58. Rosen und Wölfe

Sie sollte nicht hinschauen, ja durfte nicht hinschauen. Sie war Sigtryggur aus einem guten Grund aus dem Weg gegangen. Denn hatte sie es doch das letzte Mal, als sie mit ihm Kontakt hatte um ihn den zweiten Brief an ihren Bruder zu übergeben, gemerkt wie ihre Knie schwach wurden und sie sich einfach nur in seine Armee schmeißen wollte. Nein, das konnte sie einfach nicht. Und allein schon ihm zuzusehen schmerzte sie mehr als nur ein bisschen. Dabei zuzusehen, wie er sich geschwind und voller Eleganz durch die Männer kämpfte. Es schien an ihrem Herz zu reißen, ihn so zu sehen. Sie wollte zu ihm gehen und ihn einfach nur küssen, ihm vergeben und dann am besten noch mit ihm schlafen...
Verdammt!

Er hatte sie ruiniert, so viel war ihr schon einmal klar. Sie zweifelte nämlich doch ganz gewaltig daran, dass sie jemals einen anderen Mann als ihn in ihr Bett lassen würde.

Sie zog leicht an ihrem Arm in der Hoffnung, dass Siggy sie loslassen würde. Wollte sie doch nichts anderes als fliehen und ihm nicht mehr zusehen. »Könntest du mich loslassen? Ich muss mir das wirklich nicht anschauen...« versuchte sie sich loszumachen. Doch Siggys Griff blieb eisern, während sie begann zu sprechen. »Wusstest du, dass er noch hier ist, ist sehr ungewöhnlich. Die meisten der Männer sind schon aufgebrochen, die Grenze zur Weißwüste zu sichern. Früher ist er immer mit an vorderster Front geritten, nun plant er einige Tage nach Reds Ankunft aufzubrechen, mit den restlichen Männern. Er hofft auf eine Entschuldigung von dir. Ich bin mir sicher, dass solltest du ihn nur fragen, er den Krieg für dich beenden würde. Du müsstest es nur richtig anstellen«, sagte Siggy. Molly zweifelte wahrlich daran, dass Sigtryggur den Krieg für sie beenden würde. Nicht, wenn es noch nicht einmal zuließ, dass sie mit ihrem eigenen Bruder reden durfte.

»Das bezweifel ich...«, schnaubte Molly.

»Bist du dir sicher? Hast du denn noch mal mit ihm geredet? Bei mir hilft es immer, wenn ich Sigurd verführe, dann kriege ich im meisten fall immer, was ich will. Du musst nur deine Karten richtig spielen«, grinste Siggy verrucht, bevor sie Molly losließ und hinüber zu Sigurd schlenderte, der anscheinend mit dem Training durch war.

Molly wollte gerade schon erleichtert die Flucht antreten, als Sigtryggur auf sie zukam. Sie schluckte hart, wusste sie doch das es nun kein entkommen mehr gab, wo er sie nun gesehen hatte. Warum hatte sie nur ihr Zimmer verlassen???

»Molly« grüßte er sie, als er vor ihr stand. Er hatte dunkle Ringe unter den sonst so strahlend blauen Augen und auch sonst sah er ziemlich ausgezehrt aus. Sachen, die ihr von weiter weg nicht aufgefallen waren.

»Mein König«, grüßte sie ihn gezwungenermaßen, da sie sich weigerte, ihn bei seinem Namen zu nennen. Sie spielte quasi genau dasselbe Spiel wie mit Ferdinand, der nur zu gerne von ihr mit Vater angeredet werden wollte. Eins hatten die beiden auf jeden Fall gemeinsam, sie waren beide mordende Schweine!

Sigtryggur verzog sein Gesicht, als er ihre Anrede hörte. »Können wir reden?«, fragte er sie. »Ich weiß nicht, können wir das?«, fragte sie fast augenblicklich schnippisch zurück. Es half, wenn sie so tat, als wenn sie wütend auf ihn wäre, dann würde er zumindest nicht sehen, wie doll er sie doch verletzt hatte.
Er packte sie und zog sie mit sich. »Hey, lass mich los!« protestierte sie wütend. Sigtryggur hörte jedoch nicht auf sie und riss sie einfach weiter, bis die beiden in einem dunklen Flur standen. Was hatte Siggy noch gleich gesagt, sie solle mit ihm reden. Nur wie, wie sollte sie sich konzentrieren, wenn sein Körper sich gegen ihren presste? Wie, nur wenn es sie an ihr erstes Mal zurückdenken ließ...
»Bitte lass mich los«, flüsterte sie. Sie hasste es, wie schwach und klein sie auf einmal klang.
»Erst, wenn du mir versprichst, nicht wegzulaufen.«
»Gut, ich verspreche es, jetzt lass mich los! Bitte...«, setzte sie noch dazu, als er nicht augenblicklich von ihr zurücktrat.

»Ich hab dich Tage nicht gesehen«, sagte er.
»War beschäftigt«, kam ihre knappe Antwort.
»Molly bitte...«, flüsterte er. »Gut lass den Krieg gegen meinen Bruder und wir beide können versuchen wieder zueinander zu finden.« Sigtryggur schnaubte.
»Ich könnte mir auch einfach, nehmen, was ich will. Mich zu dem Monster machen, was dein Bruder in mir zu sehen scheint.«, seine Stimme war rauer geworden und er war ihr gefährlich nah gekommen.
»Lass den Mist!«, zischte sie, obwohl auf einmal ihre Knie sich anfühlten wie weiche Butter und ihr Mund auf einmal ganz trocken war.

»Ich könnte einfach deinen Bruder und seine Männer zerschlagen und danach könnte ich zurückkommen. Du würdest natürlich deine Zeit brauchen mir zu verzeihen, doch das würdest du in ein paar Jahren. Dir bleibt schlichtweg keine andere Wahl.«
»Hör auf damit, du machst mir Angst.«, flüsterte sie. Sie hatte sich so dicht wie möglich gegen die Wand gedrückt, nur um ihm zu entkommen.

»Siehst du denn nicht, dass ich wirklich alles versucht habe, diesen Krieg zu verhindern? Er hat einen meiner Männer getötet, den Überbringer einer Nachricht. Eines Friedensangebots und er hat ihn umgebracht! Schlimmer noch, er marschiert in Richtung Krevmja. Doch du scheinst das nicht zu sehen oder vielleicht willst du es auch gar nicht sehen... Dein Bruder ist es, der den Krieg begonnen hat, der förmlich danach gebettelt hat. Ich habe wirklich alles getan...«
»Außer das offensichtliche«, fiel Molly ihm ins Wort.

»Und was wäre das?«, knurrte er. Sie machte einen Schritt von der Wand weg, auf ihn zu.
»Mit ihm zu reden. Keiner von euch beiden hat miteinander geredet. Ihr könntet das alles verhindern, wenn ihr euch nur zusammen setzten würdet...« versuchte Molly ihm vor Augen zu führen. Sie machte noch einen Schritt auf ihn zu. Streckte eine Hand aus, um ihn an seiner Wange zu berühren. »Tu es für mich, für uns, damit wir nicht in einer unglücklichen Ehe festsitzen.« , sie schaute ihm in seine Augen. Versuchte ihm zu vermitteln, was sie ihm nicht sagen konnte. Bitte, ich glaube, ich liebe dich. Tu mir das nicht an. Doch er wand sich nur ab und ging zurück in Richtung des Platzes. »Dafür ist es zu spät.«

»Mein liebes Kind«, Molly sah sich auf der Lichtung um, auf der sie stand. Sie erkannte Schemen, die in der Dunkelheit zu tanzen schienen und der Waldteppich unter ihren Füßen schien mit jedem Schritt, den sie tat zu leuchten.

»Vater?«, fragte sie unsicher in die Dunkelheit hinein.
»Bist du das?«
»Du trägst das Zeichen anderer Götter um deinen Hals«, flüsterte die Stimme aus der Dunkelheit heraus.

»Nein, du verstehst das nicht ...« versuchte sie zu sagen, während sie gleichzeitig eine Hand um den Cagi schloss. Sie sollte ihn von ihrem Hals reißen. Doch etwas hinderte sie daran.
»Mein Kind, du hast lange nicht mehr zu uns gebetet. Uns zu gehört, nun sind wir eigentlich an der Reihe, dir nicht zuzuhören.« Die Schemen schienen zusammen zu schmelzen und auf einmal schien alles klar dort zwischen zwei blutroten Bäumen mit weißen Blättern stand ihr Vater.

Sein Gesicht war jedoch in kein Lächeln verzogen, wie sie es sich erhofft hatte, nein es war ernst und seine braunen Augen wirkten einfach nur traurig.
»Vater ...«, flüsterte Molly und machte einen Schritt auf ihn zu. Er hob die Hand.

»Nicht du darfst nicht weiter gehen. Wenn du es tust, kannst du nicht mehr zurück. Bleib schön im Kreis.« Molly blieb abrupt stehen.
»Was soll ich nur tun, Vater?«
»Wie verbindet man zwei Stämme am besten?«, fragte ihr Vater sie. Sie schüttelte den Kopf, sie hatte keine Ahnung.

»Durch eine Heirat mein Kind. Durch einen Beweis das es der einen Partei so wichtig ist wie der anderen. Vielleicht hättest du nicht an deinen Bruder schreiben sollen. Dein Bruder ist ungezügelt und halb verrückt, vorsorge, doch in unserer Kultur steht jemand über ihm und eurer Mutter, wer ist das?«

Sie starrte ihren Vater an ...
»Die Königin...«
»Die Frau deines Bruders trägt ein Kind unterm Herzen, es gäbe keinen besseren Zeitpunkt ...«, sagte ihr Vater.
»Wie meinst du das?«, fragte sie verwirrt.
»Du wolltest doch eine Antwort auf deine Frage...«, sagte er ruhig.
»Welche Frage?«, rief Molly verwundert.
»Es wird ein Mädchen sein und sie wird die Beschenkten und die Heiden vereinen.«, sagte er feierlich.

Auf einmal begann um Molly herum sich alles zu drehen und zu flackern. Immer wieder blitzte helles Licht vor ihren Augen auf und Molly setzte sich mit einem erstickten Schrei in ihrem Bett auf. Ihre Hand fuhr zu ihrem Bauch und sie musste einen weiteren Aufschrei unterdrücken. Er hatte ihre Frage beantwortet. Sie war schwanger und es würde ein Mädchen sein.

Die Tür flog auf, gerade als Molly sich halbwegs beruhigt hatte. Sie schmiss vor Schreck mit dem Kissen nach dem Eindringling, das sie gegen ihre Brust gepresst hatte.
»Molly?«, fragte Sigtryggur immer noch von der Tür aus.
»Ich hab dich schreien gehört. Ist alles in Ordnung?« Nein wollte sie sagen, nichts ist in Ordnung und du machst es nicht gerade besser mit deiner sturen Art. Dennoch nickte sie nur. »Alles gut. Ich hatte nur einen schlechten Traum. Geh wieder Schlafen.« Versuchte sie ihn wegzuschicken. »Möchtest du darüber reden?« Nicht mit dir! Wollte sie sagen, doch sie wusste, dass das ein Versuch, seiner seits war, die Wogen wieder zu glätten und oh wie sehr sie das wollte.

»Na gut«, langsam trat er in den Raum und setzte sich auf das Sofa. Er sah nicht so aus, als wäre er überhaupt aus seiner Kleidung gekommen. Sie zog sich den Morgenmantel über, den er ihr hatte anfertigen lassen, ein weiterer Versuch einer Versöhnung seiner seits.
»Er steht dir...«kommentierte Sigtryggur als sie sich mit genügend ab stand neben ihn setzte.

»Mhm«, sagte sie nur.
»Also, worum ging es in deinem Traum, dass du so geschrien hast?«
»Um meinen Vater«
»Gut verständlich, würde ich von König Ferdinand träumen, würde ich wahrscheinlich auch kreischend aufwachen.«
»Ich meinte nicht König Ferdinand. Ich meine meinen echten Vater und eigentlich war der Traum«, sie überlegte kurz. »Sehr Aufschluss reich.«
»Ach ja, wie das?«, fragte er sichtlich neugierig.

»Ich habe eine Antwort bekommen auf eine Frage, die mich schon sehr lange plagt.«
»Aus deiner Vergangenheit?«, sie nickte, nur hatte sich in ihrem Kopf schon ein Plan gebildet. Sie würde diesen verdammten Krieg verhindern ... Myra würde ihr dabei helfen, ganz bestimmt sogar.

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