Mary

Lyla

Nachdem ich Jason bei einer Tasse Tee und ein paar Gebäckstücken grob erzählt hatte, dass ich fliehen musste, da ich in Bredinia keine Zukunft sah, bot er mir Zuflucht an. Ich konnte mein Glück kaum fassen.

"Du wirst allen als Mary Malek, meiner Cousine väterlicherseits, bekannt gemacht. Es wird keiner Fragen stellen, niemand hat je eine Menschenseele von den Verwandten meines Vaters gesehen", beschwichtigte er ernst, als wir unseren Plan besprachen.

Es war äußerst wichtig, dass ich haargenau darauf achtete, was ich von mir Preis gab. Und natürlich mussten Jason und ich uns abstimmen, welche Geschichten wir erzählen konnten, ohne aufzufallen.

Die Geschichte mit seinem Vater war eine äußerst unangenehme Angelegenheit. Als Jasons Mutter, die ehemalige Herzogin von Rumina, ein Kind unter dem Herzen trug, hatte Jasons Vater vielerlei Unsinn getrieben.

Anstatt seiner Gemahlin während dieser Zeit beizustehen, hat er sich in Kneipen volltrunken daneben benommen.  Er hatte zu dem noch sechs andere Frauen geschwängert, die auch noch adelig waren. Das ließ natürlich weder ein gutes Licht auf den ehemaligen Herzog weder auf die adelige Frauen, die er verführt hatte, werfen. Als das Herzogin Livana zu Ohren kam, verbannte sie ihren Mann aus dem Reich. In vielerlei Hinsicht konnten Männer stets andere Frauen haben, doch er hatte eine Herzogin geheiratet und nicht sie einen Herzog.

Jason hingegen, hatte ihn nie kennengelernt, was auch zu seinem Besten gewesen war.

"Ich danke dir, Jason" Ich lächelte ihn erschöpft an und strich mir durch das Haar, welches sich allmählich aus meinem Knoten zu lösen schien. 

Ich war müde und könnte dringend ein heißes Bad gebrauchen. Eines, bei dem man sich zurücklegen und die Welt um sich herum für einen Moment lang ausschalten konnte.

Sehnsüchtig dachte ich an die vielen Male, die ich schon in der Wanne gesessen hatte und mich meine Zofen gewaschen hatten. Wie sie mich allein gelassen hatten, und der Raum sich mit Nebel erfüllte. Wie oft ich in diesen Momenten an Matthew gedacht hatte, hatte daran gedacht, dass er meine nackte Haut berührte. Dass er mich an den empfindlichsten Stellen küsste und mir sagte wie schön ich war.

Eine Berührung an meiner Wange riss mich aus meinen Gedanken und ich fuhr herum. Jason war nun nicht mehr als eine Handbreite von mir entfernt, seine Hand ruhte auf meiner Wange und sein Blick hatte sich fest in meinem verfangen.

"Du solltest dich ausruhen, meine Liebe. Ich lasse das Abendessen anrichten und danach zeigt dir Ann dein Gemach. Dort wirst du in Ruhe ein heißes Bad nehmen können.", sprach er leise zu mir und kam noch näher. Einen Moment spürte ich seine Lippen auf meinen, doch er besann sich, nahm den Kopf höher und küsste meine Stirn.

" Ich werde dir eine Zofe schicken ", erklangen seine letzten Worte, ehe er sich von mir entfernte. 

Er schien mir verändert, reifer um ehrlich zu sein.
Ich fragte mich, woran das wohl liegen mochte. Äußerlich sah er immer noch so aus wie vorher, aber innerlich, das spürte ich, hatte er sich verändert. Vielleicht lag es an seiner Bestimmung, die er endlich angenommen hatte. Ob seine Zukünftige auch darunter fiel? Inständig hoffte ich, dass dem nicht so war. Auch wenn es egoistisch klang.

Jason beäugte mich kritisch, immer wieder sah an mir herauf und herunter. Ich fragte mich, was er dachte. Hatte ich mich etwa verändert? Sah ich etwa nicht mehr so aus, wie in seiner Vorstellung? Oder war ich nicht mehr das Mädchen, in dass er sich einst verliebt hatte?

"Es mag dir nicht gefallen, aber wir müssen dein Äußeres verändern. Vielleicht lasse ich dir dein Haar kürzen und mit Kohle färben", überlegte er laut. 

Ich atmete auf. Bedauernd fasste ich in mein braunes langes Haar. Es hatte solange gebraucht zu wachsen, damit es so schön war wie jetzt. Doch Jason hatte recht, ich wäre zu leicht zu erkennen und genau das wollte ich verhindern. Matthew sollte mich nicht finden, wenn er nach mir suchen würde.

Ob er da jemals tun würde, war mir schleierhaft. Auch wenn er mir gestanden hatte, dass er mich liebte, so bedeutete das rein gar nichts.

Nach dem Abendessen wurde ich von Ann in meine Gemächer gebracht und dort von einer Zofe empfangen. Sie würde mir wohl meine geliebten Haare abtrennen. Ich schluckte, obwohl es vollkommen absurd war. Sie würden wieder nachwachsen, auch wenn es eine Weile dauern könnte.

Das Mädchen deutete auf einen Hocker, auf dem ich gesittet platznahm und in eine Spiegel vor mir blickte. Darin erkannte ich mich: geröttete Wangen, große grüne Augen und braunes Haar.

Das junge Mädchen trat hinter mich und lächelte mich durch den Spiegel an. Ich lächelte zurück.

"Wie lautet dein Name?", fragte ich sie neugierig. Ella und Lena an meiner Seite zu haben, wäre mir lieber gewesen, da ich sie mit der Zeit ins Herz geschlossen hatte und wusste, wie ich mit ihnen umgehen konnte. Bei diesem Mädchen war alles ganz anders und neu. 

"Ich bin Zayda, Mylady." Ihre Stimme war hoch und sie klang noch sehr jung. "Bist du schon lange in diesem Schloss angestellt?" Meine Neugier war unstillbar.

"Ich bin seit 8 Jahren hier", murmelte sie, legte mir ein Tuch um den Hals und begann mein Haar zu kämmen. Erstaunt hob ich meine Brauen. "Du bist seit 8 Jahren hier? Das hatte ich nicht angenommen, ich meine, du siehst noch so jung aus"

Ein kurzes Räuspern folgte auf meine Fragerei und das Mädchen sprach weiter :" Mein Vater ist früh gestorben. Da ändern sich einige Gewohnheiten"

Sie hatte aufgehört meine Haare zu kämmen und griff in eine Schublade neben mir. Zum Vorschein kamen zwei silberne Klingen. Mit ihnen könnte man töten, so scharf schienen sie zu sein. " Erzähl mir mehr. Hast du Geschwister? ", versuchte ich es vorsichtig und kniff die Augen zusammen als sie zum ersten Schnitt ansetzte. Warum mussten es denn auch die Haare sein.
"Zwei jüngere Schwestern und einen Bruder"

Ich entlockte ihr noch weitere Einzelheiten ihres Lebens, damit mich ihre Worte von der Tatsache ablenkten, bald nicht mehr so auszusehen wie ich es zuvor gewohnt war. Natürlich erschien es nur als eine kleine Veränderung meines Aussehen, doch es machte einen Unterschied.

Denn schlussendlich, stand ich mit schulterlangen, kohlegefärbten Haaren vor dem Spiegel und wunderte mich über mich selbst. Während ich mich betrachtete, überkam mich eine Gänsehaut. Ich sah nun nicht mehr aus wie Lyla Mightway , sondern wie Mary Malek, Cousine des Herzogs.

Ich musste mir bedauerlicherweise eingestehen, dass mir der neue Haarschnitt gut zu Gesicht stand, auch wenn ich mich erst einmal an die Veränderung gewöhnen musste. Außerdem gab es noch so vieles mehr, was sich ab dem jetzigen Zeitpunkt verändern würde.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top