Gegen den König

Lyla

Eine Hand strich über meine Wange, sodass ich aus dem Schlaf erwachte und die Augen aufschlug. Ein wenig benommen blinzelte ich einige Male, ehe ich ein scharfes Bild bekam. Vater hockte vor meinem Bett und versuchte ein Lächeln. Ich lächelte zurück, doch als ich bemerkte, wie in seinen Augen Bedauern aufblitzte, wurde ich schlagartig ernst. Er war zurück und scheinbar nicht mit guten Nachrichten, als hätte ich etwas anderes erwartet.

"Vater, wie geht es dir?", fragte ich ihn besorgt und musterte ihn gründlich. Er trug ordentliche Kleidung, die er normalerweise nur an einem Sonntag anzog. Irgendwas hatte er vor.

Da erkannte ich, wie niedergeschlagen und fertig er wirkte, als er sagte: " Wir können hier nicht mehr lange bleiben" Sein kühler Blick und seine eisigen Worten versetzten mich in Panik. Es war zu spät, wir würden alles verlieren. Das hatte ich doch verhindern wollen. Mehr Zeit - ich bräuchte mehr Zeit.

"Vater, gib uns noch nicht auf. Uns wird etwas einfallen!" Seine Hand fuhr über seine in Falten gelegte Stirn , dann seufzte er auf:" Wir sind zu arm, um euch zu ernähren, mein Schatz. Die Ernte ist bei dem ständigen Regen so gut wie verdorben und sie wird uns nicht viel einbringen"

Bei dem Gedanken, dass die Ernte uns nicht den gewohnten Ertrag einspielen würde, schluckte ich hart. Mir war durchaus bewusst, dass wir den Monat vielleicht nicht überleben würden. Die Ernte war unsere Haupteinnahmequelle. Aber wohin sollten wir gehen und wohin konnten wir ohne einen Taler in der Tasche hingelangen? Und was konnte ich tun um zu helfen?

Natürlich würde ich alles Notwendige aufbringen, um hier bleiben zu können. Es war schließlich mein Zuhause, doch so auf Anhieb wusste ich nicht, wie wir es anstellen sollte, schnellstmöglich Einnahmen zu erbringen. Vielleicht sollte wir sofort losziehen und versuchen, unseren Acker zu verpachten. Ich strich Vater über sein verzerrtes Gesicht und sagte festentschlossen:" Wir werden das schaffen, Vater. Ich glaube an uns."

Er kniff verzweifelt die Augen zusammen und schüttelte den Kopf:" Wie willst du das anstellen, mein Kind?"

"Lass das meine Sorge sein.", beschwichtigte ich ihn, als mir etwas durch den Kopf ging. Es könnte etwas gewagt sein, aber ein Versuch war es wert. Wir waren verzweifelt, da musste man zu allen Mitteln greifen, auch zu dem, bei dem man seinen eigenen König betrügt.

Vater verstand nicht, schien aber nicht in der Lage zu sein, noch etwas zu erwidern. Also nickte er schwach und verließ meine kleine Stube.

Dann erhob ich mich, zog mein gutes Kleid an und machte mich ohne Umschweife auf den Weg zum Stall. Unsere alte Stute stand seelenruhig in ihrer Box und schnaubte, als sie mich sah. Leider erlaubte es weder ihr Alter noch ihre Gesundheit, dass wir sie auf den Feldern einsetzen konnten und für sie würden wir auch kaum einen Taler bekommen. Nicht mal ihr Fleisch war auf dem Markt etwas wert.

"He, meine Süße", begrüßte ich die alte Dame, ehe ich ihr eine Decke über warf und ein Strick um den Hals machte. Sie schnaubte leise, während sie ihren Kopf gegen meine Brust lehnte. Aufmunternd strich ich ihr über die Nüstern und führte sie danach aus dem Stall.

Auf dem Weg zum Schloss zweifelte ich ein wenig an meinem noch nicht ganz ausgefeilten Plan. Nur wusste ich, dass es ohne auch nicht gehen würde.

Eigentlich hielt ich nicht viel von dem König, dennoch wollte ich versuchen, ihn zu überzeugen, unser Land zu pachten und uns für die Bewirtschaftung einen angemessenen Lohn zu zahlen. Natürlich würde ich nicht erwähnen, dass unser Land kaum noch fruchtbar war, aber ab und an muss man etwas wagen, um etwas zu gewinnen. Obwohl der Plan zugegeben sehr riskant war.

Nach einem langen Ritt erreichte ich endlich das Schlosstor. Das Fallgitter war hochgezogen und die großen Türen geöffnet, während einige Wachen den Eingang bewachten. Ein letztes Mal sog ich tief die Luft ein, ehe ich vortrat und hoffte, eintreten zu dürfen. "Name und Anliegen? ", fragte der Rechte laut.

Daraufhin richtete ich mich selbstbewusst auf, straffte die Schultern und hob den Kopf als ich laut und deutlich mein Anliegen vorlegte:" Mein Name ist Lyla Jane Mightway aus dem Dorf Alysia und ich bitte um Anhörung beim König"

Die Wache zu meiner Linken lachte herzhaft auf und verspottete mich mit den Worten:" Da bist du nicht die Einzige. Viel Vergnügen, Kleine. Wenn du beim König keine Chance hast, weißt du ja, wo du mich findest" Ungläubig darüber, wie er mit mir sprach, zog ich die Augenbrauen in die Augen und funkelte ihn wütend an. Sein Grinsen wurde dennoch breiter, als er mich durchwinkte und mir ein vor spotttriefendes "Viel Glück" wünschte.

Auf dem Hof standen allerlei Bauern, Dorfbewohner und Angestellte. Einige davon stammten aus Alysia, andere hatte ich noch nie zuvor gesehen. Sie schienen aber allesamt sehr aufgeregt und unsicher, so wie sich in die Reihe kauerten und bedrückt auf den Boden starrten.

Sie hatten genauso wenig Hoffnung, wie ich sie eigentlich haben sollte. Doch meine Zuversicht, dass ich den König irgendwie überzeugen konnte, ließ mich stärker wirken.

Nach einer Weile schaffte ich es endlich soweit, dass ich in den vorderen Reihen des Saals stand und einen guten Überblick auf das Geschehen hatte. Als ich den Kopf jedoch hob, verzog ich angewidert das Gesicht.

Der König höchstpersönlich nahm an der Anhörung teil und saß wie gewohnt auf seinem Thron, der natürlich auf einer anderen Ebene lag, damit er auf uns herabschauen konnte.

Mein Blick schwenkte zu dem Mann, der tief in die Knie ging und bettelte:" Bitte eure Hoheit, ihr müsst mir und meiner Familie helfen. Wir sind in großer Not, meine Frau erwartet ein Kind, doch sie ist schwer krank. Sie braucht einen Heiler."

Die zittrige Stimme des Mannes erstarb und ich sah, wie er unsicher den Kopf hob, um dem König ins Gesicht zu schauen. Ich tat es ihm gleich und was mir dabei auffiel war nicht unbedingt zum Gunsten des Mannes. Die Miene des alten Mannes mit der übergroßen, vergoldeten Krone auf dem Kopf blieb hart. Ich konnte keine einzige Regung in seinem Blick erkennen, nur seinen eisernen Blick.

"Sollte ich Dir und Deiner Frau helfen, was hättest Du mir dann im Gegenzug zu bieten, armer Mann?", kam es mit tiefer Stimme von ihm. Im Saal wurde es still. Natürlich forderte er eine Gegenleistung von einem Menschen, der Nichts mehr hatte, außer das, was am eigenen Leibe trug. Auch bei unserem Anliegen würde er eine Leistung fordern, da war ich mir sicher. Es galt als Frechheit dies zu fordern.

Der Mann schüttelte den Kopf und klang gequält, als er antwortete:" Ich habe nichts, eure Hoheit. Ich flehe euch an, zeigt ein wenig Gnade." Der König verzog angewidert das Gesicht, machte eine abwehrende Handbewegung und der Mann wurde von zwei Wachen hinaus begleitet ohne weitere Beachtung.

So etwas wie Gnade kannte dieser alte Sack nicht. Er kannte nur Macht, Forderungen und Habgier. Das war mir wirklich zuwider, wie ein Mensch nur so ein Tyrann sein konnte. Herrscher waren nicht immer gerecht, sie halfen nicht jedem, aber sie begnadigten die Menschen, die es verdient hatten. Und dieser Mann hatte es verdient.

Murphie Williams, ein Mann aus der Gegend, zahlte schon seit Jahren seine Steuern immer zur rechten Zeit und hatte bis zum heutigen Tag auch noch nie um etwas gebeten. Doch so konnte man sich irren in der Gesellschaft - in seinem Reich.

Nach ein paar weiteren Ablehnung und einer Gegenleistung, die der König nicht ablehnen konnte, war es an der Zeit, dass ich vortrat, auf die Knie ging und um Gnade bat. Doch ich ging nicht auf die Knie, sondern trat vor und sah ihn direkt an. Auge um Auge - Sturm um Sturm.

Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln, welches jedoch sofort erstarb, als ich mit meiner Ansprache begann:" Eure Majestät. Es scheint Euch da oben recht gut zu gehen, wenn Ihr alle Klagen oder Bitten des ärmeren Volkes ablehnt und Euch nur um Euer Wohlbefinden sorgt!"

Seine Augen wurden zu Schlitzen als ich nun spöttisch zu grinsen begann. Ich liebte die Herausforderungen - diese öffentliche Provokation.

" Ihr lehnt jeden ab, der Euch nichts bieten kann ,doch wisst Ihr , jeder Bürger dieses Landes zahlt jedes Jahr fast dreihundert Münzen in eure Kasse, damit Ihr uns beschützt, aber was ist der Dank? Ihr behandelt uns wie den letzten Dreck, erhöht die Steuern und reißt Euch alles unter den Nagel!" Meine Stimme war fest und laut, sodass sie im ganzen Saal wieder hallte. Die Menschen verstummten allesamt und sahen mich entgeistert an.

Dem König hingegen war empört und rief augenblicklich nach den Wachen, als ich weitersprach und ihn dabei direkt ansah.

In seinen Augen blitze tiefe Verachtung auf und ich lächelte wohl wissend, dass er mich jetzt schon von Grund aus hasste. Er hasste jeden Menschen, der ihm gegenüber vorlaut wurde.

Nun waren die Wachen herbeigeilt, um mich an den Armen zu packen und aus dem Raum zu zerren, doch ohne groß darüber nach zu denken, ging ich in einer fließend schnellen Bewegung in die Knie und zog die Beine der einen Wache mit meinem rechten Fuß weg, sodass er zu Boden ging und den anderen versetzte ich einen Tritt zwischen die Beine, als ich aufsprang und er mich packen wollte.

Flüche folgten meinem beinahe erfolgreichen Angriff, während ich ein selbstgefälliges Grinsen auflegte, mich umwandte und dem alten Mann auf dem Thron entgegen blickte.

Er zuckte nicht einmal richtig mit der Wimper, als er schon zu schreien begann:" Wachen, sperrt sie ins Verlies! Das Mädchen hat eine Bestrafung verdient für ihren Ungehorsam!"

Es wäre viel zu leicht gewesen, sich nun einfach meinem Schicksal zu fügen und meine Familie so zu enttäuschen, deswegen ergriff ich erneut das Wort, als die Wachen mich nun überwältigten:" Das könnt Ihr nicht tun! Ich dachte immer, dass ein König sein Volk schützt und nicht einsperrt und verrotten lässt. Was seid Ihr bloß für ein niederträchtiger König"

Die Wachen hielten inne, der König erhob sich schnaubend und kam direkt auf mich zu. Sein Gesicht war rot vor Zorn und ich hatte beinahe Angst, dass seine Augen gleich aus seinem Kopf springen würden, so weit hatte er sie geöffnet.

"Geh auf die Knie"

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