39

John

Kaum hatte ich meine Entscheidung über seinen Namen bekannt gegeben und alles nötige in die Urkunden eintragen lassen, versammelte sich die ganze Familie im Krankenzimmer. Anscheinend hatte meine Schwester allen Bescheid gegeben, auch darüber, dass sie Elliot halten durfte und somit gab es für Mom kein Halten mehr.

Brooke hatte so oft darüber gesprochen, dass sie stolz auf ihren Namen war und ich glaube, ich habe mit der Namenswahl die richtige Entscheidung getroffen. Sie hatte mir dieses Geschenk gemacht und somit gab ich ihr einen Teil zurück. Zwar hatte ich ihn etwas abgeändert, aber die Bedeutung war zu verstehen und Brooke würde mir deswegen hoffentlich nicht den Kopf abreißen, wenn sie aufwacht. Sie war bereits vor der Schwangerschaft schwer einzuschätzen, aber die Hormone machten es noch schlimmer. Einmal kam ich von der Arbeit und sie saß weinend auf dem Sofa, weil wir keinen Traubensaft mehr hatten. Diese Zeiten, besonders die Stimmungsschwankungen, würden hoffentlich nicht so schnell wieder kommen.

Über einen potenziellen Namen für unser Kind hatten wir nie gesprochen, was aber daran lag, dass ich mich aus beinahe allem rausgehalten hatte. Nur zu diesem absolut dämlichen Schwangerschaftskurs musste ich gehen und gemeinsam mit Brooke so tun, als wären wir ein Baum, der sich im Wind bewegt. Wozu war das überhaupt gut? Half es Frauen bei der Geburt etwa, indem sie sich die Wehen wegschwingen konnten? Meiner Meinung nach war die Kursleiterin einfach auf irgendeinen Trip in den Siebzigern hängen geblieben und die Räucherstäbchen, welche die Luft im Raum verpesteten, bestanden mit Sicherheit nicht aus handelsüblichen Kräutern.

„Es wird spät und ihr solltet langsam gehen." Die Lautstärke ging mir langsam auf die Nerven und Elliot wurde seit einer gefühlten Stunde von einem Arm in den anderen gereicht, das fand ich nicht im Geringsten gut. Er sollte zur Ruhe kommen und wer wusste, was Brooke in ihrem Unterbewusstsein von den Gesprächen mitbekam. Sie brauchte Ruhe, genauso wie ich. Mein Körper brauchte dringend Erholung und diese würde ich mir erst gönnen, wenn alle gegangen waren. Das wäre der Moment, der in den letzten Wochen so etwas wie ein Ritual darstellte und mir dabei half, nicht komplett den Verstand zu verlieren.

Elliot würde die Flasche von mir bekommen, und sobald er sein Bäuerchen gemacht hatte, durfte er bei Brooke liegen. Die Nähe zur Mutter war wichtig für Neugeborene und die behandelnden Ärzte und Pfleger zeigten mir beinahe jeden Tag neue Möglichkeiten, wie ich eine Bindung zwischen meiner Frau und unseren Sohn aufbauen konnte. Wie viel die beiden davon eigentlich mitbekamen, konnte ich nicht abschätzen, aber es beruhigte zumindest mich.

In diesem Elternding wurde ich langsam richtig gut, was aber vor allem daran lag, dass das Krankenhauspersonal keinerlei Gnade hatte. Mir wurde die Ehre gewährt, Elliots erste volle Windel unter dem wachsamen Blick einer Hebamme zu wechseln und was ich darin vorfand, konnte nicht von dieser Welt stammen. Seitdem machte ich es allein, auch wenn es mir nicht immer leicht fiel. Wie konnte ein so kleiner Mensch so viele Windeln verbrauchen?

Nach und nach verabschiedeten sich alle und ich blieb allein mit meiner kleinen Familie zurück. Wie himmlisch diese Ruhe doch war, die nur einmal unterbrochen wurde, als mir Elliots Flasche gebracht und Brookes Werte kontrolliert wurden. Danach hatte ich die beiden ganz für mich allein. Elliot schlief fast ein, während er von mir gefüttert wurde, was ihn aber nicht daran hinderte, die ganze Flasche zu leeren.

Als ich aufstand und ihn vorsichtig an meine Schulter legte, damit er sein Bäuerchen machen konnte, wurde mir bewusst, dass ich beobachtet wurde. Ich dachte erst, ich hätte es mir eingebildet, aber nach einem zweiten Blick in Richtung des Krankenbettes erkannte ich, dass Brookes Augen geöffnet waren und sie zu mir sah.

„Ich bin so froh, dass du wach bist." Beinahe hektisch erhob ich mich, achtete jedoch darauf, dass Elliot nicht so heftig durchgeschüttelt wurde, während ich mich auf Brooke zubewegte. „Hast du Schmerzen?", fragte ich sie und setzte mich auf die Bettkante.

Sie gab kratzende Geräusche von sich, schloss ihren Mund und schüttelte den Kopf. Ihre linke Hand wanderte zu ihrem Bauch, der beinahe nichts mehr von der Schwangerschaft aufwies. Dann sah sie auf Elliot, den ich an meine Schulter hielt.

„Schau. Wir haben ihn gemacht." Vorsichtig legte ich ihn an ihre Seite, so wie ich es all die Abende zuvor gemacht hatte. „Er ist perfekt."

Brooke wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus und gab sich damit zufrieden, unseren Sohn anzusehen. Sie begann zu weinen, während ihre Hand sanft über sein Gesicht streichelte.

„Ich hole dir etwas zu trinken und gebe den Ärzten Bescheid. Lauf nicht weg", witzelte ich, aber sie schien mich gar nicht zu hören, geschweige denn wahrzunehmen. Brooke war voll und ganz von Elliot eingenommen.

Er schlief und blieb die ganze Zeit bei ihr liegen, auch während es von Ärzten nur so wimmelte und diese alle möglichen Tests machten. Für Brooke gab es nur Elliot und ich würde lügen, wenn ich behauptet hätte, ich wäre nicht eifersüchtig gewesen. Dabei war das absolut dämlich. Wie konnte ich eifersüchtig auf meinen eigenen Sohn sein? Nur weil Brooke ihre Aufmerksamkeit nicht mehr uneingeschränkt mir schenkte.

„Wir haben einen Sohn", flüsterte sie, nachdem alle gegangen waren und schaffte es dann doch, ihren Blick von ihm abzuwenden und mich anzusehen. Dabei trug sie das atemberaubendste Lächeln auf ihren Lippen, das ich je gesehen hatte. „Ist er gesund?"

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. „Hast du den Ärzten eben zugehört?"

„Nicht wirklich", gab sie zu. „Meine Aufmerksamkeit lag auf etwas anderem." Nachdem sie gesprochen hatte, sah sie wieder auf Elliot herunter.

„Dann hoffe ich, dass du nun zumindest mir zuhörst." Die nächste halbe Stunde erzählte ich ihr von dem, was die Ärzte ihr persönlich versucht hatten zu erklären. Auch, dass wir die nächsten Tage noch hier im Krankenhaus verbringen und erst, wenn alle ihr Okay gaben, nach Hause gingen.

Dass wir vermutlich kein weiteres Kind bekommen würden, nahm Brooke ganz gut auf oder sie verstand es noch nicht. Über Ben würden wir heute nicht sprechen, aber ich versprach ihr, dass wir das bald nachholen würden. Spätestens wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kam, würden wir uns intensiver mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Ob wir es wollten oder nicht.

„Darf ich dich noch etwas fragen?"

Wir lagen gemeinsam auf dem sehr engen Krankenbett und ich genoss es, wie sie sich an mich lehnte. Wir beide hatten eine Dusche hinter uns und es gab dieses undefinierbare Krankenhausessen, welches wir momentan aßen. „Alles, was du willst."

„Aber du darfst nicht lachen. Versprich es mir, denn es ist mir peinlich." Erwartungsvoll sah sie mich von der Seite an und ich konnte nichts anderes tun, als zu nicken. „Wie heißt unser Kind? Er hat doch einen Namen von dir bekommen, oder?"

Wir hatten es tatsächlich nicht geschafft, über den Namen unseres Kindes zu sprechen, seitdem Brooke aufgewacht war, und ich beschloss, sie etwas auf die Arme zu nehmen. „John Junior St.James."

Brooke setzte sich auf und sah mich mit weit aufgerissen Augen an. „Das hast du nicht getan."

„Mom wollte, dass ich ihn nach Dad benenne und wir damit unsere eigene Familientradition schaffen, aber ich habe mich dagegen entschieden. Mein Name klingt einfach besser, also habe ich ihm diesen gegeben. Wir haben uns ja nie über einen Namen unterhalten und ich dachte, du hättest damit kein Problem."

Brooke sah aus, als würde sie jeden Moment an die Decke gehen. Ihre Nase zuckte dann immer so niedlich und ich musste mich zusammenreißen, damit mein Pokerface standhielt. Ich würde mir noch etwas Spaß erlauben, bevor ich ihr die Wahrheit sagte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top