Kapitel 19
Ellinor
Es war ganz anders auf einem Wolf zu reiten, als auf Moon. Vielleicht kommt es, da ich mich gerade nur an Fynns Fell festhalten kann und nicht an Zügeln oder dem Sattel. Zudem war der Rücken von Fynn wesentlich breiter als bei Moon. Ich könnte jetzt noch andere mögliche Gründe nennen, aber ich genieße lieber den Ritt, bei dem ich mal auf gar nichts achten muss.
Wir waren vielleicht 10 Minuten unterwegs, als ich merkte, wie Fynn langsamer wurde, bis er zum stehen kam. Ich richtete mich auf und schaute mich um. Die Umgebung sah umwerfend aus. Wir waren an einem See, der auf der Gegenüberliegende Seite einen Wasserfall hat. Interessanter Weise konnte man den Wasserfall von unserem Standort nur sehen und nicht hören. Die Sonne ließ den See zudem glitzern. Die Bäume standen alle dichter, sodass es einem vorkam, als würden sie den See verstecken wollen. Als ich meinen Blick weiter gleiten ließ, entdeckte ich eine Decke und einen Korb. Bei dem Anblick schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht und ließ mich von Fynn gleiten. Ich liebte es, wenn meine Mutter einen Korb befüllt hatte und wir damit dann zu meinem Vater und Brüder gegangen sind. Wir haben dann zusammen gegessen und gespielt. Die Picknicks gehören zu meinen liebsten Erinnerungen an meine Familie. Erst als Fynn mir eine Träne wegwischte, merkte ich, dass ich weinte. "Erzählst du mir, warum du weinst?" fragte er sanft. "Meine Familie und ich haben auch immer zusammen ein Picknick gemacht." erklärte ich ihm. "Wie lange ist das letzte her?" "Zu lange." war meine schlichte Antwort. Er zog mich sanft zur Decke und setzte sich schließlich. Bevor ich es mir anders überlege, setzte ich mich zu ihm. Er packte den Korb aus und reichte mir ein Sandwich. "Erklärst du mir nun, warum du unsere Bindung nicht willst?" Ich nahm einen Bissen vom Sandwich, welches echt lecker schmeckt, bevor ich anfing zu erklären. "Eine der Wölfe von gestern hat mir erklärt, was ein Mate ist und was es bedeutet. Dabei sagte sie auch, dass wenn der eine stirbt, auch der andere stirbt und nur wenige den Verlust überleben. Und wenn doch sie immer leiden werden. Ich bin aber die Anführerin der Wilden Jagd, ich kann nicht sterben. Ich muss die Rider kontrollieren können, ansonsten herrscht Chaos auf der Welt. Schließlich heißt es nicht umsonst Wilde Jagd. Sie wurden zu wild, als ich ausgebildet wurde, sie anzuführen. Wenn ich jetzt die Bindung mit dir eingehe und du dann stirbst, werde ich es überleben, aber höchstwahrscheinlich kann ich die Rider und insbesondere die Höllenhunde nicht mehr kontrollieren. Und dazu darf ich es nicht kommen lassen, wenn ich es verhindern kann." Fynn hörte mir aufmerksam zu und schien mein Dilemma auch verstanden zu haben. "Ich verstehe dich. Das will ich auch nicht. Aber so stark wird eine Bindung erst nach der Markierung. Solange ich dich nicht markiere, solange könntest du dich noch in jemand anderen verlieben, weil du kein Werwolf bist." "Was ist eine Markierung?" Nach meiner Frage wurde Fynn rot im Gesicht und kratzte sich unbehaglich im Nacken. "Naja, eine Markierung besteht aus zwei Schritten. 1. Ein Biss in die Halsbeuge und 2. würden wir Sex haben, um die Verbindung zu vollenden." Nun war ich es, die rot wurde. Nennt mich prüde und alte Jungfer, aber in all den Jahrhunderten hat noch nie jemand so offen mit mir darüber geredet, geschweige, dass ich es schon mal gemacht hätte. Ich sage ja, alte Jungfer.
Während ich die Infos noch am verdauen war, funkelten Fynns Augen auf. "Wenn ich dich nicht markieren würde, dann würde die Bindung nicht so stark werden und du könntest die Rider noch anführen. Würdest du dann mit mir zusammen sein und es versuchen?" fragte er hoffnungsvoll. Hm, wenn ich dann 'nur' die 'normale' Trauer nach einem Verlust verspüre, den ich leider schon mehr als oft fühlte, könnte ich die Rider immer noch kontrollieren. Es würde dann nichts gegen eine Beziehung sprechen. Und wenn ich ehrlich zu mir selber war, wollte ich tief in mir drinnen eine Beziehung haben. Ich war viel zu lange alleine und sehnte mich nach einem Partner, mit dem ich meine Sorgen teilen konnte, Spaß haben konnte und der mich verstand. Und in Fynn schien ich so jemanden gefunden zu haben.
Während ich also überlegte, merkte ich nicht, wie Fynn immer enttäuschter wurde, je länger ich überlegte. Er wendete sich sogar von mir ab und dem See zu. Seine Bewegung riss mich aber auch aus meinen Überlegungen. "Versuchen wir es." sagte ich zögernd. "Das habe ich mir schon gedacht. Lass mich noch das Essen einpacken und dann bringe ich dich nach Hause." sagte Fynn niedergeschlagen. Hatte er mir überhaupt zugehört? Anscheinend nicht, denn er packte wirklich zusammen. Oh man, wie verklickere ich ihm das jetzt, sodass er es dieses Mal auch mitbekommt? Ohne groß nachzudenken, umschloss ich sein Gesicht und presste meine Lippen auf seine. Es kribbelte angenehm dort, wo wir uns berührten und Schmetterlinge flogen in meinem Bauch herum. Fynn brauchte einen Moment bis er realisierte, dass ich ihn küsste und er seine Lippen bewegte. Als er dies tat, explodierte förmlich etwas in mir. Es war so unbeschreiblich schön, genauso hatte ich mir meinen ersten Kuss immer vorgestellt.
Atemlos lösten wir uns wieder voneinander, blieben aber dicht beieinander. Fynn lächelte von einem Ohr zum anderen. So konnte man auch Andeutungen von Grübchen sehen. "Wow, bedeutet das was ich denke, dass es bedeutet?" Ich nickte, worauf hin Fynn mich nochmal küsste. "Deine Küsse sind unglaublich." flüsterte er mir zu. "Wirklich? Das waren meine ersten." gab ich zu. Erstaunt wich er etwas zurück. "Das war dein erster Kuss?" Ich nickte wieder und merkte eine leichte Röte bei meinen Wangen. "Darf ich fragen wie alt du bist?" Die Frage war mir sichtlich unangenehm und ich schaute auf den Boden. "Wenn du willst, kannst du mir auch nur die erste Zahl nennen." schlug er vor. "Acht" flüsterte ich, in der Hoffnung er würde mich nicht hören. Erschrocken fragte er "Du bist älter als 80?" Ich senkte meinen Blick und korrigierte ihn "Wohl eher älter als 800." Da ich keine Reaktion von ihm wahrnahm, hob ich langsam meinen Blick. Er sah mich sprachlos an. "Ich bin dir zu alt oder" versuchte ich einen Witz, aber eigentlich war es einer der Zweifel die ich bezüglich uns hatte. "Was? Nein, ich muss nur den Schock erst mal sacken lassen. Ich mein, du hast so viel erlebt und das live. Du bist bestimmt besser als unsere Geschichtslehrerin." er grinste mich an. "Ja wahrscheinlich, aber nur zurück bis in die Wikinger-Zeit. Aber ich war auch nicht bei jedem Ereignis dabei. Ich hatte eine Aufgabe." "Stimmt, aber du könntest mir sagen, ob es richtig in den Dokumentarfilmen dargestellt wird und man es sich wirklich so vorstellen kann." "Filme? Was ist das?" fragte ich ihn. Er sah mich entgeistert an. "Du kennst keine Filme?" Als ich meinen Kopf schüttelte, fasste er sich ans Herz. "Das tut weh, dass die eigene Mate keinen Film kennt. Aber ich kenne eine Lösung für dein Problem, wir machen am Wochenende einen Filmeabend oder eher gesagt Filmewochenende und schauen so viele wie es geht. Am besten aus jedem Genre einen." überlegte er schon. Ich lächelte, anscheinend sind ihm Filme ziemlich wichtig.
Nachdem das Thema Filme abgeschlossen war, fragte er mich nach Büchern, Musik, Hobbys und all die anderen Lieblings-Dinge. Abgesehen davon, dass mein Geschmack bei Büchern und Musik laut Fynn veraltet war, hatten wir doch viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Es wurde ein sehr schöner Nachmittag und erstes Date.
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