Unerwarteter Besuch


Lyla

Im Festsaal war die Feier schon im vollen Gange und ich staunte nicht schlecht, als mir die Zahl der Gäste bewusst wurde. Überall standen Adelige jedes Ranges in den schönsten Gewändern. Musikanten spielten wunderschöne Melodien und auf der Tanzfläche bildeten sich die ersten Paare. 

Es war beeindruckend. Ganz anders wie ich es mir immer vorgestellt hatte.

Auf einigen Tischen türmten sich Berge von Essen, vor allem süße Sachen wie Küchlein, Pralinen und Schokolade konnte ich ausmachen. Torten mit Mirandas Namen verziert wurden angeschnitten und von einigen Bediensteten verteilt.

Wein wurde ausgeschenkt und der Raum wurde erfüllt von Gelächter.

Während Miranda durch den Saal ging, blieb ich dicht an ihren Versen, um mich nicht in dem Gewirr zu verlieren. Ständig wurde sie beglückwünscht und von neuen Gästen begrüßt. Dabei bekam ich jede Menge Gesichter zu sehen, die ich bisher nur unter ihren Namen gekannt hatte.

Dann bahnte sich Miranda den Weg zu ihrer Familie durch. Als ich Matthew blauen Augen begegnete, blieb ich mitten in der Bewegung stehen.

Verlegen senkte ich den Blick. Ich wusste immer noch nicht wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Zuletzt war unsere Begegnung etwas unschön geendet. Miranda bemerkte meine Sorge, blieb ebenfalls stehen und sah mich aufmunternd an.

"Hab keine Angst", flüsterte sie so leise, dass nur ich es verstehen konnte. "Mein Bruder ist dir nicht böse" Überrascht zog ich die Brauen nach oben. Sie wusste Bescheid? 

Fieberhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, ihr von dem Vorfall erzählt zu haben, bis mir einfiel, dass nur Matthew es ihr gesagt haben konnte. Beschämt schaute ich zu Boden. Seine Schwester wusste also, wo wir zurzeit standen.

"Los komm, gehen wir zu ihm" Mit diesen Worten, griff sie nach meiner Hand und zog mich mit sich. Ich ließ es geschehen.

"Miranda, wie hübsch du aussiehst", begrüßte Matthew zunächst seine Schwester. Er küsste sie links und rechts auf die Wange, ehe er sich zu mir wandte und mich mit einem Blick musterte, die mir die Röte in die Wangen trieb.

In seinen blauen Augen blitzte ein Verlangen auf, welches mir in diesem Ausmaß noch nie begegnet war. Sein Blick war intensiv und spürte förmlich, wie er mich eindringlich musterte. So hätte ich mir unsere Begegnung wohl nicht vorgestellt.

Vergessen waren die Sorgen. Vergessen war unsere verzwickte Situation.

"Lyla", erklang Matthews Stimme rau. Mich überkam ein wohliger Schauer, als ich langsam den Kopf neigte und vor ihm knickste. "Eure Hoheit", erwiderte ich höflich. Dann spürte ich, wie er nach meiner Hand griff und sie mit seinen Lippen berührte.

Unschicklich sah ich zu ihm auf und begegnete abermals seinem Blick. "Du bist eine wahrhaft schöne Frau" Sein Kompliment machte mich verlegen und ich musste augenblicklich den Blick abwenden, sonst wäre ich womöglich in Ohnmacht gefallen.

Was hatte er bloß an sich, was mich so willensschwach machte?

Allein seine Hand, die nur mäßig meine Haut berührte, machte mich vollkommen verrückt.

Plötzlich durchbrach Miranda unsere traute Zweisamkeit und ich war froh darüber, dass Matthew mich los ließ und sich seiner jüngeren Schwester zuwandte.

Tief ein und wieder aus, versuchte ich mich in Gedanken zu beruhigen. Klarheit war das Wichtigste in diesem Moment. Ich durfte Matthew nicht aller Öffentlichkeit schöne Augen machen. Das gehörte sich nicht für eine wohlerzogen Lady.

"Fordere sie zu einem Tanz auf", hörte ich Miranda bestimmt sagen.  "Meinst du wirklich?" Matthews Stimme klang verunsichert. Wo war denn seine heitere Stimmung und sein ach so großes Selbstvertrauen hin?

"Es wird ihr gefallen" 

Matthew wollte mit einer Frau tanzen? Wer sie wohl war? Sicherlich eine wunderschöne Adelige, die ganz bestimmt nicht in einem kleinen Dorf aufgewachsen war und ein Teil ihres Lebens hungern musste. Neugierig wandte ich mich den beiden mit betont gleichgültiger Miene zu und verstand erst, als Matthew mich um einen Tanz bat, über wen sie eben gesprochen hatten.

Überrascht über seine Frage, nickte ich nur und ließ mich von ihm zu den anderen Paaren führen. Mit einem Mal setzte ein wunderschönes Lied ein, welches Matthew dazu veranlagte mich noch näher an sich zu ziehen.

Augenblicklich musste ich an unseren ersten gemeinsamen Tanz denken. Vor einigen Wochen auf dem Maskenball hatte ich zum aller ersten Mal in seinen Armen gelegen. Es kam mir vor, als wäre dies schon eine halbe Ewigkeit her. War dies nicht sogar eines der Lieder, welches zur Feier des Tages gespielt wurde?

"Du hast es nicht vergessen", bemerkte Matthew leise, so als hätte er meine Gedanken gelesen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, hab ich nicht" Er führte mich in die nächste Figur und ließ seine Hand über meinen Rücken wandern. "Eine atemberaubende Nacht", entkam es mir zittrig.

Wenn er mich bloß weiter so berührte, würde ich wie Eis in der Sonne schmelzen.

Seine Augen funkelte vielsagend. "Und ob", erwiderte er mit einem kleinen Lächeln. "An diesem Abend wurde mir bewusst, dass ich dich will" Die Zweideutigkeit in seinen Worten überhörte ich dabei nicht. Und ich musste zugeben, dass der Gedanke, ihn ebenfalls zu wollen, mir gar nicht mehr so fern war.

Wäre da nicht ein anderer, dem mein Herz gehörte.

"Und willst du mich immer noch zu deiner Frau machen?" Meine Stimme klang eine Spur zu heiser, was ihn aufhorchen ließ. Ärgerlich biss ich mir auf die Zunge. Wissend nickte er. "Nichts lieber als das, Lyla" Er derhte mich einmal im Kreis und fing mich erneut in seinen Armen auf. "Aber willst du das auch?"

Ehe ich etwas erwidern konnte, wurden wir von einem Boten unterbrochen. Matthew seufzte verärgert, ließ aber von mir ab.

Abwartend wandte ich mich zu dem Boten um, der den König erst um Verzeihung bat und sich dann mir zu wandte mit den Worten: "Mylady, Ihr werdet dringlichst in Euren Gemächern erwartet. Ich begleite Euch, wenn es Euer Wunsch ist"

Mit zusammengezogenen Augenbrauen stimmte ich zu, ließ mit einem entschuldigendem Blick von Matthew ab und folgte dem Mann auf den Weg in meine Gemächer. Mir war gänzlich unbekannt, wer mich zu dieser zeit in meinen Räumen erwartete. Doch es musste wichtig sein, sonst hätte der Bote unseren tanz nicht gestört.

Als ich nun in meine Räumlichkeiten trat, die Tür hinter mir verschlossen wurde und ich mich zu meinem Besuch umdrehen wollte, wurde ich auch schon überfallen.

Kräftige Arme umschlangen meinen Körper. Im ersten Moment keuchte ich erschrocken auf, als mir bewusst wurde, dass es eine Falle gewesen sein musste. Doch im nächsten Moment erklang eine bekannte Stimme an meinem Ohr, die überglücklich hauchte: "Oh Lyla, du hast mir so gefehlt"

Meine Augen weiteten sich. Mit einem Mal wurde mir bewusst, wer da gerade bei mir war. Das konnte doch nicht wahr sein. "Jason", keuchte ich überrascht und erwiderte seine Umarmung, ehe ich mich von ihm löste und ihn ungläubig anstarrte.

"Du bist hier", keuchte ich. "Wie kann das sein?" Vollkommen überfordert betrachtete ich mein Gegenüber. Grüne Augen sahen mir mit solch einer Wärme entgegen, wie ich sie lange nicht mehr gesehen hatte. Ein Lächeln umspielte augenblicklich meine Lippen.

Mein Herz raste in meiner Brust und ich fühlte mich mit einem Mal ganz anders. Überall in meinem Körper kribbelte es und mein verstand wollte einfach nicht glauben, dass das hier der Wirklichkeit entsprach. Jason war hier. Hier bei mir.

Er erwiderte mein Lächeln, legte seine Hand an meine Wange und beugte sich zu mir herab. Wie von selbst schlossen sich meine Augen, ehe seine zarten Lippen auf die meine trafen. Leidenschaftlich schlang ich meine Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss mit einer solchen Heftigkeit, die nicht nur Jason überraschte.

Nach gefühlten Stunden lösten wir uns schweratmend voneinander und sahen uns mit fiebrig glänzenden Augen an. "Ich wusste, das es richtig war her zu kommen" er lächelte schelmisch. "Für einen Kuss von dir würde ich alles tun" Röte stieg mir in dei Wangen und ich schlug spielerisch nach ihm. "Ach, hör doch auf!" Ich kicherte.

Wie oft hatte ich mir vorgestellt, ich würde ihn wieder sehen. Wie sehr hatte ich gehofft, er würde mich noch einmal so küssen. Wie gern würde ich die Zeit zurück drehen.

"Ich liebe dich", sagte ich ehrlich, stellte mich auf Zehnspitzen und küsste ihn noch einmal. Dieses Mal jedoch war der Kuss sanft, lieblich und voller Erinnerungen an Tage, die längst der Vergangenheit angehörten.

Und plötzlich war alles vorbei, als eine Stimme, die mir nur allzu bekannt vorkam, meinen Namen rief... 


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