Der Leichnam am See Larente
Es ist Nacht.
Und es ist kalt.
Am schwarzen Nachthimmel funkeln die tausend kleinen Sonnen in einem schauerlich täuschenden Glanz. Der Mond wirft sein fahles Licht auf den vor Kälte erstarrten Boden. Er ist der einzige Beobachter der Geschehnisse, doch er schweigt still und beobachtet weiter. Greift nicht in die Handlung ein.
Ein Rabe kräht.
Seine weißen Flügel schlagen durch die Nacht und er landet auf dem Ast eines Baumes. Auch er beobachtet. Still und stumm. Es ist ein weißer Rabe, mit einer tiefschwarzen Feder im Schwanz. Sein silbernes Gefieder wird vom Wind durchzogen.
Die von der frischen Nacht gefrosteten Halme, die um den längst erkalteten Körper am See wachsen, tauen langsam auf. Nur ein paar. Sie bewegen sich sachte im kühlen Wind, beugen sich tief. Noch tiefer, sie kräuseln sich, werden schwarz und sind plötzlich verbrannt. Nur wenige, nur dicht um den Leichnam herum.
Der Rabe kräht erneut und beobachtet alles aus starren, schwarzen Knopfaugen. Gespannt, erwartungsvoll was passiert. Sein Ruf schallt durch die kalte Nacht, wird bis weit über den See getragen, bis ihn die dunklen, aufragenden Bäume am Ufer verschlucken.
Es wird warm um dieses Ufer. Die Kälte der Nacht weicht schneller als gedacht, ihre Herrschaft ist plötzlich gebrochen. Aber noch kein Sonnenstrahl ist erwacht, der sein wärmendes Licht auf den entstehenden Tau wirft. Die verbrannten Halme breiten sich aus.
Nur langsam. Bedächtig. Rund um den liegenden Körper.
Der kalte Leichnam liegt auf dem Boden, dicht am Ufer. Halbnass vom See, in den er Zeit seiner Ermordung gefallen ist. Den See Larente. Der Wind streicht durch die alte Kleidung. Mehr Halme tauen auf, verdorren und zerfallen im selben Moment zu Asche. Es breitet sich aus. Schneller, immer schneller.
Eine Welle von heißer Luft bricht um den Körper aus. Sie wird schwächer, je weiter sie geht. Erreicht die Bäume erst gar nicht, auf denen der silberne Rabe sitzt. Der beobachtet alles. Seine schwarzen Augen bekommen einen roten Schimmer, der schnell wieder schwindet wie eine Täuschung. Die Hitze steht über dem toten Körper, verfärbt die Luft rötlich. Das schwarze Haar wird versenkt. Die blutenden Wunden im Bauch und die aufgeschürften Handflächen saugen die Hitze auf wie ein trockener Lappen das Wasser.
Ein helles, versengendes Licht tritt ein. Versengt das Gras meterweit, schickt die mächtigen Wogen des Larente ein Stück zurück.
Das verbrannte Haar wächst rot nach, die nassen Wunden schließen sich in lodernder Glut, durch die Adern leuchtet heiße Lava, füllt den ganzen Körper aus und durchflutet den Körper mit frischem Leben.
Mit einem tiefen Atemzug hebt sich die Brust, schnappt die Lunge nach Luft, die Augenlider werden aufgeschlagen. Zum Vorschein kommen Augen so flammend wie Feuer.
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