33. Kapitel - wandernder Tropfen
Der nächste richtige Schultag war für Lilly auch der Tag, an dem sie ihre erste zusätzliche Stunde erhalten würde.
Es war ein kalter und ziemlich trister Montag, die Umgebung war grau und ein eisiger Wind quetschte sich in jede warme Stelle die er finden konnte. Die dunkle Wolkenwand am Himmel zog rasend schnell über das Land und die wenigsten hielten sich draußen auf.
Es war offensichtlich, dass der Winter bald eintreffen würde und Lilly wartete schon ungeduldig auf den ersten Schnee.
Doch solange musste sie sich mit dem ungemütlichen Wetter zu Frieden geben. Auch wenn es ihr schwer fiel dabei zu fliegen.
Montag war einer der bequemsten Tage der Woche. Kurz nach Sport lief Lilly, wie es auf ihrem neuen Stundenplan stand, zu einem der oberen Räume im Haupthaus.
Dort lehnte sie sich an die Wand neben die Tür und dachte an ihre Freunde, die vermutlich schon etwas aßen. Sie selbst hatte sich nur schnell eine Kleinigkeit gegriffen und verschlang diese hungrig während sie auf ihren Lehrer wartete.
Es dauerte nicht lange, da ertönten schon leise Schritte, die immer lauter durch den Gang schallten, je näher die Person kam.
Mrs Primes trat um die Ecke und grüßte sie freundlich. Ihre roten langen Haare hatte sie zu einem Bauernzopf geflochten, den sie über ihre Schulter gelegt hatte. Am Ansatz des Kragens der dunklen Robe die sie trug, waren die Anfänge eines dunklen Tattoos zu sehen. Ihre graublauen Augen musterten sie kurz, dann öffnete sie den Raum und ging gefolgt von Lilly hinein.
Durch den Unterricht den Lilly bereits im alltäglichen Schulleben mitbekam, wusste sie dass die Lehrerin eine sehr interessante Persönlichkeit hatte.
"Also!", rief sie und schaute ihre Einzelschülerin aufmerksam an. "Das ist deine erste Stunde, die du für das Wasserelement bekommst?", hakte sie nach, obwohl Lilly sich ziemlich sicher war, dass es ihr bereits bekannt war.
"Ja", antwortete sie daher mit einem bekräftigenden Nicken.
"Dann fangen wir an. Zu aller erst: was hattest du bisher für Erfahrungen mit dem Element Wasser?". Helle Augen musterten sie aufmerksam und abwartend.
Durch ihre seriöse Art und Weise vor anderen Menschen, hatte sie schon den Respekt von vielen Schülern gewonnen und dennoch hatte sie nie den Anschein erweckt, jemals jemandem Schaden zu wollen.
"Ich hab mich bis jetzt nur in eine Meerjungfrau verwandelt", antwortete Lilly daraufhin ehrlich.
"Okay. Dann fangen wir heute wie am Anfang an. Legen Sie doch bitte ihre Sachen ab. Wir werden uns hauptsächlich um den praktischen Teil kümmern, zumindest heute, immerhin haben Sie genug nachzuholen". Forsch blickte sie zu Lilly die schnell ihre Sachen auf einen der Tische legte.
"Gut. Was ist die Form von Wasser die Ihnen als erstes in den Kopf schwebt?", fragte sie dann noch, während sie herum wirbelte und ein Glas Wasser vom Wasserhahn holte.
"Ich denke ein Tropfen", erwiderte Lilly prompt.
"Dann fangen wir damit an", erklärte sie und stellte das Glas auf den Tisch vor ihr ab.
Es waren gerade mal wenige Minuten vergangen und Lilly merkte schon wie viel intensiver der Unterricht war.
"Versuchen Sie bitte einen einzelnen Tropfen aus der Schüssel heraus zu gliedern und lassen sie ihn hinauf schweben.
Sobald Sie damit fertig sind, gehen wir den nächsten Schritt", lautete ihre Aufgabe und die Frau ließ sich nieder, während sie Lilly mit halb geschlossenen Augen betrachtete.
Ja, sie wirkte mehr als nur distanziert und ihre Ausstrahlung war beinahe die eines Eiswürfels, aber dennoch nicht so, dass man Angst vor ihr hätte.
Nur eben den nötigen Respekt.
Lilly ging also voran zu dem Becher und starrte auf die Wasseroberfläche.
Ein oder zwei kleine Luftbläschen schwammen am Rand der Fläche und ploppten gleich darauf in sich zusammen.
Lilly runzelte die Stirn und lehnte sich an den Tisch hinter ihr, die strengen Blicke von Mrs Primes die ganze Zeit bewusst spürend.
Sie wusste nicht genau wie sie es anstellen sollte, einen Wassertropfen aus dem Wasser zu bekommen. Im Vergleich zu dem, was sie im Unterricht mit der Luft hatte tun müssen, war das wie eine Gegenüberstellung von Rosenkohl und Schokolade.
Da es im Luftbereich keine festen und sichtbaren Formen gab, musste sie sich auf ganz andere Dinge konzentieren.
War nur die Frage wie!
Als einfachen Versuch hob Lilly ihre Hand an und richtete sie auf das Glas.
Ihre Hand spannte sie an und öffnete ihre Finger wie einen Fecher.
Sie konzentrierte sich darauf nur das Wasser irgendwie zu bewegen, als plötzlich das Glas zerberstete und sie erschrocken einen Satz zurück machte und den Tisch hinter ihr ein wenig verschob.
Das Wasser spritzte herum und sie blinzelte erstaunt auf die Wasserlache die sich vor der Lehrerin ausbreitete.
"Die Aufgabe war einen Tropfen heraus zu nehmen und nicht das Glas zu sprengen", tadelte die Frau, während ihre Mundwinkel zuckten. "Vergessen Sie nicht, dass Wasser eine andere Struktur hat als Luft. Sie müssen genauer darauf achten welche Form Sie genau erreichen wollen, als was sie erreichen wollen", erklärte Mrs Primes ihr und Lilly nickte verstehend.
"Versuchen Sie erst eine klare Form in ihren Gedanken zu bilden und sich auf den Wasseranteil zu konzentrieren, den Sie verändern wollen.
Wasserelemente müssen viel mehr mit präziser Vorstellungskraft und und Konzentration arbeiten, im Vergleich zu Luftelementen", riet die Lehrerin ihr.
Lilly nickte verstehend und verzog nachdenklich das Gesicht.
Sie schloss ihre Augen und stellte sich die Form eines kleinen Wassertropfens vor. Sie bedachte die Struktur und das Aussehen der Flüssigkeit und selbst die tanzenden Reflexlichter malte sie sich aus.
Die Schatten die der Tropfen warf und das gespiegelte Licht.
Als sie glaubte, das ideale Bild eines Wassertropfens zu sehen, schob sie, immer noch mit geschlossenen Augen ihre Hand vor und spannte sie an.
Aus einem ihr unbekannten Grund, konnte sie genau fühlen, wo die Wasserlache war, als wäre sie ein Magnetfeld, was sie nicht sah.
Sie konzentrierte sich so sehr auf das Bild, dass sie kaum bemerkte, was sie tat.
"Sehr gut! Du solltest zwar nur einen Tropfen bilden und nicht das ganze Wasser zu einem formen, aber es ist ein guter Anfang!", lobte Mrs Primes sie.
Lilly hörte ihr zu und plötzlich spürte sie wie ihr Oberkörper nass wurde.
Erschrocken riss sie die Augen auf und blickte verwirrt an sich hinunter.
"Achja, das müssen wir noch üben, glaube ich. Aber das sollte ein anderer Lehrer machen. Um Sie aufzuklären, Sie haben sich mehr auf meine Worte konzentriert, als auf den Tropfen. Ich werde für die nächste Stunde erstmal Mrs Fairchild holen, damit Sie lernen, wie man sich auf mehrere Sachen gleichzeitig konzentriert. Das ist nämlich als Wasserelement wichtig und braucht viel Übung. Wenn Sie damit fertig sind, werden wir uns an schwierigere Dinge wagen. Aber zuerst werden wir dann lieber weiter mit kleinen und einfachen Themen üben. Ein guter Start wäre dabei, den Wassertropfen zu verkleinern. Versuchen Sie nicht direkt alles, des gegebenen Wassers zu nutzen", erläuterte die Frau ihr, während sie ein neues Glas mit Wasser füllte.
Als das nächste Glas vor ihr stand, schloss sie wieder die Augen und brauchte erneut einiges Zeit, bis sie das Bild des Tropfens vor Augen hatte und richtete dann ihre Aufmerksamkeit auf das spürbare Feld des Wassers und versuchte nur einen kleinen Teil des Wassers anzusprechen.
Als sie dann jedoch wieder auf das Bild des Tropfens zurück greifen wollte, war es verschwunden.
Dennoch hatte sie bereits ihre Kraft ausgeübt und sie spürte wie ein Wasserstrahl sich nach oben bewegte, so wie sie es eigentlich dem Tropfen hatte befehlen wollen.
Enttäuscht ließ sie den Strahl zurück sinken um nicht noch nasser zu werden.
Sie blickte zu Mrs Primes, welche sie nur aufmunternd ansah.
"Versuchs nochmal!", forderte sie geduldig und Lilly schloss wieder die Augen.
Den Rest der Stunde versuchte sie es immer und immer wieder, verbesserte sich mit Hilfe von der rothaarigen Lehrerin sogar.
Dennoch schaffte sie es nicht die beiden Aufgaben gänzlich miteinander zu verbinden.
Niedergeschlagen verließ sie nach dem Klingeln die Stunde und ging etwas essen.
Ihre Freunde waren vermutlich schon längst wieder in ihrem Wohnhaus.
Da sie etwas brauchte um sich zu beruhigen, rannte sie nach dem Essen aus dem Gebäude auf den Brunnen in der Mitte aller Gebäude zu, sprang mit einem kleinen Satz auf den Rand und stieß sich so stark wie möglich ab.
Sofort ertönte das vertraute Wusch und sie stieg immer höher in den Eiskalten Himmel hinauf.
Sie wirbelte durch die Luft, nur darauf achtend, sich nicht zu weit von allem zu entfernen.
Daher fiel ihr erst spät auf, dass sie über dem See flog.
Ihr kam eine Idee und sie setzte sie auch sofort um.
Im Sturzflug schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf die ihre Fischflosse, bis sie das immernoch unvertraute Kribbel nicht mehr spürte.
Sie öffnete die Augen und bremste ihren Flug so sehr ab, dass sie knapp über der Wasseroberfläche stehen blieb.
Von dort ließ sie sich in das Wasser fallen und begann weiter zu üben.
Die Verwandlungsformen waren ihr aus irgendeinem Grund am wichtigsten.
Sie beachtete die anderen Schüler und Schülerinnen nicht, als sie nach einiger Zeit pitsch nass und ohne Schwanzflosse den Steg hinauf kletterte.
Außer Atem keuchte sie und wartete kurz, bis sie etwas mehr Luft hatte, bevor sie wieder ihre Flügel ausbreitete, um zurück in ihr Haus zu fliegen.
Dort nahm sie eine heiße Dusche um sich zu wärmen und zog sich trockene Kleidung an.
Den Rest des Tages verbrachte sie mit ihren Freunden und ging recht früh übermüdet ins Bett.
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Hallöchen!
Da bin ich finally wieder!!!
Für alle die es interessiert: die Lesenacht wird vermutlich von Freitag (also morgen lel) diese Woche stattfinden.
Ich werde stündlich oder (wahrscheinlich eher) halbstündig 1 Kapitel hochladen.
Es sind letzendlich mehr Kapitel geworden, als ich anfangs gedacht habe.
Ich hoffe ihr könnt mir diese lange Pause verzeihen😅
MalouBo: Es ist zwar nicht genau das Fach Elemente bändigen, aber so in der Art, nur für dich 😜💕 (und weil ich die Idee gut fand xD)
LG
cxtlover ~🌹
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