Auserwählte
Lyla
Ein lautes, forderndes Klopfen riss mich aus meinem Schlaf und kurz darauf ertönte eine laute Stimme: "Aufmachen! Wir kommen im Dienste des Königs."
Erschrocken setzte ich mich auf. Die Wachen des Königs! Das verhieß nichts Gutes. Ich fragte mich, ob sie wegen mir hier sein könnten und wurde panisch. Konnte der König sich an mir rächen wollen, weil ich nicht zugelassen hatte, dass er mich küsst? Bestrafte er jemanden, wenn er nicht das bekam, was er wollte?
Unsicher darüber, was die Wachen nun von uns - oder mir - wollten, tapste ich die Holztreppen hinunter und bemerkte, dass meine Mutter bereits die Tür öffnete und die Männer müde begrüßte :"Eine gute Nacht, wünsche ich. Gibt es einen Grund, uns zu so später Stunde zu wecken?"
Neugierig, wenn auch weiterhin wachsam schlich ich weiter, um das Geschehen unbemerkt zu beobachten. Schließlich musste ich dringend wissen, ob ich der Grund für ihr Herkommen war.
Mutter stand nur in ihrem dünnen Nachthemd und einem Morgenmantel in der Tür und beäugte die Männer fragend. Sie selbst trugen Gewänder und Umhänge, in den Farben des Landes. So erkannte man sie schon von Weitem.
Der rechte Mann war größer als sein Begleiter, hatte einen dunklen Bart und strubbeliges Haar. Er entschuldigte sich im Namen des Königs für die späte Störung, während der Mann neben ihm - ein blonder Neuling - einen Brief öffnete und ihn mit klarer Stimme, die ich ihm gar nicht zugetraut hatte, vortrug:
" An die Bewohner des Hauses Mightway,
mit diesem Schreiben erkläre ich, Matthew Kyle Montrose, die älteste Tochter des Hauses, Lyla Jane Mightway, zu meiner Auserwählten.
Ich erwarte sie und ihre Familie am kommenden Sonntag zum Tee.
Auf eine gemeinsame Zukunft!
Der König von Bredinia "
Mein Atem stockte und mein Herz setzte einen Schlag aus, ehe es in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug. Ich war vollkommen geschockt. Mit so einer Nachricht hatte ich nicht gerechnet.
Wie denn auch? Matthew und ich kannten uns doch kaum und nun galt ich als seine Auserwählte? Auserwählte wofür? Ein Mädchen vom Lande, was kaum ein gehobenes Wort von sich geben konnte, geschweige denn wusste, wie es sich bei Hofe zu benehmen hatte.
Gab es das jemals? Dass ein König eine Frau vom Land einberief? Ich glaubte nicht daran. Das alles war bestimmt nur wieder einer seiner Streiche, die er doch allzu gerne machte. Womöglich hatte der Alkohol auch seine Sinne verwirrt oder er hatte den Verstand verloren?
"Wie bitte?", hörte ich meine Mutter ungläubig sagen, ehe mir schwarz vor Augen wurde und ich zu Boden sackte.
Das konnte doch alles nicht wahr sein! Mein Gehör musste mir einen Streich gespielt haben. Es hatte so geklungen, als ob ich die künftige Königin werden sollte. Unfug!
"Lyla, mein Schatz", ertönte Mutters Stimme am Rande meiner Wahrnehmung. "Du musst aufwachen" Stöhnend zog ich mir das Kissen über den Kopf und brummte:" Ich mag aber nicht. Ich hatte gerade einen seltsamen Traum"
Mutter ignorierte meine Widerworte einfach und zog mir das Kissen vom Gesicht. Schmollend öffnete ich die Augen und sah sie an. Ihr dunkles Haar hing ihr in feinen Strähnen über die Schulter und sie trug noch immer ihr Nachthemd, wenn mich nicht alles täuschte.
Alarmiert blickte ich sie an. War etwas geschehen, was ich nicht mitbekommen hatte?
"Das war kein Traum", seufzte Mutter erschöpft und stellte den Becher mit heißen Wasser an die Seite, ehe sie sich auf den Hocker niederließ und mich eigenartig betrachtete.
"Was?", fragte ich verwirrt. Mein Gedächtnis lief noch nicht ganz richtig, sodass ich nicht verstand, was sie meinte. Sie lächelte aufmunternd und seufzte noch einmal. "Lyla, der König hat dich als seine Auserwählte bestimmt. Was auch immer das zu bedeuten hat. Das war kein Traum, sondern die Wirklichkeit"
Ihre Erklärung ergab für mich keinen Sinn. Warum um alles in der Welt sollte es Wirklichkeit gewesen sein?
"Aber...", begann ich, wurde jedoch energisch von ihr unterbrochen: "Kein aber, Lyla. Warum in Gottes Namen sollte der König, dich auswählen? Kannst du mir das mal bitte erklären."
Abwartend sah sie mich an. Vor ihrer Stimmung sollte ich mich besser in Acht nehmen, sie schien nicht zu spaßen aufgelegt zu sein. Ganz im Gegenteil. Wut und Unsicherheit trafen auf Freunde und Verwirrung.
"Sollte sich jemand einen Spaß erlaubt haben, so werde ich mir den Übeltäter vornehmen!"
Am liebsten hätte ich über ihre Worte gelacht, doch mir war so ganz und gar nicht nach lachen zu Mute. Nein, weinen, schreien oder explodieren standen über einem Lachen.
"Mutter", fing ich an und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, was gar nicht so leicht war. Schließlich konnte ich ja schlecht behaupten, ich hätte den König schon ein paar Mal in der Stadt beim Bummeln getroffen oder beim Schwimmen, oder sonst wo! Sollte ich ihr etwa erzählen, dass ich am vergangenen Abend meine Zeit mit ihm verbracht hatte - ohne ihn zu erkennen.
Sie würde mir eine Predigt halten.
"Zunächst einmal ist es wahr, glaube ich" Ich holte tief Luft. "Doch die Geschichte dazu ist etwas länger und ich kann sie dir nicht erzählen, da ich sie selbst noch nicht ganz verstehe"
Mir wurde das gerade einfach nur zu viel. Ich wollte davon laufen und erst wieder kommen, wenn all das in Vergessenheit geraten war.
Und das tat ich dann kurzer Hand auch.
Hektisch sprang ich aus dem Bett, lief auf das kleine Tischchen zu, schnappte mir ein Kleid und schlüpfte zügig hinein, dann eilte ich aus dem Zimmer und hörte nur noch, wie Mutter mir hinterher rief, ich solle nicht einfach verschwinden.
Jedoch hörte ich nicht auf sie, rannte barfuß die Treppen hinunter, griff nach einem Mantel, rannte beinahe in Vater hinein und stürmte Hals über Kopf aus dem Haus. Den Weg zum Stall schaffte ich im Nu, ohne das jemand mich aufhielt.
Unsere Stute stand noch friedlich in ihrer Box und ahnte noch nichts von unserem Ausflug. Erst als ich ihr eine Decke überlegte und sie aus dem Stall führte, wurde sie ungeduldig und warf den Kopf umher.
"Ganz ruhig, Süße", versuchte ich sie ruhig zu halten, während ich aufstieg und ihr dann die Schenkel gab. In Windeseile hatten wir den Hof verlassen, zurückblieben einzig und allein meine Eltern, die mir verzweifelt nachriefen.
Das jedoch war mir völlig gleichgültig.
Mir war durchaus bewusst, dass sie nicht verstanden, was vor sich ging - das tat ich schließlich auch nicht. Und ich war nicht dazu bereit, es in mir aufzunehmen und zu verarbeiten.
Nach einiger Zeit kamen wir dem Wald näher. Er war die Mauer zum Flussufer, an dem ich gerne meine Zeit verbrachte. Mit einem Pferd kam man nur an einer einzigen Stelle zum Fluss und ich war mir sicher, dass ich eine der wenigen Menschen war, die wusste an welcher.
Zuversichtlich den richtigen Pfad genommen zu haben, führte ich Lou durch das Gestrüpp und atmete erstmals beruhigt auf. An diesem Ort fühlte ich mich einfach immer besonders gut, also ließ ich es zu, das die Idylle mich einnahm und ablenkte.
Als ich dann das Ufer erreichte, rutschte ich vom Pferderücken und ließ mich erschöpft ins Gras sinken, während mein Pferd einen Schluck Wasser aus dem Fluss nahm.
Ich musste wohl oder übel eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte war ich nicht mehr allein.
Jason saß neben mir und sah auf mich herab. Mein Kopf lag in seinem Schoß und seine Hand strich mir über den Arm.
"Ich wusste, dass du hier bist", erklärte er leise, während er mich weiterhin streichelte. "Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, als du gestern verschwunden bist" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich musste da einfach weg", gab ich trocken zurück.
Irgendwie machte mich die ganze Sache unglaublich wütend. Wie konnte er bloß bestimmen, dass ich seine Auserwählte war? Und noch immer hatte ich keinen Schimmer, was das zu bedeuten hatte. Sollte ich seine Gespielin werden oder noch besser, sein Frau?
Jason sah mir sanft in die Augen, legte seine Stirn in Falten und zog fragend eine Augenbraue hoch. "Ach ja? Gab es denn einen bestimmten Grund?" Ich schluckte.
Misstrauen machte sich in ihm breit, während ich versuchte seinem Blick auszuweichen.
Seufzend setzte ich mich auf. Er musste es erfahren. Eine Lüge brachte keinen von uns weiter.
"Ich bin die Auserwählte des Königs, Jason"
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