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Ich schlage stöhnend die Augen auf. Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ein Elefant darauf herumgetrampelt und ich habe einen widerlichen Geschmack im Mund. Der Boden unter mir ist eiskalt und metallisch. Es ist dunkel und es stinkt nach Benzin und Verwesung. Automatisch fahre ich mit meiner Hand zu meiner Brille, um sie zurechtzurücken, aber sie ist nicht mehr da. Ich stoße ein missmutiges Grunzen aus.

Stöhnend setze ich mich auf und blinzle angestrengt. Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit und ich kann einige verschwommenen Konturen ausmachen. Erst jetzt bemerke ich die dicken, eisernen Gitterstäbe, die mich umgeben. Jemand hat mich offenbar in einen Käfig gesperrt. Na großartig. Ganz große Klasse.

Vorsichtig sehe ich mich um. Ich scheine mich in einer Art Lagerhalle zu befinden, die allerdings eindeutig schon bessere Tage gesehen hat. Weißer Schimmel wächst an der Decke und überall liegen Glasscherben und verrostete Metallteilen herum, deren ursprünglicher Verwendungszweck schon lange nicht mehr zu bestimmen ist. Ich rümpfe die Nase. Dem Gestank nach zu urteilen, ist irgendwo hier drin ein Tier verreckt, dessen Kadaver sich niemand die Mühe gemacht hat wegzuräumen. Ich seufzte frustriert. Wenn ich schon entführt werde, kann ich dann nicht wenigstens in einem Luxushotel gefangen gehalten werden? Ist das wirklich zu viel verlangt?

Meine Hand streift einen glatten Gegenstand, der sich als meine Brille entpuppt. Dankbar setze ich sie auf – und stoße einen Schrei aus. Drei dunkle Gestalten haben sich um meinen Käfig versammelt und gaffen mich an wie ein Tier im Zoo. Sie alle tragen lange, schwarze Mäntel, deren Kapuzen ihre Gesichter verbergen und die sie mit der Dunkelheit verschmelzen lassen.

Mein erster Schreck schlägt in Ärger um. Wenn meine Entführer glauben, mich mit diesen lächerlichen Kapuzenmänteln einschüchtern zu können, dann haben sie sich genschnitten. Ich werfe ihnen einen vernichtenden Blick zu. Die Versuchung, den dreien mittels meines Mittelfingers zu verdeutlichen, was ich von ihnen halte, ist groß, aber ich will mich nicht auf deren Niveau herablassen. Zumindest noch nicht. Also stehe ich stattdessen stöhnend auf und klopfe mir würdevoll meinen inzwischen recht verknitterten Hosenanzug ab.

„Ich glaube, sie ist wach", murmelt der Entführer in der Mitte. Er hat eine hagere Gestalt und seine Stimme ist rau. Ich tippe auf Kettenraucher.

„Wirklich?", meine Stimme trieft vor Sarkasmus. „Was hat mich nur verraten?"

„Du bist aufgestanden", antwortet er.

Ich beschließe, ihn Sherlock zu taufen – aufgrund seiner außergewöhnlichen Beobachtungsgabe.

„Wieso hat eigentlich noch keiner etwas gegen den bestialischen Gestank hier drin unternommen?", beschwere ich mich und verziehe angeekelt das Gesicht. „Eure lächerlichen Kapuzenmäntel lassen ja schon auf einen niedrigen IQ schließen, aber seid ihr allen Ernstes zu dämlich, auf die Idee zu kommen, ein Fenster aufzumachen?"

Bin ich fair? Vermutlich nicht. Aber ich habe auch allen Grund dafür. Mein Kopf tut weh, mein Plan, Mary Sues Liebesdreieck zu vernichten, ist gründlich in die Hose gegangen und jetzt wurde ich auch noch von einem Haufen Witzfiguren entführt. So etwas würde jedem die Laune vermiesen.

Die drei starren mich nur wortlos an. Zu meiner Verärgerung macht keiner auch nur Anstalten, ein Fenster zu öffnen. Ich seufze frustriert.

„Werdet ihr mich auch irgendwann mal darüber aufklären, wer ihr seid und weshalb ich in einem verdammten Käfig stecke?", erkundige ich mich spitz. „Oder habt ihr mich bloß entführt, um mich dumm anzuglotzen? In dem Fall würde ich mich jetzt verabschieden."

Da ich jetzt nicht mehr bewusstlos bin, kann ich jederzeit in eine andere Welt wechseln.

„Wir sind der Widerstand", verkündigt der Kerl ganz links mit stolzgeschwellter Brust. Er ist der kleinste von ihnen und seine Stimme ist jugendlich, schrill und ein wenig pipsig. Es ist die Art von Stimme, für die man auf dem Schulhof von den Klassenkameraden schikaniert wird; zumindest vermute ich das, ich selbst bin nie zur Schule gegangen. Ich werde ihn Pipsi nennen.

„Wir sind hier, um deiner Schreckensherrschaft ein Ende zu bereiten", fügt Sherlock hinzu.

Ich runzle irritiert die Stirn. Ich reise zwischen den Welten umher und vernichte Liebesdreiecke. Das mag vielleicht nicht jedem gefallen, aber da von einer Schreckensherrschaft zu reden, finde ich doch ein klein wenig übertrieben. Aber vielleicht ist Sherlock einfach eine kleine Drama-Queen.

Auch frage ich mich, was die drei groß gegen mich ausrichten wollen. Ich kann jederzeit in eine andere Welt wechseln, wenn es brenzlig wird. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, mich auf der Stelle mit einer obszönen Geste zum Abschied in eine andere Welt zu verziehen. Ihre Reaktionen zu beobachten, wenn ich mich langsam auflöse, wären sicher höchst amüsant. Allerdings würde ich gerne noch bleiben. Ich gebe zu, dass ich neugierig bin, wieso diese Hampelmänner es für nötig halten, ausgerechnet mich zu entführen. Außerdem habe ich mit dieser Welt noch lange nicht abgeschlossen. Mein Blick verfinstert sich, als ich an Mary Sue denke. Wenn ich jetzt gehe, hat sie gewonnen.

„Was wollt ihr von mir?", will ich wissen und verschränke die Arme. Hoffentlich dauert das hier nicht allzu lange.

„Wir werden dich vernichten", erklärt mir die dritte Gestalt leidenschaftlich. Seine Stimme lässt ärgerlicherweise keinerlei Rückschlüsse auf sein Aussehen oder seinen Charakter zu. Also stelle ich mir vor, dass sein Gesicht von oben bis unten mit Pickeln besetzt ist, und nicke zufrieden. Schon besser.

„Wir kämpfen für eine bessere Welt. Eine Welt, in der wir uns nicht willkürlichen und grausamen Gesetzen unterwerfen müssen", fährt Pickelgesicht euphorisch fort. „Eine Welt, in der wir mitbestimmen können. Eine bessere Welt für uns und unsere Kinder!"

Ich runzle die Stirn. Ob er die Rede vorher geübt hat?

„Das ist schön für euch", sagte ich. „Aber was hat das mit mir zu tun?"

„Das weißt du doch ganz genau, Mary Sue", fährt Sherlock mich wütend an.

Einen Moment lang bin ich sprachlos. Dann bricht ein bitteres Lachen aus mir heraus. Das ist mal wieder typisch. Das erste Mal in meinem Leben, dass sich jemand die Mühe macht, mich zu entführen und dann stellt sich heraus, dass sie es eigentlich nicht auf mich, sondern auf meine Erzfeindin abgesehen hatten. Also wenn das nicht mal ironisch ist, dann weiß ich auch nicht.

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