Ein fremdes Mädchen

Matthew

Meine Männer und ich waren nun schon seit Wochen auf der Suche nach Lyla und noch immer war keine Spur von ihr zu entdecken.

 Als Außenstehender begriff kaum jemand, weshalb ich so einen Aufwand betrieb, Lyla zu suchen und hoffentlich bald wieder an meiner Seite zu wissen. Doch ich wusste es ganz genau. Ich liebte diese Frau! Und durch mein Verschulden war sich gegangen. Alles nur, weil ich mich von einer Frau hatte bezirzen, die mir nichts mehr bedeutete. 

Niemals zuvor hatte ich solch Gefühle für jemanden gehegt, wie für Lyla.

Das gab es diese Verbindung zwischen uns, die kein Mensch in Worte fassen konnte. Ein Gefühl von Vertrautheit, Anziehung und Leidenschaft. Sie konnte wahrhaftig leidenschaftlich sein, ganz gleich, ob es darum ging, ihre Freiheit auszukosten, Dinge zu tun, die sie liebte oder darum, preiszugeben, wie sehr sie sich nach mir verzehrte. Und das tat sie, hatte sie getan. Das hatte ich gespürt.

Und vielleicht wären wir schon längst verheiratet, glücklich verliebt und bald mit einem Kind gesegnet. Aber das war Wunschdenken. Die Realität sah leider anders aus. Ich hatte es verbockt und nun musste ich mit den Konsequenzen leben.

Meine Männer und ich durchkämmten jegliches Gebiet, wird starteten zuerst in unseren eigenen Städten und Wäldern. Danach suchten wir in Sola nach ihr, doch auch dort konnten meine Männer nichts auffälliges entdecken. Es war demütigend.

Meine Leibwachen kamen zurück in unser Lager, das wir zur Rast über Nacht errichtet hatten. Wir befanden uns immer noch in Sola, etwa zwei Tagesreisen von Mulina entfernt. Wir konnten von Glück sagen, dass Bredinia und Sola zurzeit in Frieden lebten. Es gab in letzter Zeit oft Uneinigkeiten in Bezug auf den Brückenbau, die Verteilung von Land und Holz, aber auch von Macht und Stand.

Es wäre gar nicht auszudenken, wenn unsere Länder verfeindet wären. Dann hätte ich wohl kaum durchs Land reisen können, um nach meiner Geliebten zu suchen. Es war sowieso schon wunderlich, dass ich persönlich die Suche anführte.

Ein König verließ sein Schloss nicht einfach so.

"Eure Hoheit, wir konnten nichts entdecken", begann der Reiter und stieg von seinem Pferd. Die anderen Männer, die begleitet hatten, taten es ihm gleich und sattelten die Pferde ab.

Ich runzelte meine Stirn. "Wirklich nichts?", erkundigte ich mich missmutig. Wo konnte sie nur sein? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich soweit alleine durchgeschlagen hatte. Auch wenn ich Lyla einiges zutrauen würde, wäre das immer noch zu viel.

Meine Gedanken wurden abermals unterbrochen, als einer meiner Männer, ein wild um sich schlagendes Mädchen hinter sich herzog und vor mir halt machte.

"Verzeiht die Störung, Mylord, ich habe sie vor unserem Lager entdeckt. Sie war dabei ein Pferd zu stehlen.", berichtete der Mann und ich sah hinunter zu dem Mädchen.

"Lasst mich gehen!", zischte sie und versuchte sich gegen den festen Griff zu wehren.
Was natürlich nichts brachte, da ein so zierliches Mädchen wohl kaum gegen meine Männer gewachsen war. Wer war sie? Eine Bettlerin? Sie schien mir nicht so.

"Wer bist du?" Verärgert zog ich meine Augenbrauen zusammen und sah das Mädchen ungeduldig an. Ich hatte einfach keine Zeit für diesen Aufstand. Als sie nach wenigen Minuten immer noch nicht antwortete, gab ich meinen Wachen ein Zeichen. Sie griffen ihr in den Nacken, sodass sie mich an sehen musste.

Ich schluckte. Das Mädchen sah aus wie sie. Aber das konnte nicht sein, oder doch?

Verstört rieb ich mir die Augen. Stellte ich mir jetzt auch schon ihr Gesicht vor? Ging es denn noch verrückter? Sie war es nicht! Sie konnte es nicht sein. Ihr Haar war ganz anders und ihre Stimme.

"Lyla?", fragte ich geschockt und sah sie mir genauer an. Ihre Gesichtszüge hatten gewisse Ähnlichkeiten und auch ihre Augen funkelten in diesem wunderschönen Grünton, wie die von Lyla. Dennoch konnte ich sofort ausschließen, dass sie es nicht war. Ihr Haar war blond und ihr Ausdruck verärgert. Lyla würde mir anders entgegen treten.

"Nein", murmelte das Mädchen. "Mein Name ist Julliet!"

Mein Mut sank erneut. Es war nur ein fremdes Weibsbild. Ich würde Lyla nie finden und sollte wohl besser meine Suche aufgeben. Sie wollte mich nicht. Das machte die Situation mehr als deutlich und meine Hoffnungen erloschen nach jeder weiteren Enttäuschung.

Ihre Lippen hatten die meinen berührt - mehrmals. Das hatte was zu bedeuten. Sie hatte mit und über mich gelacht - andauernd.

"Nun denn Julliet. Du sprichst unsere Sprache, woher kommst du?", fragte ich ernst und strich mir durch den Bart. "Du siehst nicht gerade aus wie ein armes Mädchen", stellte ich mit einem Blick auf ihr verdrecktes Kleid, welches hochwertigen Stoff erahnen ließ, fest. Zudem trug sie eine goldenen Halskette.

Sie antwortete nicht und sah mir nur trotzig entgegen. Die Wache gab ihr einen Stoß, der sie in die Knie gehen ließ. "Der König von Bredinia erwartet eine Antwort. Gibst du ihm sie nicht, werde ich andere Methoden ergreifen!"

Sie riss überrascht die Augen auf. "Ihr seid der König?" Ich verdrehte die Augen und ließ mir einen Krug Bier reichen. Dann nahm ich einen großen Schluck. War mir etwa nicht anzusehen, wer oder was ich war? Dieses Mädchen schien vollkommen verblendet.

"Der König, der beinahe jede Stadt durchkämmt hat, um seine Verlobte zu finden?"

Nun war ich überrascht. Sie wusste also bescheid, doch woher sie kam wusste ich noch immer nicht. Sie konnte mit Sicherheit nicht aus Bredinia stammen, sonst hätte sie erkannt, wen sie vor sich stehen hat.

"Wachen, lasst uns allein", wies ich sie an und ging auf das Mädchen zu.

"Wag es nicht zu fliehen!", zischte ich, packte ihren Unterarm, zog sie zurück auf die Beine und führte sie wortlos in mein Zelt.

Dort reichte ich ihr einen Krug mit Wasser und eine Decke, ließ sie Platz nehmen und versuchte nun etwas charmanter an die Sache ran zu gehen. Schließlich wollte ich sie nicht weiterhin einschüchtern, sondern Informationen von ihr gewinnen. Und das ging bei Frauen meist auf eine andere Art. Sie um den kleinen Finger zu wickeln, war eine meienr Spezialitäten.

"Nun, Julliet, da du wohl weißt, wer ich bin, frage ich dich ein letztes Mal: Woher kommst du?" Ich lächelte sie freundlich an, setzte mich und nahm abwartend einen Schluck aus meinem Becher. Das Bier darin schmeckte verboten gut.

"Ich komme aus Rumina, Mylord", antwortete sie dann doch etwas zaghaft. Augenblicklich zog sich alles in mir zusammen. Sie kam aus Rumina. Sie gehörte zu den Untertanen meines Feindes. Doch was trieb in einem Land, welches soweit von ihrem eigenen entfernt war? Ich musste mehr wissen.

"Sprich weiter", forderte ich und versuchte es mit einem Lächeln.

Sie nickte erschöpft. Dann straffte sie ihren Rücken und brachte vorlaut entgegen:"Ihr wollt wissen, wer vor Euch sitzt? Ich bin einen Baronin. Mein vollständiger Nam lautet Julliet Victoria Maria von Aya"

Ehe sie weiter sprach, nahm sie einen großen Schluck Wasser zu sich und räusperte sich. "Ich war auf dem Weg nach Mulina, als meine Kutsche überfallen wurde." Sie schien langsam aufzutauen und mit der Sprache rauszurücken, was mich neugierig machte. Was hatte sie mir zu sagen?

"Was hat Euch veranlagt nach Mulina zu reisen?", bohrte ich weiter. Es war mir immer noch unergründbar, was sie vor hatte.

"Ich bin davon gelaufen.", gab sie zu und verdrehte grinsend die Augen. Ihre blasse Haut hatte in den letzten Augenblicken etwas mehr Farbe bekommen. Sie wirkte wieder aufgeweckter. Und zugegeben, sie war sehr ansehnlich. 

"Es wird Euch vielleicht nicht amüsieren, doch mich schon. Ich bin wohl aus ähnlichen Gründen, wie Eure Zukünftige davon gelaufen. Jedoch gibt es einen Unterschied: Ich bin geflohen, weil sie gekommen ist" Sie lächelte mich selbstsicher an. All ihre Unsicherheit war verschwunden.

Sie musste gar nicht erst weiter sprechen, denn ich verstand es auch so. Die Baronin war vor einer Ehe mit dem Herzog geflohen und ihm schien es nicht aufgefallen zu sein, da er nur Augen für meine Lyla gehabt hatte.

Ich biss mir fest auf die Unterlippe. Sie war also nicht nur eine Baronin aus Rumina, sondern auch die Verlobte des Herzog, bei dem nun meine Frau Zuflucht suchte. Was eine Geschichte.

"Ich weiß, Ihr hasst ihn. Und ich habe nicht mal annähernd das Bedürfnis ihn zu heiraten. Sein Herz gehört dieser Frau."


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