Entscheidungen
Lyla
Ich musste hier weg. Das konnte ich mir nicht länger mitansehen.
Schnell, aber immer noch in gebückter Haltung machte ich auf dem Absatz kehrt und lief davon. Als ich ich mir sicher war, das niemand der beiden mich entdecken würde, lief ich wieder aufrecht in Richtung Schloss.
So eilig hatte ich es noch nie gehabt. Meine Enttäuschung vermischte sich mit unendlichem Hass, was mir die Tränen in die Augen trieb. Wie hatte ich bloß so dumm sein können, einem König zu glauben, dass er nur mich wollte? War ich wirklich so leichtgläubig geworden?
Schon von Anfang an hatte ich die Spannung zwischen ihnen fühlen können, doch ich hatte es eiskalt ignoriert. Zu meinem Ungunsten hatte ich stark angenommen, dass das Verlangen einseitig bestanden hat - und zwar nur bei Lady Julia.
Aber der Vorfall von eben bewies mir ganz deutlich das Gegenteil.
Matthew wollte sie. Und er hatte sie schon mal gewollt - vor mir.
Keuchend erreichte ich den Hintereingang im Hof, an dem wie üblich Wachen positioniert waren. Ich wurde langsamer. Hektisch strich ich mein Kleid glatt, schaute noch einmal in Richtung des Festplatzes und stellte fest, dass mich niemand der Anwesenden bemerkt hatte. Umso besser, ging es mir durch den Kopf, während ich mir die Tränen aus dem Gesicht strich.
Es sollte mich niemand so sehen: Verletzt, verwirrt und schwach.
Als ich den Gang passierte, hob ich den Kopf und lief geradewegs auf die Türen zu, die mir ohne einen Ton geöffnet und hinter mir geschlossen wurden.
Erleichtert atmete ich auf.
Die erste Hürde hatte ich geschafft. So musste ich nur noch unbemerkt in meine Gemächer kommen. Inständig hoffte ich, dass Miranda und die anderen Damen noch auf dem Fest waren und sich vergnügten. Jetzt eine von ihnen anzutreffen, wäre mein Untergang - vor allem die Begegnung mit Matthews jüngerer Schwester.
Natürlich würde Miranda sofort bemerken, dass es mir nicht gut ging. Sie hatte ein Auge für so etwas. Und dann müsste ich ihr von Julia und Matthew erzählen - das konnte ich einfach nicht.
Auch wenn ich mich zu Anfang gegen die Gefühle gewehrt hatte, so fühlte ich sie dennoch. Ich hatte mich in Matthew verliebt. Und ihn mit einer anderen zu sehen, brach mir das Herz.
Jason hätte mich niemals so hintergangen. Er wäre die bessere Wahl gewesen, auch wenn ich meine Familie für ihn hätte verlassen müssen. Sie wären auch ohne mich zurecht gekommen. Sie kamen ja ohnehin schon ohne mich zurecht.
Es war schon so lange her, dass ich ihnen begegnet war. Matthew und auch die Königinmutter achteten stets darauf, dass wir nie in Kontakt traten. Wenn Vater am Hof eine Audienz gehabt hatte, befand ich mich entweder auf einem Ausflug oder im Unterricht. Und wenn wir ausgeritten waren, hielten wir stets Abstand zu meinem Heimatdorf.
Zunächst war mir das gar nicht aufgefallen, doch je länger ich darüber nachdachte, umso stärker dämmerte es mir. Matthew hatte versucht mich von meinem alten Leben abzuschotten.
Ich sollte nicht mehr daran erinnert werden, wer ich einmal war, sondern nur noch daran denken, wer ich einmal sein würde - und zwar die Königin von Bredinia.
Der Gedanke war so weiter entfernt, dass ich es nicht mehr für möglich hielt meine Aufgabe anzutreten und pflichtgemäß zu erfüllen. Matthew hatte mich in vielerlei Hinsicht belogen. Das konnte ich ihm nicht verzeihen.
Nun war es an der Zeit meinen eigenen Weg zu gehen.
Zu lange hatte ich mich meinem vermeintlichen Schicksal hingegen - ohne etwas dagegen zu unternehmen. Damit war nun ein für alle Mal Schluss. Es war mein Leben!
Entschlossen kehrte ich in meine Gemächer zurück, schlug die Tür zu und lief schnurstracks auf meinen Kleiderschrank zu. Im Gewühl der Kleider entdeckte ich dunkle Reithosen und ein dazu passendes Gewand.
Eilig riss ich mir das Kleid vom Körper, haderte ein wenig mit meinem Korsett und schlüpfte ebenso schnell wieder in neue Kleidung. Meine Haare knotete ich mir so zusammen, dass sie mir nicht mehr ins Gesicht fielen und den vielen Schmuck legte ich zurück in die Schatulle.
Ich würde ihn nicht mehr brauchen, ging es mir durch den Kopf.
Meine Entscheidung hatte ich bereits gefällt: Ich würde Bredinia den Rücken kehren und nie wieder zurückkehren, ganz gleich was auch geschah.
Matthew hatte mich verraten. Mit ihm könnte ich niemals glücklich sein. Aber mit Jason würde meine Zukunft besser aussehen. Ich war nun in den Adelsstand erhoben worden und würdig den Herzog von Rumina zu heiraten. Das war meine Chance, die Liebe meines Leben auf Ewig festzuhalten.
Auch wenn es Konsequenzen für meine Familie haben könnte, so war ich mir sicher, dass sie mir folgen würden, sollte es notwendig sein. Wir könnten gemeinsam in Rumina ein neues Leben beginnen.
Die Vorstellung war mehr als nur vielversprechend und mir wurde bewusst, dass es reines Wunschdenken meinerseits zu sein schien. Schließlich wusste Jason nichts von meinen Plänen und vielleicht, ja vielleicht hatte er mich inzwischen längst aufgegeben.
Es war schon Wochen her, dass er aufgetaucht war, um mich zu holen. Vielleicht hatte er schon geheiratet und teilte sein Leben nun mit einer anderen.
Daran durfte ich nicht denken! Sonst konnte ich meinen Plan vergessen.
Fest davon überzeugt, Jason noch nicht verheiratet vorzufinden, wenn ich in Rumina ankam, packte ich mir eine Tasche mit Ersatzkleidung und etwas Gold, welches ich schon vor Wochen hier versteckt hielt.
Und dann war ich soweit. Ich, Lyla Jane Migtway, war bereit mein neues Leben anzutreten und dann Schloss zu verlassen.
Als ich jedoch die Tür erreichte, zögerte ich einen Moment. Konnte ich einfach so spurlos verschwinden? Und würde Matthew mich verfolgen lassen?
Ich wusste, dass ich ihm etwas bedeutete, aber war es genug, um mich zurückzuholen?
Inständig hoffte ich, es wäre alles nur Schein gewesen und Matthew hatte nur vorgegeben mich zu lieben und dass es im gleichgültig wäre, wenn ich nicht mehr da war, ganz gleich was sein Verrat mit mir angestellt hatte.
Ich seufzte unentschlossen. Er hatte mich verraten und nicht ich ihn. Doch wollte ich mich auf seinen Punkt hinab begeben und dasselbe tun - ohne ein Wort des Abschieds? Nein, das wollte ich nicht.
Somit eilte ich zu meinem Tisch, griff nach einem Stück Papier und zog die Feder so hektisch aus der Tinte, dass sie das Blatt vollkommen befleckte. Doch in diesem Moment war dies vollkommen egal. Eilig schrieb ich einige Zeilen an Matthew, in denen ich ein aller letztes Mal meine Gefühle preisgab und Lebe wohl sagte.
Danach ließ ich von meinem Brief ab und rannte endgültig davon.
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