Geheime Nachrichten
Matthew
Der nächste Tag war die reinste Qual für mich und meine Familie.
Das ganze Schloss war in Aufruhe versetzt- einige trauerten, einige gratulierten mir zu meinem neuen Amt. Boten, Wachen, Diener und sonstige Bedienstete im Haus drehten völlig durch. Sie huschten um mich herum, machten Fehler und verloren die Nerven. Es war die reinste Hölle.
Mutter schien vollkommen leer zu sein, als wäre sie ihrer Seele beraubt worden und Miranda, meine kleine Schwester, hatte sich in ihrem Gemach eingeschlossen. Wenn sie in dieser Stimmung war, würde sie eine Weile keiner mehr zu Gesicht bekommen.
Dagegen war ich ganz Herr meiner Lage und versuchte mein Erbe anzutreten. Natürlich hatte ich es noch nicht verdaut, dass Vater letzte Nacht einfach so verstorben war und ich davon geträumt hatte, ihn getötet zu haben. Doch das Leben ging weiter. Es war meine Berufung. Nun war ich Herrscher eines Land, welches eine gute Führung brauchte und keinen König, der sich in seinen vier Wänden verkroch.
Außerdem tobte vor den Mauern das Volk.
Es war erstaunlich, wie schnell sich solch schreckliche Nachricht im Land verbreitete. Auch wenn einige Menschen es vielleicht nicht als so schrecklich erachteten, wie andere.
Ich persönlich erachtete die Nachricht als gleichermaßen schrecklich wie erfreulich. Natürlich schien ich dem leidenden Sohn nicht gerecht zu werden, doch innerlich herrschte Unruhe. Wir alle liebten unseren Vater doch auf eine bestimmte Art und Weise - die einen mehr, die anderen weniger.
"Wachen, beruft das Volk in den Gerichtssaal ein. Ich habe eine Ansprache zu halten", ordnete ich an, während ich durch die Korridore marschierte und nach Peeta rufen ließ.
Peeta war nicht nur meine rechte Hand, sondern auch mein engster Freund seit Kindheitstagen. Wir teilten die gleichen Ansichten und er genoss mein vollstes Vertrauen, wovon die wenigstens sprechen konnten.
Ein paar Gänge weiter, kam er aus einem Seitengang heraus und schloss sich mir und den Wachen an. Wir liefen in Richtung Gerichtssaal, um das Volk zu beruhigen und etwas Ruhe und Ordnung einkehren zu lassen.
"Ihr habt nach mir geschickt, eure Hoheit", kam es höflich von ihm, während ich vor den Türen des Saals halt machte. Wenn er im Dienst war, sprachen wir uns nie so an, als wenn wir es hinter verschlossenen Türe taten. Schließlich wollte ich autoritär wirken. Und als rechte Hand des zukünftigen Königs, stand Peeta unter mir im Dienst und hatte meinen Befehlen folge zu leisten und mich respektvoll zu behandeln.
"Ich verlange von Euch, dass ich Euch mit Lord James in Verbindung setzt. Er soll Euch in Euer neues Amt einführen und in den nächsten Tagen die Adeligen zusammen rufen. Es bricht ein neues Zeitalter an, Lord Ray. Es wird uns Großes bringen.", wies ich ihn an und nickte ihm zu, ehe ich meinen Freund fortschickte.
Ein tiefen Atemzug ein und wieder aus, dann ließ ich die Türen öffnen und trat hindurch in die Halle. Es war ein riesiger Trubel von Menschen, die wild durcheinander riefen und sich auf engsten Raum verteilten. Sie alle schienen sehr in Aufruhe versetzt, was mich zunehmend unsicher machte. Doch ich durfte mir nichts anmerken lassen, streckte die Schultern durch und stolzierte auf den Thron zu, der auf der Ebene genau neben Mutters platziert war.
Er war groß und wirkte unglaublich mächtig. Durch das edle, dunkle Holz, welches mit goldenen Schnörkeln verziert war, wirkte er anmutig und prachtvoll. Auf seiner Sitzfläche das rote Kissen, auf welchem Vater noch vor ein paar Stunden gesessen hatte.
Ich schluckte, ehe ich mich zum Volk wandte und demonstrativ auf dem Thron Platz nahm.
Ein Gefühl von Stärke durchströmte mich und vernichtete jegliche Angst, die sich versuchte in mir breit zu machen. Mein Blick richtete ich auf die Menge und durch mein Zeichen verstummte diese augenblicklich. Frauen, Männer und Kinder sahen allesamt zu mir hinauf, wartete geduldig und neugierig auf meine ersten Worte.
Mein ganzes Leben lang wurde ich vorbereitet auf diesen Moment. Es war an der Zeit, meine Berufung anzunehmen und mich nicht mehr dagegen zu sträuben.
"Volk von Bredinia", begann ich mit starker Stimme und ließ meinen Blick über die Köpfe der Menschen fahren. " Carter Montrose, König von Bredinia, ist von uns gegangen" Auch wenn dies keine neuen Neuigkeiten mehr waren, brach das Volk dennoch in Geschwätz aus. Sie schienen verwundert, verwirrt und ängstlich. Weder Freude noch Erleichterung erkannte ich in den Gesichtern der Anwesenden.
Nur Furcht und Ungewissheit. Kaum ein Mann oder eine junge Frau wussten, wie ihre Zukunft aussehen würden. Würde es ihnen besser gehen unter meiner Herrschaft oder schlechter?
Ihre Gedanken und unausgesprochenen Fragen waren für mich zum Greifen nah und irgendwie konnte ich sie verstehen, auch wenn meine Zukunft schon seit meiner Geburt besiegelt gewesen war, so gab es Menschen, die um jeden Tag kämpfen und nicht wussten, was sie am Morgen erwartete.
"Nun werde ich, Matthew Kyle Montrose, mein Erbe antreten und der neue Herrscher dieses Reiches werden. Hiermit gelobe ich meinem Land und meinem Volk die Treue zu schwören, die Guten zu belohnen und die Bösen zu bestrafen. Ich gelobe mein Volk zu beschützen und mein Land mit meinem Leben zu verteidigen" Meine Worte wählte ich mit Bedacht. Es war von äußerst wichtiger Bedeutung bei meiner ersten offiziellen Ansprache die richtigen Worte zu finden. Schließlich würde ich der neue König sein und benötigte den dazugehörenden Respekt von Adel und Volk, um anerkannt zu werden.
"Gelobt auch ihr eure Treue? Dann kniet nieder und gebt mir euer Wort - für heute bis in alle Ewigkeit. Lang lebe unser Land! Lang lebe unser Volk! Lang lebe Bredinia!", rief ich und erhob mich mit einer geschmeidigen Geste.
"Lang lebe der König", kam es von allen Seiten, als die Menschen auf die Knie gingen und sich von mir, ihrem neuen Herrscher, verbeugten und die Treue schworen.
Es schien ein guter Anfang zu sein. Einer mit dem ich leben konnte, mir und allen Menschen in Bredinia eine Zukunft aufbauen konnte, die lebenswert sein würde - und zwar für Jedermann.
Nach meiner Ansprache wurde ich von ein paar Wachen aus dem Saal geführt und machte mich auf den Weg in ein Zimmer, was ich zuvor nur mit einer ausführlichen Aufforderung hatte betreten dürfen. Es war Vaters Arbeitszimmer.
Da er es immer verschlossen gehalten hatte, sodass nie auch nur ein Bediensteter sich ohne seine Einwilligung Zutritt verschaffen konnte, musste ich einen Boten nach dem passenden Schlüssel schicken. Zu meinem Glück wusste ich, wo er ihn versteckt gehalten hatte.
Als ich dann das Arbeitszimmer betrat, schluckte ich.
Der Raum war in einen dunklen Ton gehalten, an den Wänden einige Regale angebracht, in denen sich allerlei Papiere befanden. Mich da durchzuarbeiten würde mir noch so einiges an Kraft und Zeit in Anspruch nehmen. Dafür gab es Gott sei Dank auch noch Personal, welches Aufgaben ganz übernahm.
An der Wand, die am Fenster lag, stand ein großer Schreibtisch, der mit einigen Papieren bedeckt war, sodass ich eigentlich keinen Blick weiter damit verschwendet hätte, hätte ich nicht einen Umschlag entdeckt, auf dem mein Name geschrieben stand.
Verwirrt kam ich näher und griff danach, als mir klar wurde, dass es Vaters Handschrift sein musste.
Etwas verwundert darüber, was ich wohl in diesem Brief lesen würde, nahm ich auf dem Stuhl vorm Schreibtisch platz, griff nach dem Brief und brach das Siegel.
Sohn,
wenn du diesen Brief erhältst, wandle ich nicht mehr auf der Erde, sondern habe endlich meinen Frieden gefunden.
Es wird nicht mehr lange dauern, das kann ich spüren. Mein Herz ist alt und grau. Es schmerzt in meiner Brust und ich zähle schon die Stunden bis zu meiner Erlösung.
Gott wird mir eines Tages verzeihen, dass ich dir und deiner Schwester so ein schlechter Vater und deiner Mutter so ein schlechter Ehemann war.
Aber nun bitte ich dich, mir zu verzeihen.
Es war nicht leicht für mich Matthew. Gott hat es mit mir nicht gut gemeint, als er mir vor einigen Jahren meinen Sohn und meine Frau nahm. Sie waren alles für mich und doch hat er sie mir weggenommen.
Du wirst nicht verstehen, warum ich euch nicht so lieben konnte, wie ihr es verdient hattet.
Sohn, ich wünsche dir , dass du niemals dieses Leid erfahren musst. Triff die Frau deiner Träume und heirate sie aus Liebe. Denn das ist das Einzige, was dich am leben hält.
In Liebe
Dein Vater
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