Du weißt, dass ich dich liebe
Lyla
Als mir die Tür zum Speisesaal geöffnet wurde, straffte ich die Schultern und hob den Kopf. Matthew sollte nicht denken, dass ich wegen seiner Anwesenheit weich wurde. Sonst ging noch davon aus, dass ich vorhatte, ihn zurück ins unsere Heimat zu begleiten. Und das war ein sehr wunder Punkt bei mir.
In mir brach gerade zu alles zusammen, was ich mir die letzten Wochen aufgebaut hatte - und zwar mein eigenes Leben. Aber ich durfte es mir nicht anmerken lassen. Auch wenn ich zwischen zwei Stühlen stand - oder besser gesagt zwischen zwei Männern, die ich beide in mein Herz geschlossen hatte.
Matthew und Jason schienen sich entgegen meiner Annahme, prächtig zu amüsieren, was mir ein wenig Bauchschmerzen bereitete. Was hatte das bloß zu bedeuten?
"Und das ist wirklich so passiert?", fragte Jason lachend an meinen Verlobten gerichtet, der grinsend nickte. "Aber ja! Es war kaum zu fassen" Nachdenklich beobachtete ich die zwei Männer. Beide saßen mit breitbeinig auf ihrem Stuhl und lehnten sich entspannt zurück. In ihren Hände Gläser mit Rotwein.
Ich räusperte mich, damit die beiden mir ihre Aufmerksamkeit schenkten.
"Lyla", kam es überrascht von Matthew. Seine Stimme klang heiter, als er aufstand und auf mich zu kam. Mir schien es so als wankte er. "Wie schön, dass du endlich da bist. Ich hab einen Mordshunger." Verständnislos betrachtete ich ihn, wich ein paar Schritte zurück und bemerkte an seinem Atem, dass er schon mehr als genug Wein hatte.
"Hab dich nicht so", schmollte Matthew über meine offensichtliche Zurückweisung, während Jason ebenfalls betrunken lachte:" Das hast du dir schon selbst eingebrockt" Das durfte doch nicht wahr sein. Die beiden waren vollkommen unzurechnungsfähig. "Was ist denn mit euch los?", fragte ich fassungslos, schob Matthew zurück auf den Stuhl und funkelte Jason wütend an, ehe er einen weiteren Kommentar ablassen konnte.
"Wir sind gut drauf", lallte Matthew und erhob sein Glas, um seinem Gegenüber zu zuprosten. Jason machte natürlich mit. "Oh ja! Wir sind sehr gut drauf, weil wir uns gaaanz schnell einig geworden sinft" Ich ahnte nichts Gutes.
"Und worauf habt ihr euch geeinigt?" Meine Stimmung kippte. Es kam mir nicht so vor als würde ich hier mit einem König und einem Herzog sitzen, sondern mit zwei Trunkenbolde in der Taverne.
"Wir überlassen dir die Entscheidung, ob du lieber ihn" Jason deutete auf meinen Verlobten. "oder mich haben willst. Du hast ein paar Tage Zeit, wenn du keinen wählst, ist es dir frei zu gehen, wohin es dir obliegt." Hatte ich mich verhört?
"Bitte was?" Empört starrte ich meinen engsten Vertrauten an und hoffte inständig, dass er einfach nur zu betrunken war, um das ernst zu meinen. "Hab dich nicht so", wiederholte er die Worte von Matthew mit gleicher Miene.
"Was fällt euch ein?" Mir reichte es! Wie konnten sie einfach so über mich entscheiden. Natürlich wusste ich, dass ich mir klar werden musste, wie meine Zukunft aussehen sollte, aber so - das war doch wohl die Höhe!
"Nicht mit mir!", brachte ich ihnen entgegen, drehte mich auf dem Absatz um und lief zur Tür, die gerade geöffnet wurde, um Julliet Eintritt zu gewähren. "Du kommst gerade richtig", zischte ich, während ich an ihr vorbeirauschte.
Ich war außer mir vor Wut. Schließlich war es meine Entscheidung. Und sie war schon schwer genug zu treffen, auch ohne den Druck dahinter.
Und ganz gleich wie viele Dinge ich miteinander verglich, eines blieb immer gleich: Mein Herz schlug für beide. Würde Matthew ohne mich nach Bredinia zurückkehren, würde es sicherlich nicht so leicht sein, wie noch ein paar Wochen zuvor. Er ging mir unter die Haut, ebenso wie Jason, den ich nicht verlassen wollte. Mir würde seine Nähe fehlen, sein ausgeglichenes Wesen. Die Kraft all das Unheil auch einmal von einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Wie war ich dort bloß hineingeraten? Ein Mädchen, was damals kaum ein Kleid besessen hatte, musste sich zwischen König und Herzog entscheiden. So etwas gab es nicht! Das musste ein Traum sein!
In meinen Gemächern angekommen, drehte ich vollkommen durch. Ruhelos lief ich im Zimmer auf und ab, redete wirres Zeug und raufte mir bei jedem Ansatz einer Lösung die Haare, weil ich immer etwas auszusetzen hatte.
Matthew oder Jason? Bredinia oder Rumina? Lyla oder Mary?
Fragen über Fragen.
Irgendwann war ich so erschöpft und hungrig, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Somit ließ ich nach meiner Zofe Zayda schickte. Diese kam recht zügig mit einem Tablett voller Speisen herein und servierte sie mir mit einem Glas Wein.
"Ich danke dir", meinte ich ehrlich und nahm das Glas. Dringend mussten meine Nerven betäubt werden. Was gab es Besseres als Wein?
Als ich aß, bemerkte ich, wie Zayda mich beobachtete - auf Schritt und Tritt. Ich seufzte. Es musste sicherlich schon die Runde gemacht haben, dass ich nicht Mary Malek war, sondern Lyla Jane Mightway.
"Frag mich ruhig. Ich sehe dir deine Neugierde an", seufzte ich leise. Sie senkte ihren Blick und wandte sich daran, mein Tablett abzuräumen und mir noch nachzuschenken.
"Verzeiht meine Neugier. Die Bediensteten tratschen seit der Rückkehr des Herzogs, darüber, dass der König von Bredinia hier sei, um seine Verlobte nach Hause zu holen", gab sie zaghaft von sich, wobei ihre eigentliche Frage immer noch unausgesprochen blieb.
"Ja", antwortete ich schlichtweg. "Ich bin die Verlobte des Königs" Ich stand auf, drehte der zofe den Rücken zu und ließ mir die Schnüre meines Kleides öffnen. Kaum einen Moment später glitt der Stoff meinen Körper hinab, ich stieg hinaus und lies Zayda mein Korsett aufschnüren. "Ist es das, was du wissen wolltest?"
"Verzeiht, Mylady. Ich muss lernen, mich besser im Griff zu haben", sagte sie beschämt und befreite mich nun auch von meinem letzten Leid. In diesen Dingern konnte man kaum atmen. Manchmal vermisste ich mein früheres Leben, da wurde man nicht in etwas gezwängt, in dem man weder atmen noch sich bewegen konnte. Doch in diesem Leben gehörte es dazu.
"Mein Name ist Lyla und es tut mir leid, dir etwas vorgelogen zu haben", sagte ich leise und sah ihr in die Augen. Sie schlug ihre Lider schüchtern nieder und beließ es dabei.
Nachdem Entkleiden, führte sie mich in das angrenzende Zimmer, in welchem schon eine Wanne mit heißem Wasser auf mich wartete. Sehnsüchtig stieg ich in die gefüllte Wanne. Sofort umfing das Wasser meinen Körper, löste meine Verspannungen und wärmte mich auf.
"Sei so lieb und spreche nicht öffentlich darüber. Es ist mir höchst unangenehm. Und bitte, lass mich einen Moment allein, damit ich mich entspannen kann."
"Ja, Mylady", sprach meine Zofe gehorsam und verließ den Raum. Zwei Schritte später, hörte ich die Tür ins Schloss fallen und endlich wich jegliche Spannung von mir. Ich schloss die Augen und dachte einen Moment lang an nichts. Nicht an Matthew oder Jason, nicht an meine Familie und schon gar nicht an irgendwelche Pläne, mich aus dem Geschehen zu befreien.
Das Wasser beruhigte mich, löste meine Verspannung in meinem Nacken und ließ meine Haut ganz weich werden. Es war so ein herrliches Gefühl, so ganz allein und fernab von allen Problemen. Erst wenn ich die Wanne verließ, würden sie zurückkehren.
Als ich erneut Schritte vernahm, stöhnte ich auf und sagte energisch:" Zayda, ich sagte dir doch, ich möchte alleine sein"
Doch die Stimme, die mir antwortete, gehörte nicht meiner Zofe.
"Das magst du zu ihr gesagt haben, aber nicht zu mir", erklang seine Stimme etwas rau und ich öffnete erschrocken die Augen.
Trotz der Hitze des Wassers wurde mir plötzlich eiskalt. Gänsehaut breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Da stand er. In einem weißem Hemd, das eher unmanierlich als königlich, aus seiner braunen Hose hing und sah mich an.
Er musterte mich mit seinen blauen Augen und einem leichten Lächeln auf den Lippen. Bis mir plötzlich bewusst wurde, dass ich vollkommen entblößt in der Wanne saß und nur ein Hauch von Schaum meinen Körper von seinen Blicken fernhielt, fragte ich mich, was sein Grund zu Lächeln war.
"Wie kannst du es wagen", entgegnete ich ihm empört und schob mehr Schaum zu meiner Brust. Ich fühlte mich augenblicklich voller Unbehagen. Noch nie hatte er mich so gesehen.
Er verdrehte die Augen und merkte leise an :"Als ob ich nicht wüsste wie ein weiblicher Körper aussieht" Auf diese Bemerkung hin, ließ ich die Arme sinken und starrte ihm finster entgegen. Natürlich wusste er wie eine Frau aussah. Ich war mir sicher, bevor oder auch während er mich kannte, hatte er sich mit so einigen Frauen verlustiert.
Ich würde nicht die Erste und nicht die Letzte sein!
"Gibt es ein bestimmtes Anliegen, um mich bei meinem Bad zu stören?", fragte ich ihn mit leiser, aber wütender Stimme. Sie zitterte leicht und ich biss mir ärgerlich darüber, dass er mich so wütend und gleichzeitig verlegen machte, auf die Zunge.
"Ich wollte mich für unser Benehmen entschuldigen. Ich hätte etwas weniger trinken sollen.", meinte er ehrlich, kam noch einen Schritt näher und ließ sich auf die Knie nieder.
Er befand sich nur noch eine Armlänge von mir entfernt und sah mich mit einem Blick an, der mir bekannt vor kam. Es war der Blick von damals, als ich ihn scherverletzt verlasen hatte, um mein eigenes Leben führen zu können.
Er sah aus wie ein verletzlicher, kleiner Junge, der nichts anderes wollte, als geliebt zu werden.
"Ich habe dich vermisst", sprach er mit leiser Stimme und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich unbemerkt aus meinem Knoten gelöst hatte. Bei der Berührung zuckte ich unmerklich zusammen, doch er schien es registriert zu haben und zog seine Hand zurück.
Er durfte mich nicht berühren, er durfte mir nicht so nah sein, er durfte nicht so verletzt aussehen. Mein schlechtes Gewissen nahm zu und ich wollte nichts lieber, als aufspringen und ihm in die Arme fallen. Doch bevor ich das tat, kam ich zur Besinnung und verwarf diesen Gedanken sofort wieder.
"Warum hast du solange nach mir gesucht?", fragte ich stattdessen und rutschte ein Stück weiter weg, um klar denken zu können.
Er seufzte, erhob sich wieder und lief durch den Raum. "Liegt das nicht auf der Hand?" Er sah mir tief in die Augen, ich jedoch blieb still. "Verdammt, Lyla, du bist meine Auserwählte! Und als zukünftige Königin hättest du Vernunft zeigen sollen und wärst geblieben. Aber du, du bist einfach gegangen wie ein kleines dickköpfiges Mädchen!" Zum Ende hin wurde er lauter und energischer. Er war eindeutig wütend.
"Du hast mir gar nichts zu sagen! Ich bin ein freier Mensch und niemandes Auserwählte! Ich bin dir nichts schuldig", verteidigte ich mich nun auch lauter. "Oh doch, Lyla, ich habe dich als meine zukünftige Königin gewählt und als meine Untertanin hast du die Pflicht, deinem König zu dienen!"
Ich war empört über seinen plötzlichen Ausbruch. Empört, verletzt und enttäuscht.
"Ach ja?", ertönte meine brüchige Stimme und wanderte vom Blick auf den Boden wieder zurück zu seinen Augen. "Ich bin also nur eine Untertanin, die ihren König gehorchen soll?"
Eine Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. Er klang wie sein Vater! Er verwendet seine Macht, um die Menschen zu unterdrücken und um all seine Wünsche erfüllt zu bekommen. Aber nicht mit mir! Ich ließ mich von Ihm nicht so behandeln.
Auch ihm fielen plötzlich die Schuppen von den Augen und er sprach entsetzt über sich selbst:"Lyla, nein, so hatte ich das nicht sagen wollen, du weißt..." Doch ich ließ ihn nicht ausreden, sondern schnitt ihm das Wort ab:"Es ist an er Zeit meine Gemächer zu verlassen, eure Hoheit. Ich möchte meine Ruhe haben und Ihr solltet gründlich darüber nachdenken, ob euer Verhalten mir gegenüber, gerechtfertigt ist oder nicht."
Es war alles gesagt.
"Du weißt, dass ich dich liebe" , erklangen seine Worte, bevor er den Raum endgültig verließ.
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