Klärende Worte


Lyla

Unruhig saß ich am Nachmittag draußen im Garten und wartete auf Matthew. Er hatte mich zu einem Tee geordert und ich ahnte, worauf das hinauslief. Er brauchte Antworten und ich musste sie ihm geben.

Doch nun saß ich schon seit einigen Minuten hier, an seinem liebsten Plätzchen und er war nirgends zu sehen. Der Bedienstete hatte mir schon zwei Mal nachgeschenkt, doch auch die Wärme des Tees hatte mich nicht beruhigen können.

Aufgewühlt schaute ich auf den See, der sich friedlich vor mir erstreckte. noch vor ein paar Tagen hatten wir hier gesessen und uns mit Küchlein vollgestopft. Wir hatten zusammen ein paar Pfeile geschossen und ich hatte Matthew im Wettkampf geschlagen.

Doch jetzt, jetzt wusste ich nicht, wo wir standen. 

Gestern Nacht hatten wir erst gestritten und uns danach geküsst wie zwei Liebende, die sich nie wieder voneinander trennen wollten. Und heute? Was würde heute folgen?

Ich fragte mich, ob er mich abweisen würde, wenn er die Wahrheit erfuhr. Wenn er erfuhr, dass ich einen anderen Mann liebte und das hier nur für meine Familie tat.

Nach endlich langen Stunden - so fühlte es sich jedenfalls an - tauchte er dann doch auf. Völlig verschwitzt und mit zerzaustem Haar. Verwirrt musterte ich ihn. Sein weißes Hemd hing ihm unordentlich aus der dunklen Hose und schien noch nicht einmal richtig gebunden. Sein Atem ging hektisch und seine Wangen waren eindeutig gerötet.

"Wo kommst du denn her?", fragte ich vorsichtig. Schwerfällig ließ er sich auf den Stuhl gegenüber von mir fallen, schnaufte einmal und sah mich mit glühenden Augen an. Es erinnerte mich an seinen Blick letzte Nacht. 

Erschrocken weiteten sich meine Augen. Hatte er etwa...? Ehe ich ihn jedoch mit meinen Fragen bombardieren konnte, fing er auch schon an zu reden: " Verzeih mir, dass ich zu spät bin. William wollte sich einfach nicht geschlagen geben." Ein Diener schenkte ihm einen Tee ein und reichte ihm ein Glas Wasser, welches Matthew in einem Zug leerte.

"William?", entkam es mir verwirrt. Der Name klang so gar nicht nach einer Frau. Hatte er sich etwa doch keine andere genommen? Matthew nickte, ordnete seine Kleidung und strich sich die Haare aus der Stirn. "Mein Waffenmeister", erklärte er. "Wir kämpfen des Öfteren zusammen und dieses Mal ließ er keine Gnade walten. Es war wirklich anstrengend" Noch einmal seufzte er erschöpft.

Deshalb war er also so verschwitzt. Er hatte sich nicht mit einer Frau verlustiert, sondern mit diesem William neue Schwerter getestet. Das konnte ich ihm auf jeden Fall abnehmen.

"Was dachtest du denn, wo ich herkomme?" Matthew lachte spitzbübisch, als er meinen misstrauischen Blick bemerkt haben musste. Ärgerlich schnalzte ich mit der Zunge. Ich sollte lernen, mich besser im Griff zu haben. Gespielt gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. Er sollte nicht wissen, dass ich ihn mit keiner anderen Frau sehen wollte.

"Keine Sorge", versprach er und griff über dem Tisch nach meiner Hand. "Ich bin dir treu ergeben" Dann lachte er vergnügte und ich konnte nicht anders, als den Blick abzuwenden, um meine Röte zu verbergen. Matthew konnte mich so gut lesen, dachte ich.

Und seine Hand. Wie er meinen Handrücken streichelte und mir so intensiv in die Augen sah. Da konnte man doch nur schwach werden. Aber das schien mir nicht der richtige Zeitpunkt. Somit zog ich meine Hand zurück und sah auf. Meine Miene wurde ernst.

"Du wolltest mit mir sprechen", verdeutlichte ich unser Treffen neutral. Wenn er es wirklich wissen wollte, dann sollte er es auch erfahren und zwar hier und jetzt und nicht erst nach unserer Hochzeit.

Statt weiterhin unbekümmert Sticheleien in meine Richtung los zu lassen, räusperte sich meinen Gegenüber und wurde mit einem Mal ganz ernst. "Ja, du hast recht", rief er sich selbst ins Gedächtnis. "Es geht um gestern Nacht. Du hast mir noch so einiges zu erklären"

Abwartend schaute er mich an, ehe ich wissend nickte und schweren Herzens meine Geschichte erzählte:" Nun ich bin Jason" Matthew zog eine Augenbrauen hoch und ich korrigierte mich:" Ich meine, ich bin dem Herzog begegnet, als ich noch in Alysia gelebt habe. Damals war ich fünfzehn und noch so naiv zu glauben, er wäre nur ein reicher Junge, der sich für ein Mädchen wie mich interessierte"

Unsicher, wie Matthew die ganze Sache aufnahm, stoppte ich. Doch als er mich weiterhin  drängend musterte, fuhr ich fort:" Und dann sind wir zusammen gekommen. Nur meine Schwester wusste wirklich davon, auch wenn Mutter es geahnt hatte." Ich erinnerte mich noch genau, an ihren vielsagenden Blick als ich eines Abends erst spät aus der Stadt wieder kam und dann auch noch betrunken. Die ganze Zeit hatte ich nur herum gefaselt und Jasons Namen geseufzt.

"Wir haben Ausflüge unternommen - meist Abends, da ich ja auf dem Hof zu tun hatte. Oftmals hat er mich und meine Eltern mit ein wenig Geld unterstützt, damit wir über die Runden kamen. Natürlich ohne ihre Kenntnis. Meine Eltern mögen keine Almosen. Sie erarbeiten sich ihren Lohn lieber selbst." Ich merkte wie ich abschweifte und Matthew düster die Augenbrauen zusammenzog.

"Das tut hier nichts zur Sache, verzeih mir.", entschuldigte ich mich kleinlaut und strich mir nervös durchs Haar. Die ganze Zeit , in der ich meine Geschichte erzählte, schaute er mich nur an - ohne etwas zu erwidern oder mich mittendrin zu unterbrechen. Er blieb einfach geduldig auf seinem Stuhl sitzen, trank ab und zu von seinem Tee und hörte mir zu.

Um ehrlich zu sein, hätte ich mit einer etwas anderen Reaktion von ihm gerechnet. Vor allem nach dem Vorfall am gestrigen Abend.

Nun gut, da ich noch nicht am Ende der Erzählung angelangt war, fuhr ich unbeirrt fort:" Eines Tages haben wir uns dann zum ersten Mal geküsst. Er hat mir gestanden, dass er sich in mich verliebt habe, aber nicht bleiben könne, da er zurück muss, um sich seinem neuen Leben zu stellen..." 

An dieser Stelle, musste ich an die Nacht zurückdenken, in der wir Arm in Arm unter ein paar Decken verkrochen an meiner Lieblingsstelle im Wald gesessen und auf den Fluss gestarrt hatten. Ich erinnerte mich noch haargenau, wie sanft seine Lippen gewesen waren und wie sehr mich sein Geständnis beunruhigt hatte. Da auch ich in ihn verliebt gewesen war und angenommen hatte, wir würden eines Tages vielleicht vor den Altar treten.

Wie töricht ich doch damals gewesen war, zu glauben, wir hätten die Chance auf eine gemeinsame Zukunft. 

"Und du?", kam es leise von Matthew. "Du hast ihn ebenfalls geliebt" Es klang mehr nach einer Feststellung als nach einer Frage, doch ich nickte wehmütig. Wie hätte ich ihn nicht lieben können?

Plötzlich erhob sich Matthew in einer geschmeidigen Bewegung, lief um den Tisch herum und hockte sich vor mich hin, sodass wir uns auf Augenhöhe befanden. Dann griff er nach meinen Händen und sah mir tief in die Augen. Sein Blick hatte etwas Trauriges an sich. 

Ebenso traurig erwiderte ich seinen Blick und drehte mich vollständig zu ihm um. Seine Wärme war wohltuend, genauso wie seine Nähe. Sie spendete mir den Trost, den ich gerade brauchte.

"Du liebst ihn immer noch", stellte Matthew nüchtern fest. Etwas in mir brach. Die Gefühle, die ich versucht hatte, hinter einer Mauer zu verbergen, brachen über mir herein und die Tränen liefen mir unkontrolliert über die Wangen.

"Ja", hauchte ich und schluchzte, während ich mich gleichzeitig darüber ärgerte, so schwach zu sein. Matthew nahm seine Rolle, als Trostspender jedoch ohne Widerworte an, zog mich hoch und schloss mich ohne ein Wort in seine Arme.

Haltsuchend klammerte ich mich an ihm fest. Oh, ich hatte ihn doch gar nicht verdient. Heulte hier rum wegen eines anderen Mannes. Nun, ich weinte nicht nur wegen Jason, sondern auch wegen meinem Chaos in meinem Herzen, welches den König ebenfalls betraf.

"Da gibt es noch mehr", gab ich heiser zu. Das viele Schluchzen machte meinen Hals ganz trocken.

Sachte löste ich mich von Matthew. wischte die letzten Tränen beiseite und sah ihn mit großen Augen an. Das, was ich nun von mir geben würde, würde ohne jeden Zweifel mein Leben verändern. Mit zusammengezogenen Brauen begegnete er meinem Blick.

"Dich, Matthew" Meine Stimme zitterte bei dem Geständnis. "Es gibt noch dich hier drin" Mit diesem Worten deutete ich auf meine Brust, in der mein Herz ganz laut hämmerte.

Ungläubig wurden seine Augen größer und größer, ehe er mich packte und mit einem Freudenschrei durch die Luft schleuderte...


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