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Ich starre Mary Sue perplex an, unsicher, ob ich sie richtig verstanden habe.
„Du willst, dass ich dich in eine andere Welt mitnehme?", wiederhole ich.
„Komm schon", Mary Sue grinst breit. „Das wird lustig."
Ich finde Mary Sues Vorstellung von Spaß maximal verstörend.
„Nur über meine Leiche", sage ich entschieden.
Mary Sue legt den Kopf schief und mustert mich abwägend. Augenblicklich bereue ich meine Wortwahl.
„War das ein ‚Vielleicht'?", erkundigt sie sich
„Das war ein ‚Ganz bestimmt nicht'!", entgegne ich energisch.
Noch nie ist mir eine Entscheidung so leichtgefallen. Mary Sue in eine andere Welt mitzunehmen, ist ungefähr so, als würde man Terroristen eine Atombombe überlassen. Nur, dass der Schaden, den eine Atombombe anrichten kann, zumindest begrenzt ist.
„Siehst du, genau das meine ich", meint Mary Sue und ersticht mich fast mit ihrem Finger, der wild herumfuchtelt. „Hier in meiner Welt hätte es niemand gewagt, sich mir zu widersetzen. Niemand! Genau deswegen muss ich fort!"
Ihr Tonfall verändert sich. Wird schmeichelhafter. Manipulativer.
„Bist du es nicht leid, dein Leben damit zu vergeuden, deine Verbitterung über das Glück anderer auszuleben, indem du Liebesdreiecke vernichtet?", will sie wissen. Ihre Stimme ist wie Honig. Sie schleicht sich in meinen Kopf, lullt mich ein und verklebt meine Gedanken.
„Denk mal darüber nach, was wir beide zusammen erreichen könnten. Wir wären ein großartiges Team. Du bringst mich in andere Welten und ich erledige den ganzen Rest. Was wir für Abenteuer gemeinsam erleben könnten." Ihre Augen glänzen.
Ich blinze träge. Vielleicht hat Mary Sue ja Recht. Vielleicht wäre es für uns beide eine wunderbare Gelegenheit, zusammen durch die Welten zu reisen. Ein Abenteuer. Wir könnten so viel Gutes bewirken. Mit Mary Sue auf meiner Seite kann nichts mehr schiefgehen. Immerhin ist sie vollkommen. Wunderschön. Perfekt. Mächtig. Super sympathisch.
Ich runzle die Stirn. Moment mal? Sympathisch?!? Das sind nicht meine Gedanken! So etwas würde ich niemals denken! Ich schüttle energisch den Kopf. Meine Wut brennt die letzten Reste Honig aus meinem Gehirn.
„Hast du dich gerade irgendwie in meine Gedanken eingeschlichen und sie manipuliert?", frage ich gefährlich leise. „Hast du versucht, mich auf diese Weise dazu zu bringen, ‚Ja' zu sagen?"
Mary Sue sieht mich gespannt an. „Hat es funktioniert?"
„Soll das ein Witz sein?", fauche ich. „Natürlich nicht! Du hast meine Gedanken manipuliert! Hast du denn überhaupt kein Gewissen?"
„Oh, wir spielen also den Moralapostel", Mary Sues Gesichtszüge verfinstern sich. Ihre wunderschöne Stimme wird kalt. „Dann denk doch mal darüber nach, was hier passieren wird, wenn du mich zurücklässt. Du denkst, ich bin jetzt schon eine Tyrannin?"
Sie lacht. Ein Lachen wie klirrende Eiszapfen, das mich erschaudern lässt.
„Das ist nichts im Vergleich zu dem, wozu mich die Langeweile als Nächstes treiben wird", verkündigt sie. „Wenn du mich hierlässt, kann ich für nichts garantieren. Wer weiß", sie zeigt ein grausames Lächeln, „gut möglich, dass ich demnächst Liebesdreiecke als einzigen möglichen Beziehungsstatus gesetzlich vorschreibe."
Ich keuche.
„Du Monster", zische ich, „das würdest du nicht wagen!"
Ich glaube mir wird übel. Eine Welt voller Liebesdreiecke. Schnulzige Liebesschwüre, hingebungsvolle Küsse und gebrochene Herzen, wo man auch hinsieht. Galle steigt in meinem Mund hoch. Nicht auszudenken. Eine Szene, wie aus einem Albtraum entsprungen.
„Würde ich nicht?", Mary Sues Lächeln ist zuckersüß.
In diesem Moment weiß ich, dass sie es tun würde. Sie würde ihre Drohung wahr machen. Und sei es nur, um mir eins reinzuwürgen. Die katastrophalen Folgen sind ihr völlig gleichgültig. Sie wird diese Welt zu Grunde richten! Und ich wäre schuld.
„Weißt du, andere Welten sind gefährlich", sage ich leise und versuche meiner Stimme einen bedrohlichen Klang zu verleihen. „Besonders, wenn man diejenige, die zwischen den Welten wandelt, verärgert. Wie schnell kann es passieren, dass ein hübsches Mädchen im Treibsand stecken bleibt, allein mitten im Ozean landet oder von einem Drachen gefressen wird."
Auch, wenn ich mir bei Letzterem nicht sicher bin, ob Mary Sue nicht eher den Drachen fressen würde als umgekehrt.
„Heißt das, du nimmst mich mit?", Mary Sues Augen glänzen. Meine kaum verhohlene Drohung scheint ihr völlig entgangen zu sein.
„Klar", sage ich, „solange du kein Problem damit hast, dass ich in den anderen Welten eine Lösung für mein Mary Sue-Problem finden werde. Und zwar eine dauerhafte Lös-"
„Einverstanden", unterbricht mich Mary Sue freudestrahlend. Jegliche Bosheit ist aus ihrem Gesicht gewichen. Stattdessen ist sie wieder so schön wie eh und je. „Hand drauf"
Ehe ich ihr widersprechen kann, ergreift sie meine Hand. Als unsere Finger sich berühren, schießen Funken daraus hervor. Ich seufze resigniert. Ein Pakt wurde geschlossen. So ein Mist!
Mary Sue begegnet meinem Blick und lächelt. Es ist ein wunderschönes Lächeln. Wieso habe ich nur das Gefühl, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben?
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