Das Serum
Als ich beim Frühstück ankam, fragte Jo mich sofort: ,,Das ist nicht dein Pulli, oder?" ,,Nein", antwortete ich zögernd, ,,Der gehört Chriz." Four glotzte mich merkwürdig an, so nach dem Motto: Warst du mit ihm im Bett oder was? Keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte. Auch Eric musterte mich erstaunt, doch sein Blick wanderte immer wieder zu meiner Schwester rüber. Ich sah erst Eric fest in die Augen, dann nickte ich knapp zu Rina rüber, woraufhin er nur fast unmerklich den Kopf schüttelte. Daraufhin nickte ich. ,,Oh", fiel mir dann wieder ein, ,,Rina, dad hat die Twins-Prozessoren fertig gestellt." ,,Was wirklich?", fragte Rina strahlend. Ich öffnete den kleinen blauen Rucksack und fischte eines der kleinen Teile vorsichtig heraus. ,,Mum hat... hat gesagt, sein letzter Wunsch war, dass wir sie bekommen." Rina hörte auf zu strahlen und sah mich erschrocken an. ,,Aber", fragte sie stockend, ,,Konnten sie dieses mal wirklich gar nichts mehr tun?" Ich schüttelte nur kurz den Kopf, dann nahm ich Zwilling in den Arm. ,,Das tut mir leid", meinte Jo und legte vorsichtig eine Hand auf meinen Rücken. ,,Mir auch", meinte dann Eric. ,,Mir auch", murmelte Four betreten und knabberte weiter an seinem Toast. ,,Es wäre irgendwann so oder so passiert, die Frage war nur wann", meinten Zwilling und ich gleichzeitig und wischten uns gleichzeitig jeweils eine einzelne Träne aus den Augen. Nach dem Frühstück hatten alle ein Bisschen Freizeit, bevor das Training weiter gehen würde. Also gingen wir fünf in eine ruhige und einsame Ecke, wo Zwilling und ich die Twins-Prozessoren auspackten und sie aufklappten. Sie wuchsen ein Stück und es bildete sich eine Holotastatur. Auf dem Bildschirm stand: Bitte Passwort festlegen. Ich tippte einen bestimmten Namen ein, genau wie Rina und schon erschien der Menübildschirm. Ich sah kurz Rina an, die nickte und schon öffneten wir den Zugang zum Server der Ferox. Die Firewall war ziemlich einfach zu knacken. Wir tippten die ganze Zeit wie wild auf den Tastaturen, während die anderen uns neugierig über die Schulter schauten. Dann waren wir endlich im System. Schnell hatte ich die Tafel gefunden und verschob Rinas Namen eine Reihe über die rote Linie, während sie verhinderte, dass man unseren Eingriff ins System bemerken könnte. ,,Alles klar, dass hätten wir", meinten Rina und ich gleichzeitig und klatschten uns ab, während die anderen drei uns fasziniert anglotzten. ,,Gibt es auch eine Möglichkeit, auf die privaten Datenbanken der Ken zuzugreifen?", fragte da Eric, ,,Meine Eltern haben mir geschrieben, da sei was im Gange." Ich wunderte mich, aber Rina und ich öffneten den Zugang zu Jeanines persönlichem Hauptserver und stutzten, als wir eine geheime Datei entdeckten. Wir öffneten sie und darin war die Strucktur eines Serums abgebildet. ,,Ach du Kacke", murmelte ich und war schon total in diese Aufzeichnungen vertieft, ,,Das soll ein Serum werden, um die Gefügsamkeit zu steigern!" ,,Aber Tante Jeanine hat doch immer gesagt, dass Serum, das sie entwickelt, wird einmal alle Krankheiten heilen können!", meinte Zwilling erschrocken. ,,Was hat das zu bedeuten?", fragte Jo verwirrt. ,,Das bedeutet, dass Jeanine ihre eigene Armee herstellen will und das wahrscheinlich aus uns Ferox", antwortete Four, ,,Könnt ihr die Pläne denn nicht irgendwie zerstören oder löschen?" ,,Wir könnten was dadrin durcheinander bringen, aber dazu müssten wir ins Kontrollzentrum der Ken", antwortete ich daraufhin. ,,Und worauf warten wir dann noch?", fragte Eric. ,,Wir können da nicht einfach so reinspazieren, wir müssen erst irgendwie mum bescheid sagen, damit sie die Überwachungskameras abschalten kann. Außerdem hat Jeanine in 7 Tagen Geburtstag, weshalb dort diese Woche die Hölle los sein wird und wir müssen durch bis zum Hauptserverraum, wo die Daten gespeichert sind. Wir können die Störung nämlich nur von dort einschleusen", erklärte Rina überraschender Weise. ,,Das heißt, wir dürfen jetzt eine Woche Däumchen drehen und nichts tun?", rief Jo etwas zu laut aus, weshalb Zwilling und ich uns schnell jeweils einen Finger an die Lippen drückten. Wir würden auf jeden Fall alles tun, was möglich sein würde, doch es würde nicht einfach werden. Die Daten des Hauptservers von Jeanine zu lesen war die eine Sache, sie zu zerstören eine ganz andere. Sie hatte nämlich verdammt gute Leute in der IT-Abteilung, wovon einige das System mit entwickelt hatten und die waren hauptsächlich dazu da, um Zerstörungsprogramme von Hackern abzuwehren. Und das konnten alle wirklich ziemlich gut. Dazu kam noch, dass wir das Zerstörungsprogramm erstmal erstellen mussten und das würde ja auch nur einen minimalistischen Teil der Pläne durcheinander bringen können, weshalb wir es immer wieder senden würden müssen. Und um das Zerstörungsprogramm zu erstellen müssten wir erstmal eine komplett neue genetische Formel aufstellen und die zu dem Zerstörungsprogramm ins System schleusen. Wir machten uns also erst kurz auf in den Schlafraum, wo Rina und ich die Prozessoren versteckten, dann mussten wir zurück zum Training. Dort angekommen bot Eric an, Rina ein paar Tricks fürs Schlagen bei zu bringen, wofür ich relativ dankbar war, denn ich brauchte etwas Zeit für mich. Also ging ich zu einem der Sandsäcke und schlug ein Bisschen auf das Ding ein, als ich spürte, wie jemand hinter mir stand. Ich drehte mich halb um und erkannte Chriz, der zufrieden lächelte. ,,Sieht doch schon relativ gut aus", meinte er dann, ,,Aber ich habe so den Verdacht, dass du und Rina für den kleinen Hackerangriff vorhin verantwortlich wart." Erschrocken drehte ich mich ganz zu ihm um und fragte: ,,Woher weißt du das?" ,,Ich kenne deine mum schon seit Ewigkeiten, immerhin war sie mal eine Ferox. Sie ist erst zu den Ken, als sie sich in euren Vater verliebt hatte. Sie hat mir erzählt, dass ihr die besten im IT-Bereich seid." Mir ging ein kleines Licht auf. ,,Komm nach dem Training zu mir hoch, wir müssen reden", murmelte er noch, dann verschwand er und ich vermöbelte weiter den unschuldigen Sandsack. Er wusste schon sehr viel. Die Frage war, wie viel wusste er genau?
Das Abendessen ließ ich sausen, genau wie Chriz auch, und ging zu ihm hoch in die Bude. Dort stand er ganz entspannt auf seinem Balkon und sah über die Stadt, die im Licht der Dämmerung wie eine Geisterstadt wirkte. ,,Was genau wolltet ihr denn durch euren kleinen Hackerangriff bewirken?", fragte Chriz mich direkt, als ob er Augen im Hinterkopf hätte! Voll gruselig. ,,Wir wollten eigentlich nur Rina über die rote Linie bringen, damit sie nicht fraktionslos wird oder so, aber wir haben etwas erschreckendes raus gefunden", antwortete ich wie mit Zwilling noch abgesprochen, ,,Unsere Tante Jeanine entwickelt ein Serum zur Steigerung der Gefügsamkeit." ,,Was?", fragte Chriz entsetzt, ,,Bist du dir da auch ganz sicher?" ,,Absolut", antwortete ich, ,,Wir können vom Hauptserverraum der Ken aus ein Zerstörungsprogramm ins System schleusen und dadurch die Formel durcheinander bringen, aber komplett löschen können wir die Daten leider nicht." Das schien Chriz gar nicht mal so sehr zu überraschen, dass man es nicht komplett zerstören konnte. ,,Darf ich mal dein Tattoo sehen?", fragte er mich überraschender Weise. Ich trug noch einen Sport-BH drunter, also zog ich mein Top aus und enthüllte meinen Rücken. Ich spürte seine kühlen Finger auf meiner Haut während er die einzelnen Symbole nach zeichnete und seinen warmen Atmen, der mich im Nacken kitzelte. ,,Was hast du eigentlich für ein Tattoo?", fragte ich. ,,Auch die fünf Fraktionen, aber in einem anderen Muster", antwortete er und seine Finger entfernten sich von meiner Haut, die an den Stellen wo er mich berührt hatte, kribbelte. Ich zog mir schnell das Top wieder an, während Chriz das schwarze Tuch was er immer um den Arm gewickelt hatte, abnahm. Tatsächlich die fünf Fraktionen. Alle zu einem endlosen Kreis verbunden. ,,Bist du...?", setzte ich zu einer Frage an. ,,Unbestimmt, genau wie du", beantwortete er meine unausgesprochene Frage. Er war tatsächlich wie ich. Er war tatsächlich unbestimmt! Ich hatte keine Ahnung, warum ich das tat, was ich als nächstes tat, doch ich streckte mich das letzte Stückchen zu Chriz hoch und küsste ihn zögernd. Erst befürchtete ich, er würde mich wegschieben und nie wieder ein Wort mit mir reden, doch er zog mich dichter zu sich ran und erwiderte den Kuss. In meinem Bauch flatterten so viele Schmetterlinge, dass ich für einen kurzen, wunderschönen Moment sogar Jeanine und das Serum und alles andere vergaß...
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