Murmeltier auf Speed

Verdammt! Wie konnte das passieren? Und wo war der Texaner hin? Willy sah sich hastig um, aber er war immer noch allein mit dem Portal und der Verrückten in der Wüste. Die Sonne brannte ihm auf den Pelz und außer dem Rieseln des Sandes war es still.

»Du kannst sprechen?«, fragte Evelyn überflüssigerweise.

Er ignorierte sie. Das war seine Chance. Besser eine Tankstelle voller Snacks als verbranntes Fell im Labor der Irren. Er sprang herum, über kleine Dünen und vor den Platz mit den Zapfsäulen. Der Boden war brennend heiß, aber gleich würde er im Schatten sein.

»Hey! Was soll das?«, schrie sie ihm nach. »Du gehörst mir!«

Ohne Hände war es schwierig, ihr den Stinkefinger zu zeigen, also strafte er sie einfach mit Verachtung. Nicht ohne sich zu vergewissern, dass sie auf ihrer Seite des Portals, etwa zehn Meter entfernt, stehen blieb. Inzwischen war er im Schatten und hatte den schwarzen Pick-up erreicht. Es stank bestialisch nach Benzin. Feuchtigkeit breitete sich unter seinen Pfoten aus. Verdammt. Ein Zapfhahn lag auf dem Asphalt und spuckte literweise braune Flüssigkeit aus. Die Lache bedeckte fast den ganzen Parkplatz. Eine Tür quietschte und er konnte zwei dreckige Gummistiefel sehen, die aus dem Laden traten. Ein mechanisches Klicken ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Zurück in die Wüste oder rein in das Geschäft? Der Weg zur offenen Tür war eindeutig kürzer. So schnell er konnte, sprintete er vorwärts. Tatsächlich zündete sich gerade ein Farmer eine Zigarette an.

»Hey!«, rief er mit seiner piepsigen Rattenstimme. »Bist du bescheuert? Mach das Feuer aus!«

Der Mann zuckte zusammen und sah ihn an. Seine Augen und der Mund weiteten sich – und die glühende Zigarette fiel herunter. Als der Stummel den Boden erreichte, entzündeten sich die Benzindämpfe. Eine Wand aus Flammen schoss auf Willy zu. Er warf sich herum, um zu entkommen, aber er hatte keine Chance. Das lodernde Feuer holte ihn ein. Hitze und Schmerzen waren das Letzte, was er spürte, bevor er Sekunden später in gnadenvoller Bewusstlosigkeit versank.

⌁⋅⌁

Er wurde weggeschleudert. Himmel und Wüste wirbelten durcheinander, bis er schmerzhaft mit der Schnauze voran im Sand aufschlug. Verflucht. Er rappelte sich auf, spuckte den Dreck aus und schüttelte sich kurz. Gut, dass er eine Ratte war. Moment mal. War das ein Déjà-vu? Träumte er? Ein Blick zurück zeigte ihm Evelyn, deren Augen und Mund ähnliche Rundungen aufwiesen wie das Portal.

»Heilige Scheiße«, entfuhr es ihr, nachdem sie ihre Lippen wieder geschlossen hatte. »Was war das? Bist du nicht gerade in einer explodierenden Tankstelle verbrannt?«

Es war also keine Einbildung gewesen, und das hier war entweder ein verrückter Traum oder ... etwas anderes. Die normale Realität gab das nicht her. Zurück zu Evelyn kam nicht infrage. Diesmal würde er vorsichtiger sein. Daher blieb er im Sand sitzen und wartete ab, was an den Zapfsäulen passieren würde. Ob dort wieder Benzin auslief, konnte er aus seiner bodennahen Position nicht sehen. Die Ladentür öffnete sich und der Bauer trat heraus, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er stieß eine Rauchwolke aus, blickte zu ihnen hinüber, reagierte aber nicht. Sah er das Portal nicht? Was war mit dem Benzin? Das muss er doch gerochen haben.

Ein Greifvogelschrei unterbrach ihn. Als er den Kopf hob, stürzte sich ein schwarzer Schatten herab. Messerscharfe Krallen bohrten sich in seinen Bauch und ließen ihn aufquieken. Ein gezielter Schnabelhieb löschte seine Gedanken mit einem blendenden Schmerz aus.

⌁⋅⌁

Er wurde weggeschleudert. Himmel und Wüste wirbelten durcheinander, bis er schmerzhaft mit der Schnauze voran im Sand aufschlug. Ach, ver ... dammte Scheiße. Schon wieder.

»Willst du wirklich nicht mit ins Labor?«, fragte Evelyn mit hochgezogenen Augenbrauen.

Nachdem er sich aufmerksam umgeschaut und den Himmel begutachtet hatte, wandte er sich an die Wissenschaftlerin: »Du warst bisher nicht besonders nett zu mir.«

»Na und? Du bist eine Laborratte.«

»Von wegen. Dann komm und hol mich.«

»Ich glaube, das lasse ich lieber.«

»Das nennt man wohl eine Pattsituation«, sagte er und verschränkte die Arme.

Bevor sie antworten konnte, ertönte hinter ihm das Geräusch einer Kinderrassel. Na toll. Das war, wie »Täglich grüßt das Murmeltier« auf Speed. In diesem Moment bohrten sich zwei lange Giftzähne in seinen Rücken. Er merkte nichts mehr davon, wie die Kobra ihn in einem Stück verschlang.

⌁⋅⌁

Er wurde weggeschleudert. Himmel und Wüste wirbelten durcheinander, bis er sich geschickt mit den Hinterbeinen abfangen konnte. In einer Staubwolke bremste er ab und drehte sich um.

»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte er.

»Wir waren beim Patt, glaube ich«, antwortete Evelyn.

Ja, da war etwas. Gut, sie hatte keinen Teleporter erfunden. Aber wo zum Teufel war er hier ...? Oh. Langsam dämmerte es ihm.

»Na gut«, lenkte er ein. »Ich komme zurück – unter einer Bedingung: Wir sind gleichberechtigte Partner und du behandelst mich auch so. Ohne mich kannst du nichts tun. Dafür erkläre ich dir, was das hier für eine Dimension ist und was das Besondere an mir ist. Außerdem helfe ich dir dabei ... ähm ... Was willst du eigentlich mit deinen Experimenten erreichen?«

»Einverstanden.« Sie blickte in den Himmel. »Das erkläre ich dir später. Ich glaube, du solltest dich beeilen.«

Verärgert folgte er ihrem Blick. Diesmal war es kein Raubvogel. Zwei schwarze Punkte rasten auf sie zu. Oh Mann, nicht schon wieder. Mit einem Satz sprang er durch das Portal. Seine Pfoten landeten auf dem kühlen Betonboden des Labors. Er befürchtete, Evelyn würde ihr Wort brechen und ihn direkt packen, aber sie stand nicht neben ihm. Wo war sie hin? Als er sich umschaute, sah er, wie sie wild auf die Tastatur ihres Computers einhämmerte.

»Was machst du da?«, wollte er wissen.

»Moment ... Ha! Geschafft!« Triumphierend grinsend drückte sie eine letzte Taste und drehte sich um. »Siehst du?« Sie deutete hinter ihn.

Das Portal sah aus, als hätte jemand eine Milchglasscheibe davor gelegt. Dort klatschten zwei menschliche Körper auf den Asphalt vor der Tankstelle. Na ja, genau genommen, korrigierte er sich, platzte der eine wie eine Melone, die von einem Hochhaus gefallen war. Der andere riss bei seiner Landung einen kleinen Krater in die Straße, ging jedoch nur leicht in die Knie, während sich sein schwarzer Mantel elegant um seine Knöchel wickelte.

»Was hast du gemacht?«, fragte Willy.

»Die Modulation geändert. Wir können beobachten, aber man kann uns nicht sehen ... zumindest theoretisch. Ja, sorry. Das hat vor mir noch niemand versucht.« Sie starrte ihn an. »Und jetzt zu dir.«

Langsam wich er vor ihr zurück und sah sich nach möglichen Verstecken um. Mit einem flinken Satz verschwand er unter der Unterseite des nächsten Labortisches.

»Du hast mir etwas versprochen«, erinnerte er sie.

»Richtig. Aber du auch. Also?«

»Ich war einmal ein Mensch und wurde wiedergeboren. In diesem Körper. Daher nehme ich an, dass das da drüben ...«

»... die Hölle ist«, vollendete sie seinen Satz und richtete ihre Konzentration auf das Portal. »Vielleicht eine Art Unterwelt oder Paralleluniversum.«

Auf der Straße zog sich der Fleischbrei zusammen, als würde man einen Film rückwärts abspulen, und bildete am Ende einen hageren Mann mit einer zerbrochenen Brille. Die beiden unterhielten sich kurz, dann schob der Große den anderen in den Shop der Tankstelle. Diesmal gab es keine Explosion und der Bauer kam nicht heraus. Ein Schuss ertönte. Schweigend beobachteten sie das Geschehen. Nochmals zerplatzte der Dürre auf den Asphalt und setzte sich wieder zusammen. Sein Begleiter trat entspannt aus dem Laden und sah sich um. Als sich der mit der Brille nicht rührte, wurde der klatschend vom Kühlergrill eines Lastwagens weggerissen, der wie aus dem Nichts herangerast war. Dem Mann erging es ähnlich wie ihm vorhin.

»Hast du jetzt genug von der Freakshow gesehen?«, fragte Willy, wagte sich aber immer noch nicht unter dem Tisch hervor.

»Im Gegenteil, mein Kleiner. Eine Frage: Konntest du schon die ganze Zeit sprechen?«

»Quatsch. Sonst hätte ich dir gesagt, wie scheiße ich deine Experimente finde.«

»Hm ...« Sie legte einen Finger an die Lippen und starrte an die Decke, während der Mann im Portal einen grausamen Tod nach dem anderen starb. »Durch deine Berührung ist der Texaner implodiert und du kannst plötzlich reden. Du hast also seine Energie absorbiert.«

So weit war er gedanklich auch schon. »Mag sein. Aber was ist mit dem Kerl im schwarzen Mantel? Er läuft ganz entspannt herum, als ginge ihn das alles nichts an.«

»Ja. Er sucht etwas – oder jemanden – und hat offenbar nichts zu befürchten. Also ist er Teil dieser Dimension. «

»Du meinst, er ist ... der Teufel persönlich?« Er musste schlucken. Auch wenn er nicht gläubig war, sollte er diese Haltung langsam überdenken.

Sie schüttelte ihre rote Mähne und setzte sich vor die Computer. »Nein. Das glaube ich nicht. Sonst hätte er die Szene nicht inspizieren müssen und wäre nicht mit einem Lakaien gekommen. Das passt nicht. Vielleicht ist er ein Dämon? Aber der andere scheint ein Mensch zu sein – oder zumindest das, was davon übrig ist, wenn man dort landet. Das ist ... Perfekt!« Wie wild hämmerte sie wieder auf die Tasten ein, während seitenweise grüne und blaue Zahlenkolonnen über die Monitore rauschten.

»Aha.« Er kapierte kein Wort der Irren. »Ähm ... solltest du das Portal nicht lieber schließen? Ich meine ja nur, nicht, dass uns der Typ hier noch ...«

»Machst du Witze?«, unterbrach sie ihn. »Das ist die Chance, auf die ich gewartet habe! Was glaubst du, wozu ich den ganzen Klump hier brauche?«

»Chance ... um was genau zu tun?«

Statt zu antworten, ging sie auf die andere Seite ihres Labors, bei dessen Anblick jeder Elektroingenieur in Ekstase verfallen wäre. Elektronische Bauteile, robotergesteuerte Greifarme, dampfende Lötkolben und ein Dutzend Apparaturen, deren Sinn sich ihr nicht erschloss, füllten die Wand. In einem kühlschrankgroßen Kasten schwirrten seit einigen Minuten eine Handvoll Düsen und Greifer vor sich hin. Als sie zum Stillstand kamen, öffnete sich zischend die durchsichtige Frontscheibe. Dampf quoll heraus und es roch nach verbranntem Gummi.

»Wunderbar. Komm her, mein Süßer, und sieh dir das an!« Sie winkte ihn heran. »Los, los. Hab keine Angst. Dir wird nichts passieren. Wir sind doch Partner, oder?«

Das war leicht gesagt, wenn man sich mit einer verrückten Wissenschaftlerin in einem Labor befand, das buchstäblich das Tor zur Hölle war. Andererseits würde er ohne ihre Hilfe hier definitiv nicht rauskommen. Also trippelte er zu ihr hinüber und betrachtete das klobige Gerät, das sie aus dem Automaten zog. Es erinnerte ihn an eine Mischung aus einer futuristischen Laserpistole und einem Staubsauger aus dem vergangenen Jahrhundert.

»Komm her.« Sie streckte ihm ihre – handschuhfreie – Hand entgegen. 

Mit einem mulmigen Gefühl betrat er ihre weiche Handfläche und ließ sich hochheben. Von oben konnte er mehr Details ihrer ... Waffe? ... erkennen. Vor allem eine geöffnete Klappe zu einer mit Elektronik ausgekleideten Kammer – groß genug für eine Ratte.

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