28

John

Brookes Tränen, welche scheinbar gar nicht mehr aufhören wollten zu laufen, waren zumindest dazu gut, meine Mom und ihre Handlanger schnellstmöglich aus dem Appartement zu bekommen. Kaum hatte ich die Tür hinter ihnen geschlossen, rief ich bei einem bekannten Italiener an und orderte gefühlt seine komplette Speisekarte. Zu groß war die Gefahr, dass ich etwas bestellte, was nicht Brookes Vorstellungen entsprach. Also wollte ich auf Nummer sicher gehen und sie etwas glücklich machen.

Ich wusste nicht einmal, warum genau sie weinte. Sie stammelte nur etwas von mir und weinte daraufhin stärker. Kurzerhand verfrachtete ich sie auf eines der Sofas und kümmerte mich um alles Weitere. Nachdem das Essen geliefert wurde und ich dem Lieferjungen ein stattliches Trinkgeld gegeben hatte, stellte ich alles auf dem Couchtisch ab, um in der Küche noch schnell Teller und Besteck zu holen.

Es dauerte nicht einmal eine Minute, aber als ich aus der Küche zurückkam, kaute Brooke bereits genüsslich auf einem Stück Pizza. Diese Situation wäre an sich nicht verwunderlich. Was mich eher überraschte war, dass ihr BH neben ihr auf dem Sofa lag. Wie konnte sie dieses Teil so schnell ausziehen? Noch dazu, ohne sich ihres Oberteils zu entledigen?

Sie schien meinen verwunderten Blick zu spüren und sah zu mir auf. „Sie tun weh", meinte sie, nachdem sie das Stück aufgekaut und hinuntergeschluckt hatte.

„Und ohne ist besser?"

Brooke nickte und nahm sich das nächste Stück. „Es fühlt sich nicht mehr so beengt an. Ich muss mir dringend Neue kaufen. Am besten bequemere."

Mein Blick glitt erneut zu dem schwarzen Spitzenteil, welches neben ihr lag. Brooke würde doch wohl nicht so fleischfarbene Liebestöter kaufen?

Ich setzte mich ihr gegenüber, stellte Teller und Besteck auf den Tisch und verbrachte die nächste halbe Stunde damit, mir wenigstens etwas von dem Essen zu sichern, bevor Brooke sich alles einverleiben konnte. Dieser Appetit, welchen sie hatte, war unglaublich. Wo steckte sie das alles hin? Meine Gedanken, die ich entwickelte, während ich ihr dabei zusah, wie sie alles durcheinander aß, dürfte ich niemals offen aussprechen. Brooke würde mich definitiv einen Kopf kürzer machen. Kein Wort über ihr Gewicht. Niemals.

Das Essen endete damit, dass sie auf dem Sofa einschlief und ich aufräumen durfte. Dieses Zusammenleben gestaltete sich bereits jetzt zu meinem Nachteil. Dass das früher oder später der Fall wäre, war mir klar, aber so schnell hatte ich nicht damit gerechnet.

Ich überraschte mich selbst immer wieder aufs Neue, wenn es um Brooke ging. So leise ich konnte, räumte ich Speisereste, benutze Teller und Besteck in die Küche, welche eigentlich als Brookes Reich vorgesehen war. Vielleicht sollte ich mit ihr über eine Haushälterin sprechen, die alle zwei Tage vorbeikommen könnte, um das Appartement in Ordnung zu bringen. Ich war nicht unordentlich, aber abwaschen zählte nun wirklich nicht zu meinen bevorzugten Beschäftigungen. Mir kam Thalia mit ihrem riesigen Bauch in den Sinn. Ab einem gewissen Zeitpunkt konnte sie sich nicht einmal mehr Socken anziehen. Soweit ich wusste, bekam Brooke zwar keine Zwillinge, aber auch sie würde einen Punkt erreichen, an dem sie Hilfe benötigte.

„Kann ich einen Film gucken?"

Ich musste kurz innehalten, denn ich war mir nicht ganz sicher, ob ich mir ihre Stimme nur eingebildet hatte. „Du schläfst doch schon", lachte ich und ging zurück in den Wohnbereich. „Meinst du nicht, dass du ins Bett gehen solltest?"

Mittlerweile saß sie wieder auf dem Sofa und sah mich verschlafen an. „Ich bin hellwach."

Ihr Anblick, die verwuschelten Haare, die in alle Richtungen abstanden, war seltsam vertraut und ich konnte gar nicht anders, als ihrer Bitte nachzugeben. „Es sollte bereits alles eingerichtet sein." Ich reichte ihr die Fernbedienung, mit deren Hilfe sie Zugriff auf eine riesige Anzahl an Sendern und Streamingdiensten hatte. „Aber keine Schnulze."

„Haben wir noch etwas zu essen hier?" Sie sah mich nicht einmal an, als sie mit mir sprach. Ihr Blick war stur auf den Fernseher gerichtet.

Zu meiner Verwunderung hatte sie noch immer Hunger. Dabei hatte sie bis vor einer Stunde mengen technisch etwa ein halbes Schwein gegessen. Bevor ich diesbezüglich etwas Dummes sagen konnte, zog ich mich erneut in die Küche zurück und suchte nach etwas zum Knabbern. Ich wusste, dass ich etwas gekauft hatte. Doch nachdem Mom hier war, hatte ich keine Ahnung wo sich was befand. Dementsprechend dauerte meine Suche etwas länger.

Es würde noch einige Zeit vergehen, bis wir uns beide hier zurechtfanden. Das alles war neu für uns. Nicht nur das Appartement, auch unser Zusammenleben stellte uns vor neue Herausforderungen und ich musste noch lernen, wann ich gewisse Dinge besser unkommentiert ließ. Doch die letzten Stunden liefen erstaunlich gut.

Mein Dornröschen war während meiner Suche auch nicht untätig. Nachdem ich mit einer Auswahl an Snacks ins Wohnzimmer gekommen war, durchsuchte sie in dem Zimmer, welches Mal mein Schlafzimmer werden sollte, einige Kisten. Kurz darauf kam sie beladen mit Tagesdecken und Kissen zurück, die sie einfach auf das Größte der Sofas warf.

„Ich hoffe, du bist mit meiner Auswahl zufrieden." Sie deutete auf den Fernseher, während sie die Kissen kurz drapierte.

Ein kurzer Blick und ich wollte flüchten. „Sobald du eine der Decken um dich geschlungen hast, schläfst du erneut ein. Warum willst du mich quälen?" Dieser Piratenfilm nervte mich bereits jetzt. „Können wir nicht lieber einen Actionfilm sehen?"

„Ich bin wach und du hast mir die Entscheidung überlassen." Mit einem breiten Grinsen setzte sie sich und klopfte mit ihrer Hand neben sich. „Komm schon. So schlimm wird es nicht. Außerdem gibt es in dem Film auch Actionszenen."

Nachdem ich tief ein und aus geatmet hatte, setzte ich mich zu ihr. Dabei beobachtete ich, wie Brooke eine der Decken über sich ausbreitete und sich wie selbstverständlich an mich lehnte.

„Der Film wird dir gefallen."

Keine zehn Minuten später schlief sie tief und fest. Eine Marschkapelle hätte hinter dem Sofa musizieren können, Brooke wäre selbst davon nicht aufgewacht. Somit bekam sich auch nicht mit, wie ich diesen Piratenfilm schnell beendete und mir stattdessen ansah, was ich wollte.

Doch von diesem Film bekam ich nicht allzu viel mit. Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich auf Brooke hinabsah. Morgen würden wir ein längst überfälliges und klärendes Gespräch führen müssen.

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