6. Machtprobe

Im Jahre 1734, nördlicher Teil des Waldes

Prinz

"Einen Illusionisten nennst du mich? Die Frage ist ja eher, ob du mir hier eine Täuschung zeigst, nicht ich.", erwiderte mein Bruder interessiert.
"Natürlich zeige ich dir eine, und das weißt du."
"Dann präzisiere ich meine Frage; bist du, wer du zu sein scheinst?", fragte Christian das Mädchen.
"Das habe ich doch gerade eben gesagt: Nein."
Was spielen die dort bloß für ein merkwürdiges Wortspiel?
Doch noch immer konnte ich mich nicht bewegen, die Neugier ließ mich nicht los.
"Dann lass mich die Antwort durch ein Spiel herausfinden; wie wäre es mit ein wenig Gartenarbeit?"
"Rühr' auch nur eine der Pflanzen an, und dein kurzes Leben ist zu Ende, bevor du auch nur ansatzweise so alt wie ich bist."
Christian ist doch mindestens zwei Jahre älter als sie?, rätselte ich.
"Weißt du, Rosen muss man zuschneiden, damit sie in doppelter Pracht zurückkehren."
"Wag es ja nicht, sonst endest du wie das Halbblut."
"So kam es also dazu. Er wurde schon lange nicht mehr so stark verletzt."
"Das war ein lächerlicher Kratzer. Dich werde ich sicherlich nicht so mit Samthandschuhen anfassen."
Ich spürte, wie ich etwas blass wurde.
Sie hat mich wie einen Sack Mehl einfach mal so über die Schulter an einen Baum geworfen. Das nennt sie einen Kratzer?
"Und ich werde mich auch nicht so von dir einschüchtern lassen. Ich werde die Rose stutzen, auf dass sie nie wieder erblühen mag."
"Du weißt schon, dass das gegen den Beschluss ist?", sagte sie erstaunlich ruhig.
"Sicher? Ist es nicht eher gegen den Beschluss, diese Rose überhaupt zu pflanzen?"
Das Mädchen schnaubte.
"Wohl kaum, weil ich nicht die Absicht hatte, gegen ihn zu rebellieren, und das habe ich dem Rat ausreichend bewiesen."
Ich versuchte mir einzureden, dass die beiden bloß von einer x-beliebigen Rose sprachen. Ganz bestimmt redeten sie von irgendeiner Rose zu ihren Füßen...
"Du willst doch nicht etwa als Mitglied dieses lachhaften Adelsgeschlechts euren Ursprung auslöschen?"
Dabei klang sie eher erheitert als wütend.
Wie soll sie denn bitte die weiße Rose gepflanzt haben?, dachte ich ungläubig.
"Nein, ich will mein Spiel."
"...Welches darin besteht, dass du versuchst, die Rose des Nordens abzutrennen und ich dich mit aller Macht aufhalten muss?"
"Richtig."
"Bekomme-
Ich gab Abraxas die Sporen, galoppierte vor die Rose und bildete so einen Schutzwall zwischen meinem Bruder und der Eiche mit weißen Wurzeln. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass Christian an dem nächstgelegenen Baum von rechts lehnte und auch die Namenlose im Schneidersitz noch weiter weg links saß. Beide waren die Ruhe in Person.
"Christian, du solltest dich schämen! Wie kommt es, dass eine flüchtige Gefangene mehr Verstand und Moral besitzt, als du? Hast du denn die Konsequenzen dieser Handlung völlig außer Acht gelassen? Du könntest an den Galgen kommen!" 
"...ich zehn Sekunden Vorlauf?", setzte das Mädchen ihren Satz zu Ende, als wäre ich nonexistent.
"Bist du tatsächlich so langsam? Das machte vorhin einen ganz anderen Eindruck.", ignorierte mich auch mein Bruder völlig.
"Hallo...?! Ich bin auch noch hier...?!"
Sie zuckte mit den Schultern, jedoch ging diese arrogante Geste nicht einmal an mich.
"Und dir liegt offensichtlich auch nicht so viel an dem Werk von deinesgleichen. Damit hätte ich bei so einem Jüngling rechnen müssen. Das Spiel beginnt in drei, zwei,-"
"Halt! Beim Namen der-, brüllte ich aus voller Kehle, jedoch vergebens.
"...eins.", hauchten beide irritierend leise.
Im nächsten Moment wirbelte Staub auf und beide waren von ihren vorigen Plätzen verschwunden. Ein Luftzug zog an meinen Seiten entlang und an der rechten erreichte mich gleichzeitig der schwere Geruch von Blut. Einen Augenblick lang war ich verwirrt, doch dann blähte der verletzte Fuchs die Nüstern, legte die Ohren an und stieg wiehernd, sodass ich beinahe abgeworfen wurde und ging durch.
Der sonst so wackere Hengst raste blind vor Angst davon, ihn interessierte es wohl wenig, dass er als Schlachtross für den Prinzen erdacht worden war.
"Du dummer Gaul, bleib doch endlich stehen!", fauchte ich ihn an und sprang kurzerhand ab, da der Schaum schon aus seinem Maul troff - so sehr arbeitete er gegen die Zügel an - aber dennoch nicht daran dachte, auch nur langsamer zu werden.
Bevor ich jedoch auch nur zurück rennen konnte, hörte ich jemand nur allzu bekannten sagen:
"Halt! Ich befehle dir stehen zu bleiben, Johann!"
Ich ignorierte sie und rannte, was das Zeug hielt. Sie konnte mich unmöglich einholen, wenn ihr nicht plötzlich Flügel gewachsen waren.
Flügel oder nicht, plötzlich stand die Königin groß, gebieterisch und unnachgiebig mitten auf dem torfhaltigen Waldboden, sodass mir nur der Weg an ihr vorbei blieb. Kurzentschlossen setzte ich zu einem waghalsigen Sprint an, doch Mutter packte mich an der Schulter und hielt mich an Ort und Stelle. Obwohl ihre plötzliche Kraft erschreckend groß war, zeigten weder die Hände durch weiße Knöchel, noch das Gesicht durch verzerrte Gesichtszüge Anstrengung.
"Bleib, mein Sohn. Das ist nicht für deine Augen bestimmt."
Sie sah merkwürdig traurig aus, als sie das sagte, mit der zweiten Hand mühelos Abraxas zügelnd, der schnaubend der die Schnauze an ihren Arm drückte, ohne ein Zurückweichen oder Zuneigung ihrerseits zu erreichen. 
Ich wirbelte herum, wodurch sich meine Schulter aus dem Griff drehte - offenbar hatte sie nicht damit gerechnet - doch anstatt erneut an ihr vorbeirennen zu wollen oder den Rückzug anzutreten, trug mich die Drehung weiter und ich packte Mutter am spitzenbesetzten Saum ihres beigen Kleiderkragens.
"Was wird hier gespielt? Was macht ihr alle für Andeutungen? Wieso bin ich der einzige, der kein Wort versteht? Warum ist die geplante Entwurzelung der weißen Rose nicht für meine Augen bestimmt? Wie könnt ihr euch alle so schnell bewegen? Wie kann sie älter als unser Adelsgeschlecht sein? Sollte ich überhaupt unser Adelsgeschlecht sagen? Wieso trägt sie keinen Namen? Von welchem Beschluss ist die Rede? W-
"Halte ein! Soll dich denn jeder hören, so wie du brüllst?"
Mutter wirkte besorgt, aber auch wütend.
"Ich werde nicht still sein! Jeder soll es hören, schließlich sollte jeder wissen, dass Monster den Platz des Adelsgeschlechtes eingenommen haben!"
Abraxas stieg wiehernd, trat aus und traf meine Brust so wuchtig, dass es mir den Atem raubte und ich rücklings im Dreck landete. Keuchend rappelte ich mich auf.
"Hast du jetzt auch noch meinen Gaul verhext?", japste ich wutentbrannt.
"Besinn dich, mein Sohn. Ich habe Abraxas aufgezogen, natürlich verteidigt er mich. Außerdem sind Tiere manchmal schlauer, als du glaubst. Er hat gespürt, dass etwas nicht stimmt."
Es fiel mir schwer, mir die Königin in einem Stall bei einem winzigen Fohlen im Stroh kniend vorzustellen, doch was machte das schon, wenn meine ganze Welt auf den Kopf gestellt wurde?
"Ich kann mich erst wieder dein Sohn nennen, wenn ich erfahre, was hier gespielt wird.", meinte ich schroff, aber wieder in normaler Lautstärke.
Natürlich nur, um meinen Hals vor der Heiserkeit zu bewahren.
"In einem Punkt sind wir immerhin einer Meinung; wir wollen beide die weiße Rose blühen sehen."
Wütend, dass sie ablenkte, fauchte ich:
"Tatsächlich?! Warum hältst du die beiden denn dann nicht auf?"
Sie seufzte.
"Das kann ich nicht. Christian muss sich erst beweisen."
"Beweisen?! Er ist der Prinz der weißen Rose, sie eine dahergelaufene Streunerin!"
"Jedenfalls wäre es schön, wenn du mich runterlassen würdest. Langsam wird das Atmen schwierig.", meinte sie ohne auf meinen Ausruf einzugehen, doch sie klang dabei nicht im Mindesten gepresst.
Im ersten Impuls wollte ich ihrem Wunsch nachkommen, griff dann aber fester nach.
"Antworte mir zuerst. Wieso will er die weiße Rose entwurzeln? Warum hältst du ihn nicht auf?"
"Er macht das, um sie zu provozieren. Und ich halte ihn nicht auf, weil ich ebenso wie er wissen muss, ob er sie überlisten kann oder nicht. Ich fände sicherlich einen Gärtner, der die Rose retten könnte."
"Das ist nur die halbe Wahrheit. Und was, wenn jeder Gärtner überfordert ist? Wie kannst du es überhaupt riskieren, dass die Rose abstirbt?"
"Es wird sich jemand finden. Und mehr kann ich deine Fragen nicht beantworten."
"Warum nicht?"
"Um dich zu schützen."
"Wovor denn? Einem wütenden Bruder?", meinte ich ungeduldig.
"Vor einer Welt, in der die Intrigen des Königshofes wie Kinderspielchen wirken."
"Und wo versteckt sich diese Welt?", feixte ich, langsam ging meine Geduld zu Ende.
"Sie ist mit der unseren vermischt und hat sich gut genug angepasst, dass wir sie nicht bemerken, außer wir suchen sie."
Plötzlich schien alles viel mehr Sinn zu ergeben. Christian, das Mädchen und Mutter, wie sie über das Gleiche lachten, gegenseitig kryptische Äußerungen austauschten und mich dabei geschickt umgingen. Und dennoch...
"Du, Christian und das Mädchen seid ein Teil dieser Welt, nicht wahr? Was ist so anders an Christians anderem Namen und warum trägt das Mädchen keinen?"
Sie schwieg.
Und das so lange, dass ich schon glaubte, sie bekäme keine Luft mehr, sodass ich meinen Griff etwas lockerte.
"Nun, den Namen, den sich Christian gegeben hat, bedeutet übersetzt so viel wie 'Jäger', während Mayina so viel wie 'Namenlose' bedeutet. Und warum sie keinen Namen trägt, hat sie selbst gesagt. Mehr weiß ich auch nicht."
Haha, das ist ja total witzig.
"Und warum redet ihr dann miteinander, als würdet ihr sie schon ewig kennen? Habe ich etwas verpasst? Jedenfalls habe ich sie noch nie auf dem Schlossgelände gesehen."
"Sie war auch noch nie hier. Es gibt bloß zu wenige, um einander als fremd zu bezeichnen."
Die Wörter 'von uns', die sie kaum rechtzeitig hatte hinunter zwingen können, lagen schwer in der Luft wie Blei.
"Liegt es an dem mysteriösen Beschluss, dass du mir so wenig erzählst?"
Ein erleichtertes Nicken von der Person, die ich noch vor wenigen Minuten Mutter genannt hatte.
"Und was besagt dieser Beschluss noch? Mir ist es egal, ob ich angeblich nichts davon wissen darf.", meinte ich genervt.
"Ich bin dein Sohn, dein Fleisch und Blut. Wie kann es da sein, dass ich nicht automatisch ein Teil eurer Welt wurde?"
"Lass mich bitte hinunter."
"Wie ist das möglich?"
"Ich bitte dich nicht noch einmal."
Da ich ahnte, dass sie genauso stark wie schnell war, warf ich sie von mir, in der Hoffnung, sie möge zumindest straucheln, damit ich nach einer Möglichkeit suchen konnte, Christian aufzuhalten.
Mutter landete geschickt auf den Füßen und verschränkte die Arme, während sie wie ein Fels vor dem Hengst stehen blieb, der mit angelegten Ohren und geblähten Nüstern dageblieben war.
"Nicht gerade die passende Behandlung für ein Familienmitglied."
"Was soll das? Warum erfahre ich nur die Hälfte? Und was soll ich damit? Für euch wäre ich dann doch höchstens eine Gefahr. Warum bindest du mich nicht ein und erzählst mir alles? Warum erfahre ich überhaupt etwas, wenn es zu nichts nützt und euch nur schadet?", versuchte ich es scheinbar gleichgültig.
"Letztendlich bist du immer noch mein Sohn, den ich zu schützen versuche. Und ich gebe dir diese Antworten, damit du genug Geduld hast, zu warten, bis ich mir überlegt habe, wie ich dir das Ganze am besten erkläre. So einfach-
Sie hielt inne und schien auf ein fernes Geräusch zu lauschen, das ich nicht hören konnte.
"Was ist?", blaffte ich sie ungeduldig an.
Mehr als eine scharfe Geste zu schweigen war ich offenbar nicht wert.
Angestrengt lauschte ich in den von Leben erfüllten Wald hinein, konnte jedoch immer noch nichts Ungewöhnliches hören.
Noch geschlagene zwanzig Sekunden spannte mich die Königin auf die Folter, dann hauchte sie:
"So schnell? Diese Niederlage hatte ich erwartet, aber..."


Nördlichster Punkt des Waldes, weiße Rose

"Mal ehrlich: Was hattest du erwartet?", spuckte ich ihm entgegen.
Die Bäume um uns herum, abgesehen von der Eiche mit weißen Wurzeln, waren kaum mehr als Kleinholz, der Boden ein Paradies für Maulwürfe und Christian lag mit auf den Rücken gefesselten Händen mit dem Gesicht voran auf dem aufgewühlten Erdreich. Immerhin hatte er genug Stärke bewiesen, einige Bäume entgegen meines Wunsches zu zerstören, was ihm somit nicht meine völlige Verachtung einbrachte.
"Du warst sogar so langsam, dass ich die Zeit hatte, das Seil herzustell-
Blitzschnell riss er den Oberkörper hoch, doch genauso schnell landete mein Ellenbogen in seinem Kreuz und als sein Oberkörper wieder den Boden berührte, stellte ich den Fuß entschieden zwischen seine Schulterblätter.
Konnte sein, dass ich ihm dabei etwas prellte, doch das sollte er wegstecken können.
"Und wieder zu langsam. Hättest du gerne noch einen Maulkorb?"
So langsam fragte ich mich, ob mein Respekt gerechtfertigt war. Dabei war ich mir sicher, mir die gewaltige Kraft nicht eingebildet zu haben, die ich unter seiner Haut lauern gespürt hatte. Vielleicht würde er endlich ernst machen, wenn ich ihn ein wenig provozierte.
Kasuka lachte leise.
"Tut mir leid, aber ich bin nicht von einem so einfältigen Schlag wie Johann. Deine Provokation beeindruckt mich nicht."
"Wenn du so viel besser bist, warum machst du dann nicht ernst?", meinte ich spöttisch.
"Aus dem gleichen Grund wie du. Ich verschwende meine Kräfte nie – besonders nicht für eine solche Machtprobe."
Ich lachte und trat nochmal nach, doch er tat mir nicht den Gefallen und stöhnte.
"Was genau wird diese Gartenarbeit hier dann?"
Er versuchte, den Kopf zu heben, doch meine hart geführte Linke hinderte ihn an jeder weiteren Bewegung.
"Ein Spiel."
"Guter Konter. Was hättest du gerne als Belohnung: Einen Bonbon?"
"Danke, nein."
Er klang zwar immer noch ruhig, jedoch aufgrund meines allgegenwärtigen Fußes etwas gepresst.
"Siehst du deine Niederlage ein und lässt meine Rose in Frieden?"
Als Antwort winkelte Kasuka ein Bein an und versuchte nach mir zu treten, doch ich verlagerte einfach mein Gewicht auf dem auf ihm stehenden Fuß und drehte mich aus seiner Reichweite, sodass er keuchte und er den Versuch aufgab.
Hämisch grinsend wiederholte ich meine Frage und verlieh ihr durch Nachtreten mehr Nachdruck.
"Wie kann dein hergestelltes Seil trotz unserer übermenschlichen Kraft reißfest bleiben?", fragte er im kläglichen Versuch, das Eingeständnis seiner Niederlage hinauszuzögern.
"Wenn du das nicht weißt, haben wir einen Grund mehr, getrennte Wege zu gehen."
Wie es schien, hatte ich ihn tatsächlich überschätzt.
"Und? Reicht dir das Spiel jetzt?"
Er schwieg.
Also packte ich kurzerhand die Rückseite seines Hemdes, sodass er die weißen Wurzeln anstarren musste, wobei mein Fuß in seinem Rücken blieb.
"Antworte mir."
"Nein, ich würde gerne noch mehr spielen."
"Zu dumm, so schwaches Spielzeug wird recht schnell langweilig. Und wer spielt schon mit etwas, das er langweilig findet?"
Komm schon, zeig' mir dein wahres Gesicht! Ich will deine Kraft sehen!
Tatsächlich flackerte in seinen stahlgrauen Augen kurz die Wut auf, doch sie verschwand so schnell, dass ich mir selbst mit meinen besseren Augen nicht sicher sein konnte.
"Ich will deine Organe nicht auf dem Boden verteilen, also lass mich einfach aufstehen.", meinte Kasuka plötzlich.
Ich lächelte kalt.
"Ahja. Woher nimmt der 'Jäger' plötzlich seine Entschlossenheit?"
Es war eine rhetorische Frage, denn im selben Moment konnte seine Mutter durch das Unterholz rennen hören.
"Lass mich los."
Es wäre mir ein Vergnügen, dich hier ein Jahr lang festzuhalten, weißt du?"
Ich wusste selbst, dass ein Mensch mich als grausam betitelt hätte, doch was interessierten mich ihre Meinungen? Außerdem hatte mich dieser erst so vielversprechende Sohn der selbsternannten Königin maßlos enttäuscht.
Überheblich, wenn auch auf eine andere Art als das nervige menschliche Prinzchen und unwissend wie ein Baby.
"Loslassen, habe ich gesagt."
"Ach, wäre mir glatt entgangen." 
Nur noch ein wenig...
Entschieden packte ich ihn an der Fessel und spielte mit den Fingerspitzen der anderen Hand an dem feingearbeiteten Bund seiner Hose, auch wenn sein Unterkörper immer noch mit dem Bauch voran im Schlamm lag.
"Du weißt, wie leicht ich sie zerreißen könnte."
Wieder winkelte Kasuka sein Bein an und wieder drehte ich mich weg. Er nutzte jedoch diese minimale Ablenkung und warf sich trotz meinem Fuß zur Seite. Ich hatte seine Handgelenke zwar loslassen können, doch sein Schwung brachte mich dennoch zu Fall, worauf ich sofort einen Ellenbogen, wenn auch abgemindert durch die zusammengebundenen Hände, in die Rippen bekam. Im Gegenzug revanchierte ich mich mit einem Stoß meines Knies gegen seine Hüfte. Zwar zuckte er zusammen, rollte sich jedoch weiter, sodass ich unter ihm begraben werden sollte und holte erneut mit den Ellenbogen aus.
Grinsend schlang ich einen Arm um seinen Hals.
Endlich fing das Ganze an, Spaß zu machen.
Kasuka schnappte nach Luft und versuchte sich mit dem Kopf von mir zu entfernen, worauf ich den Druck verstärkte.
Plötzlich schnellte sein Kopf jedoch zurück und für einen Moment sah ich nur rot, schmeckte Blut und fühlte Schmerz.
Er hatte sich schon halb aus meiner Umklammerung gewunden, als mir meine Gliedmaßen wieder gehorchten.
Ich lächelte, leckte mir die blutigen Zähne und schlang die Beine um seine Hüften, bevor er verstand, was ich tat.
Du kannst ja doch ganz unterhaltsam sein. Aber besiegen wirst du mich nicht."
Nun nahm ich auch den zweiten Arm zu Hilfe und hielt ihn so lange in meinem eisernen Griff, bis er erschlaffte. Kurz vergewisserte ich mich, dass er nicht simulierte und ließ ihn dann los. Während ich mich unter ihm herauswand, aufstand, etwas von dem Blut fortwischte und den Fuß wieder auf seinen Brustkorb stellte, meinte ich:
"Eine kleine Lektion, Junge: Nutze deinen Stolz weise."
Die Königin erschien kaum, dass ich zu Ende gesprochen hatte und schnappte nach Luft.
"Was hast du mit meinem Sohn gemacht?!"
"Er lebt.", erwiderte ich leichthin, warf die Haare zurück und wandte mich ab.
Ich wollte gerade zwischen den Bäumen verschwinden, als sich ein Schraubstock um mein Handgelenk schloss. Die Hand der 'Königin'.
Sofort begannen Wärme und Kraft aus meinem Körper zu fließen, hin zu der Stelle, an der sich unsere Haut berührte.
In einer einzigen, fließenden Bewegung wirbelte ich herum, packte ihren Hals und hob sie daran hoch.
"Mach sowas nie wieder."
"Was?"
Wäre ich ein Mensch gewesen, hätte ich ihr die Unwissenheit abgekauft:
Ihre Stimme war genau im richtigen Maße überrascht, die Augen nicht zu viel oder zu wenig geweitet und ihre Haut in Unschuldsmiene und Irritation verzogen.
Doch zum Teufel mit den hinkenden Vergleichen mit den schwachen, stumpfsinnigen Menschen!
Ich packte ihren Hals noch fester; eigentlich hätte ich ihr den Hals brechen müssen. Auf eine verdrehte Art und Weise war es trotzdem richtig, dass die zerbrechlichen Halswirbel keinen Schaden erlitten.
"Spar dir die Heuchlerei. Ich weiß genau, dass du versucht hast, mir meine Magie zu entziehen. Dieser Schutz um deine Haut spricht Bände."
Wütend verstärkte ich den Druck; es fühlte sich an, als würde man etwas stark Vibrierendes stillhalten wollen und meine sämtlichen Haare richteten sich aufgrund der Spannung auf – berühren konnte ich sie jedoch nicht.
Und doch hatte ich sie im Griff und sie ließ in einem Reflex los, um meine Hand zu lockern.
Nun packte ich mit der zweiten Hand die ihre und brach ihr Handgelenk so rasch und mühelos, wie das ihres Sohnes.
"Immerhin warst du nicht so bescheuert, dir einen dauerhaften Schutz gegen alle Verletzungen zu errichten – nur Angriffe mit der Absicht zu töten blockst du ab."
Mein Arm wurde bereits taub, doch ich ließ nicht los, während sich die Augen der 'Königin' weiteten.
Der ohnehin gehetzte Blick, der die Gelassenheit ersetzt hatte, als sie ihren bewusstlosen Sohn entdeckt hatte, wich blanker Angst.
"Es ist idiotisch, sich auf den Schutz durch Magie zu verlassen. Ich kann dich solange in die Zange nehmen, bis der Schutz aufgebraucht ist – alles was mir dein Zauber antut, ist ein tauber Arm. Das heilt."
"Warum tust du das? Wir können es uns nicht leisten, uns gegenseitig zu vernichten.", meinte sie ängstlich und versuchte, mit ihrem gesunden Arm meine Hand zu lockern.
"Ich will niemanden beim Überleben helfen, der solche unnötigen, schlecht gearbeiteten, ineffizienten und großflächigen Zauber im Austausch für so große Opfer schafft.", knurrte ich.
"Es ist unnötig, das eigene Leben zu schützen?", fragte die Königin verwirrt und eine Oktave zu hoch.
"Jetzt hör mir mal zu, du Möchtegern-Königin: Wozu lebst du so lange? Lerne, dich selbst zu verteidigen, stell dir eine Rüstung her, wenn dich das beruhigt oder vergiss deinen hohen Posten, wenn du solche Angst vor dem Tod hast! Zugegeben, die Menschen und ich werden nie beste Freunde werden, aber diese Behandlung haben sie nicht verdient, bloß, weil du so schreckhaft bist."
Ich versuchte, einmal tief durchzuatmen, doch es half nichts.
"Dein Sohn weiß nicht einmal, warum ich unzerstörbare Seile herstellen konnte! Weißt wenigstens du es?"
Sie nickte schwach, inzwischen merklich blasser geworden – sie konnte spüren, dass der Zauber nachzugeben begann, wie Knete.
"Gut. Ich werde die Menschen hier ab jetzt genauer beobachten. Ich bin gnädig – du hast recht, wir sind seltener geworden; deswegen werde ich euch fürs Erste weiterleben lassen. Aber geh sparsamer mit deiner Magie um, ich werde es bemerken, wenn du es nicht tust. Das gleiche gilt für deinen Sohn; richte ihm außerdem von mir aus, dass er sein Spiel verloren hat und dass ich ihn doch töten werde, wenn er sich als schlechter Verlierer erweisen sollte."
Ich konnte in der Ferne den schnaufenden Atem und die schweren Schritte des Prinzchens hören.
"Das einzig Gute, was ich dir anrechnen kann, ist, dass dein enttäuschender Sohn nichts von unserer zweiten Fähigkeit weiß – er sollte erst vernünftig mit Magie und seinem Posten als Thronanwärter umgehen können, bevor er mehr Macht bekommt. Durch die erste Machtprobe ist er ja bereits durchgefallen."
Wie ein wildes Tier brach das Prinzchen durch das Unterholz, doch ich schenkte ihm keine Beachtung.
"Haben wir uns verstanden? Kein Wort zu ihm, sonst -"
"Christian! Mutter!"
Die Augen der Frau wanderten kurz zu dem Menschen, doch sie richtete ihren Blick sofort wieder auf mich – scheinbar gleichgültig, doch ich wusste es besser.
"Natürlich haben wir das. Ich verspreche es.", erwiderte sie leise.
"Was hast du meinem Bruder angetan? Was machst du da mit meiner Mutter?!", brüllte der Mensch mich an.
Ich ignorierte ihn und warf die gerade einmal fünfunddreißig Millionen Jahre alte Frau von mir – zufrieden mit meinem Handel.
Nun konnte ich mich wieder ganz in Ruhe meinem Experiment widmen. Dadurch, dass ich dabei weder dem selbsternannten Duo aus Königin und Jäger noch dem jämmerlichen Menschen begegnen wollte, war dies nun zu einer verlockenden Herausforderung geworden.
Ich setzte gerade zu einem Sprung auf einen niedrigen Ast eines nahestehenden Baumes an, als ich ein altbekanntes Geräusch hörte.
Jemand zog eine Waffe aus seiner Scheide.
Ohne jede Eile – wissend, dass ich zu schnell für ihn sein würde – drehte ich mich um und tatsächlich rannte der Idiot frontal auf mich zu, ein kunstvolles Metallstäbchen auf Hüfthöhe neben sich haltend. Perfektes Material, dass ich für mein Experiment nutzen konnte.
Mit einer flinken Bewegung schoss ich vor und verdrehte sein Handgelenk, bis er das Schwert fallen ließ, fing es im Fallen und beschloss blitzschnell, auch die Königin einer Probe zu unterziehen.
Während die erste Hand gerade den Schwertknauf umschloss, schoss die zweite auf den Nacken des strauchelnden Prinzchens herab und hatte durchaus das Potenzial, ihm damit das Genick zu brechen.
Fast zu schnell für meine Augen, traf ein nackter Fuß mein Handgelenk, welches mit einem widerlichen Knacken brach.
Ich reagierte, indem ich das Schwert gegen ihren Oberschenkel führte, gespannt, ob sie auch hier Zauber eingerichtet hatte.
Sie hatte. Mit einer Vibration, die mir die Zähne klappern ließ, prallte das Metallstäbchen gegen eine unsichtbare Wand und wäre mir von der Wucht fast aus der Hand gesprungen, doch das Schwert selbst blieb unbeschädigt.
Gleichzeitig hatte ich meinerseits nach ihrem Standbein getreten, doch ich hatte sie verfehlt und stürzte. Doch auch die selbsternannte Königin stürzte, ebenfalls durch ihren eigenen Schwung und weil sie durch meinen Angriff erschreckt wurde. So landeten wir beide auf dem Boden und ich hatte schon ihr bereits lädiertes Handgelenk mit meiner ebenso verletzten Hand gepackt und drehte daran, als das Prinzchen noch versuchte, sich zu fangen.
"Sehen wir mal, wer mehr Schmerz aushält.", meinte ich triumphierend.
Die Antwort auf diese Herausforderung bestand in einem weiteren Fuß in meine bereits verletzten Rippen.
Zischend vor Schmerz drehte ich noch stärker an ihrem Handgelenk und schnappte wie ein Tier nach ihrem Hals. Diese animalische Geste hatte Methodik, denn meine Kontrahentin zuckte intuitiv zurück, brach sich somit das eigene Handgelenk noch mehr und brach die eigene Attacke ab.
Kurzentschlossen ignorierte ich die eigenen Schmerzen, packte mit der zweiten Hand zu und winkelte ein Bein an. Die Frau, die ahnte, was ich vorhatte, versuchte verzweifelt, sich mir zu entziehen, doch vergebens.
Eigentlich wollte ich mit einem Satz aufspringen und sie mit mir reißen, doch als mein Körper protestierte, weil der Schmerz dabei übermächtig wurde, änderte ich den Plan: Mit meinem gesamten Gewicht, dem Schwung meiner versuchten Bewegung und dem angewinkelten Bein schoss ich vor, den Kopf als Rammbock in ihrem Brustkorb versenkend. Sterne tanzten hinter meinen geschlossenen Augen und ich spürte, dass ich mir auf die Zunge gebissen hatte, doch auch bei meiner Gegnerin verfehlte der Angriff nicht die Wirkung: Ich hörte einige Rippen Schaden nehmen und spürte, wie ihr Arm mit einem Ruck ausgekugelt wurde.
Die selbsternannte Königin brachte nicht einmal mehr ein Stöhnen heraus, sondern sackte einfach bewusstlos in sich zusammen.
Mit einem Grinsen richtete ich mich langsam auf und zuckte vor Schmerz zusammen.
Verdammt, ich war zu unvorsichtig gewesen. Beide hatten ein erbärmlich kurzes Durchhaltevermögen gehabt und doch hatten sie mich so oft treffen können.
Doch das Grinsen kehrte zurück.
Es war wirklich aufregend gewesen, mal wieder richtig zu kämpfen, es hatte sogar Spaß gemacht.
Blieb nur noch der schwächste Idiot als Abschluss meiner heutigen Siegesreihe.
Ich leckte mir mit der verletzten Zunge über die Lippen und wandte mich dem Prinzchen zu, wieder völlig die Ruhe selbst.
"Was bist du bloß für ein Monster?!", brüllte er mich an, Todesangst, Angst und Rachegelüste in den braunen Augen.
"Zugegeben, wir sind ein etwas wilderer Haufen. Das gilt jedoch ebenso für deine angebliche Mutter und deinen angeblichen Bruder."
Ich warf die schwarzen Haare über die Schulter und trat einen Schritt auf ihn zu, sein Schwert wieder in der Hand.
"Du hast Glück: Weil sie-"
Ich deutete auf die am Boden liegende Frau-
"dich so heldenhaft beschützt hat – auch wenn sie letztendlich nichts gegen mich ausrichten konnte – lasse ich dich am Leben. Doch rühre die Rose nicht an, sonst hast du deine Chance endgültig vertan. Was unsere Identität angeht: Versuch ruhig, uns zu verraten, doch dir wird niemand glauben. Und eine kleine Aufregung unter den wirklich mächtigen Leuten meiner Welt heiße ich immer willkommen.", fügte ich erheitert hinzu, ließ jedoch auch die Drohung, die damit einherging, durchscheinen. 
Und sobald ich genug Magie beisammenhabe, bekommst du einen meiner Zauber des Vergessens geschenkt.
Der Beschluss verlangte das und in diesem Punkt stimmte ich den alten Wosankhidwa zu, auch wenn ich mich öfter langweilte: Die niederen Menschen sollten nichts von ihrer Unterlegenheit wissen, sonst würden sie sich wie in die Enge getriebene Tiere verhalten.
Das Prinzchen öffnete den Mund, schien etwas erwidern zu wollen, klappte ihn dann jedoch wieder zu und versuchte in einem erneuten Anfall von Idiotie, sich sein Schwert zurückzuholen. Bevor er die Klinge auch nur berühren konnte, hatte ich ihm lediglich den Handballen auf das Brustbein gedrückt. Zum Glück hielt der zerbrechliche Knochen dem Druck stand und er wurde rückwärts gegen eine kleinere Eiche geschleudert. Ich hörte keine Knochen zu Bruch gehen und das war gut so – wäre ja auch zu Schade, wenn ich meine Behauptung gleich wieder revidieren müsste, weil ich ihn versehentlich getötet hatte. Aber Prellungen würde das empfindliche Skelett des Menschen trotzdem davontragen.
"Willst du etwa auch noch eine kleine Machtprobe?", fragte ich herablassend und somit hoffentlich provozierend.
Das Prinzchen war leichenblass geworden und schüttelte hastig den Kopf – dem sonst so überheblichen Menschen hatte es die Sprache verschlagen.
Gut so.
"Ach ja, noch etwas: Du solltest niemanden nach mir suchen lassen, ein Kopfgeld aussetzen lassen oder sonst etwas, denn sonst wird jeder, der versucht, mich festzuhalten, sterben."
Wie immer wusste ich auch hier um meine überirdische Wirkung und die beabsichtigte Aura aus Macht und roher Gewalt und genoss einige Momente den Gesichtsausdruck – ähnlich dem eines Kaninchens im Angesicht einer Schlange, bevor ich mich umwandte, um zu verschwinden und meine Wunden zu versorgen.

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