maria Susannas dummen Gesichtsausdruck sehe.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top