2. Wölfe und Kronen

Es war wie ein jucken unter ihrer Haut, als sie leicht vor und zurück wippte. Neben ihr stand Sigtryggur, der so aussah, als wollte er sie am liebsten durch Schütteln. »Könntest du bitte aufhören, so herum zu wippen?«
»Nein, es beruhigt mich...«, sagte sie daraufhin. »Du lernst nur meine Schwester kennen. Kein grund so panisch zu sein.«
Sie wollte schon sagen, dass das nicht der Grund für ihre Nervosität war, biss sich dann jedoch in die Unterlippe nur um nichts Dummes zu sagen und hibbelte einfach weiter.
»Molly«, begann er und berührte sie an den Oberarmen, drehte sie zu sich. Fast augenblicklich erstarrte sie. Wollte sie doch zu gerne einfach seine Hände von sich stoßen, damit sie das Kribbeln nicht fühlen musste, was sich auf ihrer Haut ausbreitete.
»Nimm deine Finger weg. Du weißt, dass ich es nicht mehr mag, wenn du mich anfässt.«, zischte sie.
Er machte einen Schritt auf sie zu.
»Oh ich glaub du magst es immer noch sehr wohl und das macht dir Angst.«, sie knurrte nun doch Sigtryggur ließ von ihr ab, als das Tor sich mit einem knarren öffnete.
Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, vielleicht wie ihr Bruder sich auf sie stürzen würde und ihr versprechen würde, dass kein Leid ihr widerfahren würde. Vielleicht hatte sie auch damit gerechnet, dass er Sigtryggur angreifen würde. Womit sie nicht gerechnet hatte, war das...
Nichts... Schlicht und ergreifend, er küsste ihre Hand, grüßte sie, als wäre sie eine Fremde, der er Respekt zollen musste und nicht seine Schwester.
»Es ist mir eine Freude eure Bekanntschaft zu machen euer Gnaden.«, Molly musste an sich halten, damit ihr Mund nicht auf klappte vor lauter Entsetzen. Denn das war Johnathan, sie wusste es, sobald sie ihm in die Augen sah. Und er, er schien sie nicht zu erkennen. Sie wollte ihn anschreien doch sie wusste das das keinen guten eindruck machte und ihren vielleicht einzigen trumpf den sie hatte verraten würde.

»Die Freude ist ganz meinerseits.«, sagte sie daher nur verbissen. Sie würde mit ihm reden, doch nicht hier und auch nicht jetzt, wenn alle Augen auf die beiden gerichtet waren und sie nicht einmal wusste, ob Johnathan aus freien Stücken hier war, er könnte von Red gezwungen worden sein, hierher zu kommen. Oder er kommt aus freien Stücken, flüsterte eine Stimme, die leicht wie Biest klang. Vielleicht will er genauso Frieden schließen wie wir...

Red trat auf sie zu, Molly wusste nicht, was sie von Sigtryggurs Schwester erwartete. Sie musterte Molly kurz aus harten, kalten Augen, die genauso blau waren wie die ihres Bruders. »Djel at hartje.«, sagte sie mit hart klingender Stimme. Ein Schauer rann über den Rücken der Rothaarigen. Das klang ganz und gar nicht freundlich oder gar erfreut.

»Rede in ihrer Sprache, Red du hast sie gelernt.«, sagte Sigtryggur nun, er sah wenig begeistert aus von dem, was gesagt wurde. »Fjer le cumba Sigtryggur.«, sagte die Frau, bevor sie sich erneut Molly zuwandte. Die die Zeit nutzte, als diese mit ihrem Bruder sprach, um die Frau zu mustern. Sie hatte braune Haare, die sie mit Hilfe eines Knochens zusammengesteckt hielt, auch lecker.
»Es freut mich dich in unserer Familie begrüßen zu können.«,sagte sie und ergriff Mollys Hand, ihre Fingerspitzen bis zu dem ersten Knöchel waren komplett Schwarz, ein schneller Blick zu ihrer anderen Hand die auf einer Axt ruhte, sagte Molly das beide ihre Hände, so komisch schwarz waren.

Vielleicht war es eine Krankheit? Bei dem Gedanken musste Molly sich unwillkürlich schütteln. Sie hatten die Fyr Pocken vor einigen Jahren im Kloster gehabt, angeblich war sie durch Ratten übertragen worden, aber im Nachhinein war Molly sich ziemlich sicher, dass es der Händler aus Soxx gewesen war, der die Fyr Pocken mitgebracht hatte. Sie hatte viele Nonnen das Leben gekostet.

Molly hatte sich mit den anderen Novizinnen zusammen um die Kranken gekümmert. Unter anderem hatten sie auch die Aufgabe gehabt, die Leichen zu vergraben, als die Krankheit ihren Höhepunkt erreicht hatte, mussten die Mädchen Massengräber ausheben, weil sich so viele Leichen angehäuft hatten, und zwar nicht nur aus dem Kloster. Sondern auch aus dem Dorf nah des Klosters.
»Sie scheint nicht wirklich gut zu sein, Bruder, recht blass, wenn du mich fragst.«, sagte Red abschätzig. Sie ignorierte Molly komplett. »So ein kränkliches Ding, du hättest jemand anderes als deine Erwählen sollen. Sie ist doch nicht mal fähig ein Schwert zu schwingen oder?«

»Ich bin dafür sehr fähig darin, dir deine Kehle mit meinen Zähnen herauszureißen!«, zischte Molly, sie wusste nicht einmal, woher die Worte kamen oder dass sie wie ein grollen klangen, gar nicht wie sie sonst klang.
Die Frau musterte sie erneut mit einem abschätzigen Lächeln.
»Du ach bitte. Du bist ein Kind. Ich verstehe nicht, wie mein Bruder dich heiraten konnte!« Molly war kein Kind mehr, schon lange nicht mehr, Ferdinand hatte dafür gesorgt. Er hatte dafür gesorgt, dass sie die Schrecken seiner Herrschaft kannte. Und sie dem Kloster entrissen, wo sie zumindest so etwas Ähnliches wie eine Kindheit hatte. Nur um sie Sigtryggur zu übergeben wie ein Geschenk, mit Schleifchen und allem, Pah! Die Frau wusste nicht, wen sie hier als schwach bezeichnete.
»Wirklich Bruder!«, wand sie sich wieder Sigtryggur zu.
Molly hatte genug von all dem. Sie wollte doch einfach nur ihre Familie. Biest in ihr begehrte auf einmal auf. Die Wölfin dachte selten in Worten, es wahren Gefühle. Sie fühlte so etwas wie Wut nur sehr selten.

Biest fühlte Hunger, das verlangen zu Rennen, zu Kämpfen, Beute zu reißen. Sie verlangte nach der Jagd...
Molly verweigerte dieses Verlangen normalerweise, wusste sie doch, was in Cysbay passiert war, doch gerade in dem Moment wollte sie nur zu gerne nachgeben.

Wie hieß es noch gleich, ein Wildhund kann dir im ersten Moment auch die Hand lecken und dir im nächsten an die Kehle gehen.
Diese Frau schien nicht einmal die Gefahr zu merken, in der sie sich befand, doch Sigtryggur schien sie sehr wohl zu bemerken.
»Schwester bitte«, versuchte er seine Schwester dazu zu bewegen, mit ihrer Schimpftirade zu stoppen.

»Und so knochig wie sie ist, wird sie nie in der Lage sein, dir Kinder zu gebären. Sie wird keine gute Herrscherin sein, das sage ich dir gleich!«, fauchte die Frau weiter.
Molly reichte es! Biest ebenfalls!
»Sigtryggur entweder du bringst deine Schwester zum Schweigen oder ich werde es tun!«, knurrte Molly warnend. Sigtryggur schaute zwischen den beiden Hin und Her. Wobei Molly den Zorn in seinen Augen sehen konnte und war sich ziemlich sicher, dass sie später noch Ärger bekommen würde. Doch in dem Moment war ihr das mehr als egal!

»Es reicht, ihr beiden. Red ich möchte mit dir reden.«
»Meine Männer brauchen noch eine Unterkunft, Bruder. Und jemand, der ihnen diese zeigt. Und ich bezweifle, dass deine kleine Braut dazu in der Lage ist.« Ok, das war es, Biest brach sich mit brachialer Gewalt einen Weg aus ihr heraus, Mord schien ihr einziger Gedanke zu sein.

JOHNATHAN

Reds Bruder kennenzulernen war etwas, womit Johnathan nie gerechnet hatte. Gut er hatte damit gerechnet, dass es irgendwann passieren würde, er hatte nur nicht mit, sobald gerechnet. Eigentlich sollte es für ihn auch nur ein kurzer Stopp werden, er wollte weiter an die Front ziehen, wo sein Bruder immer noch gegen die Krieger Kundras ankämpfte, zumindest soweit er wusste, es war schon eine Weile her das sie etwas von Robin gehört hatten.
Oder die Briefe, die er geschrieben hatte, wurden abgefangen, er wusste es nicht.
Red war schon die ganze Zeit, seit sie wusste, dass ihr Bruder eine Nonne geheiratet hatte, wütend auf besagte Nonne. Sie hasste die Menschen, die an Kundra und seine Regeln glaubten, mit einem unglaublichen Starrsinn, den Johnathan nicht ganz verstand.

Meinte, sie würden nie richtig leben, wenn sie immer zu allem Ja und Amen sagten, was in Kundras Buch als falsch oder richtig dargestellt wurde. Red hatte einen Tobsuchtsanfall bekommen, als sie erfahren hatte, dass er es wirklich durchgezogen hatte und die Nonne geheiratet hatte.

Johnathan konnte das rothaarige Mädchen, das neben Reds Bruder stand, nur bemitleiden. Sie sah nicht so aus, als wollte sie hier sein. Sie war blass und unter ihren Augen waren dunkle Ringe, die fast schon schwarz wirkten.
Ihr Körper selbst wirkte drahtig, so als hätte sie lange nicht genug zu essen bekommen.

Der Herzschlag des Mädchens schlug etwas zu schnell, vor allem als sich ihre Blicke kurz trafen. Sie hatte blaue Augen, die nur so vor Leben zu sprühen schienen. Ihre roten Haare trug sie offen und im Licht der Sonne könnte man es glatt für die Haarfarbe seiner Mutter halten.

Er vermisste sie, sehr sogar, doch Robin brauchte sie auf dem Schlachtfeld mehr als Johnathan sie in Hornwood Castel gebrauchen konnte. Dank mehreren Zaubern von Red war die Ruine sogar immer warm und es regnete auch nirgendwo mehr rein. Es war ein sicheres Versteck für all die Beschenkten, die in Süd-Eoferwyk nicht mehr willkommen waren oder diejenigen, die durch die Krieger Kundras ihr Zuhause verloren hatten.

Er dachte kurz an seine Schwester, Angela, die momentan das Kommando über Hornwood Castel hatte, zumindest so lange bis Myra sich wieder in der Lage dazu fühlte. Gerade jetzt wo sie doch ein Kind unter ihrem Herzen trug schien es ihr immer Schlimmer und schlimmer zu gehen.
Er gab Sigtryggur die Hand, Reds Bruder musterte ihn auf eine freundliche Art und Weise während Red anscheinend begann sich mit Sigtryggurs Frau anzulegen, das war so typisch Red. Doch die Nonnen, die sonst eigentlich so schweigsam und sittsam waren, schnappte zurück.

Das junge Ding war älter als seine eigene kleine Schwester Angela, doch trotzdem kam ihm die Art, wie die Königin ihre Drohungen aussprach, sehr vertraut vor.
Dann stellten sich aus irgendeinem Grund seine Haare auf und er war kurz davor vor Red zu springen. Gerade in dem Moment, in dem er so weit war, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Sigtryggur zog seine Schwester zur Seite, gleichzeitig sprang er vor, so wie auch die Königin. Ihr Körper traf ihn mit so einer Kraft, dass er zu Boden ging. Sein Kopf schlug auf der harten Erde auf, weshalb er einen Moment unbewegt da lag. Der rote Wolf stand über ihm. Die Zähne gefletscht und goldene Augen starrten in seiner. Ein Knurren kam aus dem Maul des Tieres und ihr Nackenfell stand zu bergen. Johnathan sah aus dem Augenwinkel, wie Red ihr Schwert zog. Die Ohren des Tieres zuckten.

»Nicht!«, brüllte er und hob seine Hände. Der Wolf zuckte erschrocken zurück, doch schon hatte Johnathan die beiden in dunkle Nebelschwaden gehüllt.

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