Kapitel 10
Lexana
Ich streiche noch eine Haarsträhne von Damien aus seine Stirn, ehe ich ihn von mir schiebe. Er setzt sich auf und fährt sich durchs Gesicht. "Du solltest nach Hause gehen, ihr alle und euch ausruhen." Erschöpft nicken alle und machen sich auf den Weg.
Merle kommt zu mir und lächelt mich sanft an. "Du meintest zu Alpha Xander, dass wer zugucken will, auch mitmachen muss. Dürfte ich vielleicht auch so mitkommen? Es würde mich einfach interessieren, eine andere Kultur kennenzulernen." Überrascht blinzel ich sie an. "Ähm, klar. Wollen wir uns heute Abend auf der Lichtung treffen?" Sie nickt aufgeregt. "Vielen Dank. Als Rudelärztin würde ich dich aber bitten, dass du bis heute Abend bitte beim Beta bleibst. Die Nähe seiner Mate wird ihm guttun." Überlegend schaue ich sie an, als ich einen schweren Arm auf meinen Schultern spüre. "Sie hat Recht. Wenn es dem Beta des Rudels nicht gut geht, wirkt sich das aufs Rudel aus. Zwar nicht so sehr wie beim Alpha, aber trotzdem. Du würdest mir sehr damit helfen." Xander grinst mich an, während ich ihn aus zusammengekniffenen Augen anschaue.
"Ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll, dass du inzwischen weiß, wie ich ticke." "Tja, dann hätten wir die letzten Wochen nicht jeden Tag zusammen verbringen dürfen." Zwinkert er mir zu. Lachend verdrehe ich die Augen. "Mal schauen. Erst einmal muss ich hier aufräumen und dann alles für nachher vorbereiten. Wenn dann noch Zeit ist, kann ich ja mal schauen, ob ich mich zu ihm geselle." Xander nickt zufrieden.
Langsam beginnt er zusammen mit Merle wieder zurück zu gehen. Ich schaue mich um und sehe die Rouges noch immer da liegen. Ich gehe zu ihnen und klatsche meine Hände zusammen. Meine Magie verbinde ich mit den Ley-Linien. Diese Energiestränge sind mit den Welten der Götter und Avalon verbunden. Ich schicke über diese Linien ein Gebet an Luna. Jedes Wort lässt die Stränge erbeben. "Luna, mögest du die Wölfe in deinem Reich aufnehmen, sodass sie in den ewigen Jagdgründen umher streifen können." Sobald ich fertig gesprochen habe, kommt eine sanfte Rückmeldung. Ich erkenne die Magie von Luna und weiß, sie hat meine Bitte erhört. Mit einem kleinen Lächeln erzünde ich die Leichen. Wenigstens werden sie es bei Luna gut haben.
Dank meiner Magie ist das Feuer besonders effektiv und es dauert nur ein paar Minuten. Als das Feuer in den letzten Zügen ist, lege ich meinen Arm auf die Brust über dem Herzen und neige meinen Kopf. Dann wende ich mich dem Pentagram zu. Als erstes sammle ich die Kerzen ein und verstaue sie in der Tasche. Der Sack wo vorher das Salz drinne war, halte ich geöffnet vor mir. Den Spruch murmelnd beobachte ich, wie das Salz wieder in den Sack zurück kehrt. So bleibt kein einziger Korn liegen, was ansonsten schlecht für die Natur wäre.
Gerade als ich gehen will, kommen einige Männer, die sich verwirrt umschauen. "Waren hier nicht die Rouges?" fragt der eine. "Sie sind jetzt bei Luna." erkläre ich ihnen. Überrascht schauen sie zu mir. "Aber wir sollten sie doch jetzt verbrennen und hier war auch kein Feuer." merkt ein anderer an. "Mit Magie geht vieles einfacher. Ich glaube als Wölfe würdet ihr den Rauch noch wahrnehmen können." Sie nicken alle, als sie ihre Köpfe neigen. "Vielen Dank. Können wir ihnen noch bei etwas helfen?" "Danke aber nein. Das muss ich alleine machen." Sie nicken alle und verschwinden wieder.
Ich mache mich jetzt auch auf den Weg zu der Lichtung, die Xander meinte. Staunend begutachte ich die Lichtung. Sie ist perfekt für heute geeignet. Nur ein paar größere Steine und Baumstämme müsste ich entfernen. Aber der riesige Stein in der Mitte gleicht dem Stein im Steinkreis auf Avalon. Ihn umkreisend beschaue ich ihn. Der hier ist nur wesentlich kleiner.
Hinter dem Stein sehe ich etwas aufblitzen. Den Stein umrundend erkenne ich zwischen den Bäumen den See wieder. Jap, dieser Ort ist perfekt.
Nach einer Stunde habe ich alles von der Lichtung geräumt, was stören könnte. Stattdessen bin ich jetzt dabei, einen riesigen Ritualkreis in die Erde zu graben. Immerwieder füge ich Runen ein, die diesen Kreis zu etwas besonderem macht. Der große Stein befindet sich in der Mitte des Ritualkreis. Als ich den Kreis schließlich vollende, spüre ich, wie sich der Kreis mit den Ley-Linien verbindet und die Magie von Avalon durchfließt die Fläche des Kreises. Zufrieden atme ich tief durch und genieße die Magie von zu Hause.
Das Pentagram für die Astralprojektion werde ich nachher beschwören. Bis dahin lädt sich der Ritualkreis auch weiter mit Magie auf, wodurch es dann auch leichter geht.
Auf dem Weg zum Beta-Haus schaue ich kurz bei Xander vorbei. Ich klopfe und warte. Nach kurzer Zeit geht die Tür auf "Ja?" "Ich wollte nur kurz Bescheid geben, dass die Lichtung ab jetzt tabu für jeden ist." "Ist gut. Ich gebe allen Bescheid. Gehst du jetzt zu Damien?" er klingt hoffnungsvoll. Zum Himmel schauend spreche ich "Da ich noch circa eine Stunde habe, anscheinend." Xander nickt und verabschiedet sich.
Vor dem Hause atme ich tief durch, ehe ich dann hineingehe. Unwohl, weil ich nicht weiß, was ich jetzt machen kann, stehe ich zwischen Küche und Wohnzimmer. Plötzlich schiebt sich ein Haarschopf über das Sofa. Das Gesicht von Damien hellt sich auf. "Du bist wirklich da." Sein hoffnungsvoller Ton bleibt mir nicht verborgen. Ich seufze auf und setzte mich neben ihn hin.
Sein glückliches, aber auch überraschtes Lächeln beruhigt mich verrückterweise. "Danke." spricht er. Verwirrt schaue ich zu ihm. "Das du mich und das Rudel von dem dunklen Zeug befreit hast." "Das ist meine Aufgabe. Deshalb bin ich hier." sage ich nur. "Trotzdem hättest du das nicht machen müssen. Ich habe gespürt, wie sehr es an deinen Kräften gezehrt hat. Das du gleich alle von uns gemacht hast, dafür danke ich dir."
Irgendwas passiert in mir und ich habe plötzlich Tränen in den Augen. Damien sieht es und nimmt mich in den Arm. "Hey, es ist doch alles gut." Ich schüttel meinen Kopf. "Ich habe einen Fehler gemacht. Euren inneren Wolf habe ich vergessen, wodurch ihr alle Schmerzen gelitten habt. Das hätte mir nicht passieren dürfen." Mit verweinten Augen schaue ich zu ihm auf. "Wie oft hattest du schon etwas mit Werwölfen zu tun?" "Das ist mein erster Auftrag von Luna. Ansonsten gibt mir immer Azrael Aufträge. Bei diesen Aufträgen habe ich mit Azrael, Luzifer, Dämonen, Sensenmännern und der Wilden Jagd zu tun, aber noch nicht mit Werwölfen. Aber das ist trotzdem keine Entschuldigung, zumal ich schon seit Wochen bei euch bin."
"Schön, wenn du so darauf bestehst. Aber selbst wenn du einen Fehler gemacht hast, hast du ihn sofort korrigiert und dabei nicht auf dich selbst geachtet. Und für das nächste Mal wirst du hundertprozentig daran denken. Aus Fehlern lernt man." Seine Worte bauen mich wirklich auf. Zusammen mit seiner warmen Umarmung spendet er mir eine Geborgenheit, die ich vorher noch nie gespürt hatte. Mich an ihn anlehnend genieße ich, wie er seine starken Arme um mich geschlungen hat. Auch Damien scheint es zu genießen, denn er drückt mich näher an sich heran.
Ich weiß nicht, wie lange wir so auf dem Sofa sitzen, doch gibt mir seine Umarmung auch unglaublich viel Kraft. Doch plötzlich lässt mich ein Ziehen aufschauen. Mit einem Blick aus dem Fenster erschrecke ich. Die Sonne ist dabei unter zu gehen. "Scheiße." entschlüpft es mir. Nun schaut auch Damien alarmiert auf. "Was ist?" erkundigt er sich besorgt. "Die kommende Nacht ist Beltane. Für uns Bewahrer eine besondere Nacht. Wir feiern durch und begrüßen dann die aufgehende Sonne und somit den Sommeranfang beziehungsweise die schöne Jahreszeit." Da mich Damien immer noch verwirrt anschaut, erkläre ich weiter "Wahrscheinlich kennst du es auch als Walpurgisnacht oder Tanz in den Mai. Die Kraft des Lichts wird stärker und damit auch unsere Magie. Wir bekommen sozusagen einen Booster. Deshalb hat es mich auch nicht so besorgt, dass ich meine Magie heute so aufgebraucht habe, auch wenn ich mich immer an den Ley-Linien bedienen kann." Verstehend nickt Damien.
Mein Blick wandert wieder zum Fenster. Damien bemerkt es und steht auf. Er hält mir seine Hand hin. "Na komm, ich bringe dich zu der Lichtung." Überlegend schaue ich auf seine Hand, ehe ich sie ergreife und mich von ihm hochziehen lasse.
Stillschweigend legen wir den Weg zurück. Vor dem Ritualkreis steht schon Merle und schaut sich unwohl um. Als sie mich sieht, atmet sie auf. "Irgendwas hat sich hier verändert." Ich schmunzel "Ich habe den Ort mit den Ley-Linien verbunden und damit mit Avalon. Für jemand der nicht auf Avalon aufgewachsen ist, fühlt sich die Macht verwirrend an." Vor beiden stellen ich mich auf. "Ich kann nur einen von euch beiden nach Avalon mitnehmen, wenn ich per Astralprojektion reise." merke ich an. "Alles gut, ich bleibe hier und passe darauf auf, dass keiner in den Kreis kommt." erklärt gleich Damien. Überrascht, dass er nicht mit will schaue ich zu ihm.
"Okay. Merle, ein paar Regeln. Nur während der Astralprojektion wirst du den Ritualkreis betreten. Sobald du wieder hier bist, wirst du sofort den Kreis verlassen, da die dann freigesetzte Macht zu viel für dich werden würde. Geht lieber beide dann am besten ein paar Meter weg. Außerdem darfst du niemand etwas erzählen, zeigen oder sonst etwas, was du auf Avalon siehst, hörst oder erfährst. Wirst du dich daran halten?" frage ich sie ernst. Merle überlegt nur ein paar Sekunden ehe sie nickt. "Ich werde niemandem etwas erzählen. Aber eine Frage habe ich noch, was ist eine Astralprojektion?" Ich lächle und betrete den Kreis, um für die Astralprojektion alles vorzubereiten. "Astralprojektion bedeutet, dass wir unseren Geist auf eine Reise schicken werden. Wir werden uns auf Avalon manifestieren, naja ich mehr als du. Da ich dort herkomme, wird es so sein, als wäre ich wirklich dort. Du allerdings kannst alles sehen und hören und auch mit den anderen sprechen, doch du wirst zum Beispiel nichts essen oder trinken können, weil eben nur dein Geist da ist. Man könnte auch sagen, deine Seele wird nur da sein." Bei meinen Worten schaue ich besorgt auf.
Die letzte Kerze stelle ich hin und trete auf Merle zu. "Da du dir deine Seele mit deinem Wolf teilst, kann es sein, dass ihr euch beide dort manifestiert. Wenn der Zauber zu schmerzhaft wird, weil er versuchen wird deine beiden Gestalten zu manifestieren, dann lass meine Hände los. Ich habe den Zauber noch nie mit jemanden gemacht, der mehr als eine Seele in sich beherbergt. Wenn du mich loslässt, brichst du den Zauber ab und deine Seelen kehren sofort in deinen Körper zurück. Versprich mir, dass du mich loslässt, wenn es für dich nicht mehr geht." fordere ich sie auf. Sie nickt aufgeregt und wischt sich ihre Hände an ihren Beinen ab.
Ich wende mich wieder den fünf Kerzen zu, die die Spitzen des Pentagrams bilden werden. Ich zeichne einige Runen in den Boden, ehe ich mich hinsetze und Merle andeute sich mir gegenüber zu setzten. Als sie sitzt, ergreife ich ihre Hände und lächle sie aufmunternd an. Dann wandert mein Blick zu Damien, der es sich als Wolf neben dem Ritualkreis gemütlich gemacht hat. Schließlich beginne ich mit dem Zauber.
Silbrige Fäden bilden sich zwischen den Kerzen und bilden das Pentagram. Die Runen leuchten in einem goldton auf. Ich spüre die Kraft von Avalon, wie sie meinen Geist umschmeichelt und mitziehen will. Merle nicke ich ein letztes Mal zu. Dann schließe ich meine Augen und lasse meinen Geist nach Hause zurückkehren.
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