Kapitel 13

Jo brauchte mich nicht zu starten bitten.
„Jo, was hast du dir nur dabei gedacht?! Weißt du, wie viel eine Hochzeit kostet? Weißt du, was man dafür alles vorbereiten muss? Wir haben jetzt keine Zeit dafür! Wir haben jetzt überhaupt zu nichts Zeit, außer dem Training!“
„Halt!“, rief er und ich verstummte. „Einmal tief einatmen.“
Er fing die Atemübung an und ich machte unwillig mit. Das beruhigte mich wirklich.
„Ich will dir was zeigen.“, meinte er ruhig und nahm meine Hände in seine.
Ich widersprach nicht. Die Welt um uns herum löste sich auf und plötzlich standen wir mitten im Nirgendwo.
„Wo sind wir?“, staunte ich und sah mich in dem unendlichen Weiß um. Es gab weder oben noch unten und ich fragte mich, warum wir noch nicht schwebten.
„Das ist eine Übergangssphäre. Ich habe sie vor einigen Tagen entdeckt. Und das Beste ist...“ Er grinste mich an und links von mir tauchte plötzlich ein hölzerner runder Tisch auf einem Bein auf. „Ich kann hier alles haben, was ich mir vorstelle. Okay, bei Menschen geht das zwar nicht, aber trotzdem ist das doch richtig krass!“
Ich ließ seine Hände los, trat die paar Schritte an den Tisch ran und fuhr über seine glatte Oberfläche.
„Ich kann ihn anfassen...“, brachte ich überrascht von mir. „Er ist echt!“
„Jaa! Außerdem läuft hier die Zeit anders. Ich glaube, die eine Stunde hier dauert bei uns nur eine Minute. Stell dir vor, das ist ein Ort, wo wir beide einfach nur verschwinden können und uns niemand erreichen wird. Ein Ort nur für uns beide.“
Ich war begeistert, genauso wie er. Unser Zufluchtsort. Das war wirklich die beste Vorstellung!
„Mein Traum...“, sagte ich glücklich. Dann blickte ich zurück zu Jo. „Warum der Tisch?“
„Er... Weißt du noch die Frau, von der ich weggelaufen bin? Er stand bei ihr zu Hause, im Flur, in der Ecke. Sie stellte immer eine Vase mit ihren Blumen darauf. Aber keine Ahnung, es ist das Erste, was mir in den Sinn kam.“
Er sprach ruhig und ich hörte die Trauer heraus. Wollte er diese Frau vielleicht doch wiedersehen, nach all den Jahren?
Insgesamt fand ich es nicht fair, dass die anderen den Kontakt zu ihren Familien abbrechen mussten. Was ist daran schlimm?
„Bist du immer noch so aufgebracht?“, fragte Jo vorsichtig.
Ich überlegte kurz. „Nicht mehr. Ich bin überrascht davon, was du gefunden hast. Und wie du überhaupt auf die Idee kommen konntest, mir ausgerechnet in dieser Zeit einen Heiratseintrag zu machen.“
Er blickte zur Seite. „Das war der bestmögliche Augenblick, solange noch Ruhe herrscht.“, rechtfertigte er sich leise.
Da hatte er Recht. Doch das gab mir einen Einblick in seine ach so heiteren Hoffnungen.
„Denkt du wirklich, dass es so schlimm wird?“, fragte ich leicht empört.
„Und denkst du es denn nicht? Nach all dem, was wir schon wissen? Mat hat erzählt, dass weltweit Auserwählte verschwinden. Denkst du wirklich, dass die Antis einfach aufgeben werden? Ich halte das nämlich kaum für möglich. Wir sollten uns keine falschen Hoffnungen machen, sondern uns auf das Schlimmste vorbereiten, meinst du nicht auch?“
„Doch, Jo, selbstverständlich. Und ich will dich auch heiraten, aber... Jetzt? Es tut mir leid, aber ich weiß nicht recht... Das ist jetzt alles so kompliziert... Jo, es...“
Ich verstummte, als sich seine Arme von hinten um mich legten, er mich an sich drückte und seinen Kopf an den Meinen lehnte. Ich umfasste mit den Händen seine Arme und schloss erschöpft die Augen.
„Nicht schlimm, Anna, nicht schlimm. Ich kann deine Sorgen verstehen.“, murmelte er ruhig und sanft.
„Danke.“, flüstere ich.

„Ihr wart ja schnell.“, wunderte sich Leo, als wir wieder in den Gemeinschaftsraum kamen.
„Na, Jo?“, lächelte Mat schief. „Ein Kuss und die Lage ist geklärt?“
„Halt die Klappe, Mat.“, schmunzelte ich.
„Wir haben uns entschieden zu warten.“, klärte Jo alle auf.
Sie gaben ein enttäuschtes „Ohhh“ von sich.
„Ihr hättet meinen Vorschlag nehmen sollen.“, grinste Mat.
Iris und Leo verdrehten die Augen.
„Du hättest es hören sollen, Anna!“, schüttelte Jo lachend den Kopf.
Jetzt bekam ich aber Interesse.
„Was heißt hier 'hättest'?“, entgegnete Mat. „Als ob ich schon vergessen hab, was ich gesagt hatte! Ich wiederhole den Vorschlag extra für euch, Bell, Ebru und vor allem Anna.“
„Lieber nicht.“, murmelte Leo.
„Toni, Jo, Ely und du, Anna, solltet mitten zwischen Kisten mit Feuerwerk stehen -“
„Ich dachte, das sollten Heiratsanträge werden und kein Selbstmordversuch.“, unterbrach Ebru.
So wie alle anderen musste auch ich lachen.
„Ich bin noch nicht fertig!“, lenkte Mat die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Jo hätte euch alle in eine Schutzhülle gesteckt und Toni würde das Feuerwerk explodieren lassen. Stellt euch diese Aussicht vor!“
Ehm... Die Aussicht wäre ja bestimmt toll, aber... Würden wir nicht alle in die Luft fliegen? Also nein, danke, ich verzichte.
„Anna.“, sagte Bell und ich sah sie an. „Ich entschuldige mich, du bist doch nicht die mit den verrücktesten Ideen hier. Aber du hast einen festen zweiten Platz.“
Mat tat auf oberschlau. „Verrückt heißt nicht gleich schlecht.“
Dem konnte man nicht mal widersprechen.
„Mat, deine Idee hätte wahrscheinlich den Giunnes–Rekord der dümmsten Tode gewonnen.“, warf Iris nicht begeistert ein.
„Siehst du, ich hätte Geld für uns gewonnen.“, erwiderte er.
Ich konnte nur lachend den Kopf schütteln. Mat war einfach unveränderlich. Es brachte mich immer wieder zum Staunen, wie schnell er die Atmosphäre erleichterte.
„Na, was gibt’s zu lachen?“, fragte Toni lächelnd.
Er und Ely betraten gerade das Zimmer.
„Mat's Vorschlag.“, antwortete Leo.
„Und worauf habt IHR euch geeignet?“, wollte Ebru wissen.
„Es gibt eine Hochzeit, aber erst nachdem alles zu Ende ist.“, erzählte Ely und ihre Finger verschränkten sich mit Tonis.
„Ihr wisst nicht mal, WANN alles zu Ende ist.“, warf Leo unglücklich ein.
„Und WIE es alles endet.“, fügte Bell finster hinzu.
Ich wollte nicht sterben. Und ich wollte auch nicht, dass jemand anderer von uns stirbt. Ich wollte weiter sorgenlos und wie gewöhnlich leben und kleine Rettungsaktionen haben. Ich wollte nicht wissen, wann die Welt kurz vor ihrem Untergang steht.
Ich glaube, in diesem Moment dachten wir ein und das Gleiche.
„Jo...?“, mir fiel eine Sache ein. „Du hast gesagt, Auserwählte verschwinden?“
„ICH hatte es gesagt.“, meldete sich Mat.
Iris sah mich düster an, Bell schlecht überrascht und die anderen fragend.
„Also verschwinden sie? Sie werden nicht tot aufgefunden, sondern vermisst?“, vergewisserte ich mich.
„Ja, sie werden vermisst.“, stimmte Mat zu.
„Iris, du meintest, die Anti-Leute wollen uns umbringen. Warum sollten sie uns dann entführen? Um uns in ihrem Versteck zu töten und somit zu riskieren aufzufliegen?“
Das ergab doch keinen Sinn! Die Antis konnten nicht so dumm sein – sie waren Wissenschaftler!
„Meinst du, sie machen Experimente auf solchen wie wir?“, fragte Ebru.
Ich zuckte die Schultern. „Was hält sie davon ab?“
Die Vorstellung war schlimm. Was ist, wenn sie inzwischen auch Philip haben? Schrecklich!
„Mat, suchst du morgen nach neuen Informationen?“, bat Iris und dieser nickte. „Anna, gut, dass dir so was aufgefallen war.“
„Eingefallen, Iris.“, verbesserte ich sie. „Es ist nur eine Hypothese. Hoffe ich.“

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