👁️👁️👁️👁️👁️
„Da ist jemand", stellt Mary Sue überrascht fest und zieht ihre perfekten Augen zu Schlitzen. „Sollten deine Kräfte nicht verhindern, dass wir in Sichtweite eines Menschen auftauchen?", wendet sie sich an Amora.
„Normalerweise ja", gibt Amora zurück, „aber normalerweise muss ich auch nicht Hals über Kopf in eine andere Welt wechseln, weil ein gewisser jemand so blöd war, einen Drachen zu verärgern."
„Das ist okay, ich vergebe dir", verkündigt Mary Sue gönnerhaft und wirft sich die Haare in den Nacken.
Amora stöhnt entnervt und verdreht die Augen.
„Also gut", Mary Sue schenkt mir ein raubtierhaftes Lächeln. „Ich werde mich um dieses Problem kümmern."
Mir gefällt es nicht besonders gut, als Problem bezeichnet zu werden, aber ich wage es nicht, mich zu beschweren. Mary Sue tritt einen Schritt näher an mich heran und sieht mir tief in die Augen. Unwillkürlich weiche ich zurück. Ihr Blick hat etwas Hypnotisches an sich.
„Du hast uns nicht gesehen", flüstert sie mit samtweicher Stimme. „Wir waren nie hier. Nun leb dein unbedeutendes, kleines Leben weiter, als wäre nie etwas passiert."
„Du meine Güte", flüstere ich. Meine Augen weiten sich. „Jetzt sehe ich es erst. Wie habe ich das nicht früher bemerken können?"
„Was?", fragt Mary Sue irritiert. Ihre Stimme hat wieder einen normalen Tonfall angenommen.
„Deine Haare!", rufe ich entsetzt. „Deine wunderschönen Haare! Was hast du nur damit angestellt?"
Fassungslos starre ich sie an. Ihre blonden Haare sind an den Spitzen verkohlt und völlig schief abschnitten. Wie konnte mir das bisher nur entgehen? Der Anblick treibt mir fast schon Tränen in die Augen.
„Meine Tante ist Friseuse", sage ich aufgeregt. „Wenn ich sie jetzt gleich anrufe und ihr sage, dass wir hier einen Notfall haben, kann sie dir sicher kurzfristig einen Termin geben. Vielleicht ein Pagenschnitt", ich mustere sie prüfend. „Oh ja, ich bin sicher ein Pagenschnitt würde dir hervorragend stehen."
Mary Sue funkelt mich so zornig an, dass ich mich am liebsten im Polster meines Sessels verkrochen hätte. Amora krümmt sich vor Lachen und Tränen rinnen unter ihren Brillengläsern hervor.
„Das ist nicht witzig", zischt Mary Sue sie an.
Während sie abgelenkt ist, strecke ich meinen Finger aus, um sie zu piksen. Ich muss mich einfach davon überzeugen, ob das real ist.
„Hey!", sie fährt zu mir herum und hält meinen Finger fest, bevor ich sie erreichen kann. „Was soll das?"
Ihr Griff ist kühl und fest. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie mir den Finger brechen könnte, wenn sie nur wollte. Ehrfürchtig starre ich sie an.
„Du bist keine Halluzination", flüstere ich.
Aus irgendeinem Grund scheint das Mary Sue zu schmeicheln. Sie fährt sich durch ihre verstümmelten und doch wunderbaren Haare und lächelt mich breit an.
„Mach dir nichts draus", sagt sie gönnerhaft. „Es ist nicht das erste Mal, dass Leute so von mir überwältigt sind, dass sie an ihrem Verstand zweifeln", sie seufzt theatralisch. „Das ist eben das tragische Schicksal einer Mary Sue."
Amora schnaubt verächtlich. Sie tritt einen Schritt vor und schubst Mary Sue leicht zur Seite.
„Hör nicht auf sie", sagt sie an mich gewandt, „die hat einen an der Klatsche." Sie streckt mir die Hand entgegen und ich schüttle sie. „Da wir schon einmal hier sind, kann ich mich auch gleich vorstellen. Mein Name lautet Amora Schneider, ich bin professionelle Liebesdreiecks-Vernichterin."
Sie drückt mir eine Visitenkarte in die Hand, auf der ich in hübscher Schnörkelschrift das eben Gesagte nachlesen kann.
„Tut mir leid, dass wir hier einfach hereinplatzen und dein Leben durcheinanderbringen", fährt sie fort und sieht sich dann anerkennend um. „Nettes Zimmer."
„Liebesdreiecks-Vernichterin?", wiederhole ich, unsicher, ob ich mich nicht verhört habe.
„Ganz genau", Amora rückt stolz ihre Brille zurecht. „Ich reise zwischen den Welten, um Liebesdreiecke zu zerstören. Normalerweise zumindest", sie wirft Mary Sue einen sauren Blick zu, „momentan komme ich kaum dazu, da ich für eine egozentrische, machtbesessene Psychopathin den Babysitter spielen muss."
Mary Sue wirft ihr breit grinsend eine Kusshand zu.
„Warte mal", ich sehe zwischen den beiden hin und her. „Ihr kommt aus einer anderen Welt?"
Meine Stimme wird ganz schrill vor Aufregung.
„Könnte man so sagen", Amora runzelt die Stirn.
„Kennt ihr dann vielleicht meinen unsichtbaren Beobachter?", meine Hände zittern und ich beuge ich mich vor, um ja kein Wort zu verpassen. „Seit ich mich erinnern kann, spüre ich die Anwesenheit eines Unbekannten, der mich verfolgt. Niemand sonst kann ihn wahrnehmen, nur ich. Ich weiß nichts über diese Person, außer, dass sie vermutlich aus einer anderen Welt stammt."
Mein ganzer Körper bebt nun vor Aufregung. Kennst du Mary Sue und Amora? Sind dir die beiden bereits begegnet? Stammst du vielleicht aus derselben Welt wie die beiden? Hast du sie vielleicht sogar zu mir geschickt? Oder stalkst du sie auch? Ich weiß, die Wahrscheinlichkeit, dass sie mir helfen können, ist gering, schließlich kennt niemand auch nur annähernd jeden Menschen in seiner Welt, aber es kann doch kein Zufall sein, dass die beiden Weltenreisenden ausgerechnet jetzt bei mir auftauchen! Sie müssen irgendetwas wissen. Endlich werde ich etwas über dich herausfinden!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top