Kapitel 67

Panik hielt Rhana ihren Griff, während das Krachen auf das Schild immer schlimmer wurde.

Sie spürte, wie ihre Kraft nachließ und dieses erste Risse bekam.

»Du musst von hier verschwinden«, keuchte Idris, der sich mühsam hochdrückte, um Rhana in die Augen zu sehen.

Diese erschauderte, als sie das Schwarz sah, das sich bereits in seinem Gesicht ausbreitete und Richtung Augen floss.

»Ich kann dich hier nicht zurücklassen«, keuchte sie, während sie sich die Nadel aus den Haaren nahm. Sie wusste, dass es nicht viel bringen würde, doch sie machte sich vor, dass sie das Schild stärken könnte, wenn sie die Nadel fester hielt.

Idris gab ein Husten von sich und spuckte dabei ein wenig dunkles Blut.

Rhana zog ihn fester an sich, während sie die Nadel zitternd vor sich hielt. Dort, wo das Schild erste Risse bekam und sie mittlerweile sehen konnte, die drei Männer gleichzeitig mit der Spitzhacke auf das Schild einschlugen.

Ein splitterndes Geräusch erklang, als die Spitze das unsichtbare Schild durchbrach.

Irgendwo erklang ein Lachen, während Rhana das Blut in den Adern rauschte. Was sollte sie jetzt tun?

Erneut hustete Idris, doch das war es nicht, was Rhanas Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. Es war seine Hand, die mehr der einer Mumie ähnelte, die sich Richtung Haarnadel bewegte. Dann schlug er diese mit letzter Kraft gegen die spitze Unterseite, sodass Blut floss.

Rhana hielt die Luft an, als sie sich daran erinnerte, was Idris ihr erzählt hatte. Durch das Blut konnte sie ihre Nadel stärken, doch ...

Zitternd blickte Rhana zu Idris. Sie erwartete, dass Idris nun noch mehr an Kraft verlor, doch so richtig passierte eigentlich gar nichts. »Nutze die Kraft«, keuchte er, als sie spürte, wie das Schild stärker wurde.

Sofort widmete sich Rhana wieder ihrer Verteidigung und schloss das Loch, das die Spitzhacke hinterlassen hatte.

Lange würde sie es jedoch nicht mehr schaffen, einfach nur ein Schild aufrecht zu erhalten. Zudem würde sie damit Idris nur noch mehr Kraft rauben. Das durfte nicht sein.

Zitternd ließ Rhana ihren Blick umherwandern, während sie sich die Übungsstunden mit Idris wieder in den Sinn rief.

Ihr Schild zum Angriff nutzen ... das hatte er ihr einmal gesagt, aber wie?

»Egal wie groß der Gegner ist. Solange es sich um ein lebendes Wesen handelt, brauchte es nicht viel

Rhana erschauderte, bei der Erinnerung daran, was er damit gemeint hatte, doch es schien, dass das ihre einzige Möglichkeit war.

Ginge es nur um ihr Leben, hätte sie es niemals gewagt, doch sie gab sich der Illusion hin, Idris vielleicht doch retten zu können. Wenn sie die Gegner ausschaltete und ihn zu Nae brachte, konnte diese ihn sicher retten, oder?

Dieser Gedanke allein sorgte dafür, dass Rhana ein zweites Schild erschuf. Direkt um den Kopf eines Mannes herum.

Unsichtbar und unzerstörbar, solange niemand wusste, dass es existierte.

Zuerst geschah nichts und er schlug ein paar Mal mit seiner Waffe gegen das Schild, doch dann rang er plötzlich nach Atem.

Rhana wurde schlecht und sie wandte ihren Blick ab, denn sie konnte nicht hinsehen. Dennoch hielt sie das Schild weiter aufrecht, sah jedoch zu Idris. Seine Hand lag noch immer an der spitzen Seite der Nadel, auch wenn sie gleichzeitig auf Rhanas Schoß ruhte.

Vermutlich konnte sie die Nadel einfach von seiner Hand lösen, doch etwas in ihr sträubte sich dagegen. Vermutlich, weil sie wusste, dass sie nur so eine Chance hatte.

Sie fühlte sich schlecht, da sie Idris auch noch die letzte Kraft raubte, doch so, wie er mittlerweile in ihren Armen lag, wirkte er mehr, als würde er schlafen.

Sein Atem ging eher ruhig, seine Augen waren geschlossen und das blasse Gesicht nahm eher an Farbe zu als ab.

Es war ein seltsames Bild, doch es beruhigte sie.

Rhana brauchte einen Moment, bis sie bemerkte, dass sich das Mal auf Idris Körper zurückzog. Es hinterließ zwar eine gräuliche, nicht sonderlich gesund aussehende Haut, die mehr an einen alten Mann erinnerte, doch es war viel besser als diese verbrannte Schwärze.

Dieser Anblick sorgte dafür, dass sie neuen Mut fasste und ihren Blick wieder auf die Angreifer zu richten. Der Rauch hatte sich mittlerweile gelegt, sodass sie gut erkennen konnte, wie die übriggebliebenen Männer und Frauen auf eine unsichtbare Wand einschlugen. Ihre Gesichter wütend verzerrt und mehr der Ausdruck völlig Verrückter.

Wen sie nicht sehen konnte, war der Mann, der sie hergebracht hatte und auch der blonde Anführer war nirgendwo zu sehen. Ob Idris ihn mit seinem Feuer wohl getroffen hatte?

Dass Idris ein Drache war, hätte sie nie erwartet, doch es war einfach nicht der Moment, um gerade daran zu denken. Irgendwie musste sie von hier wegkommen.

Vorsichtig versuchte sie, sich zu erheben. Dabei zog sie Idris mit sich, der jedoch viel zu schwer war.

Rhanas Beine zitterten und sie sank wieder zu Boden. Das Schild wurde zwar aus Idris Kraft gespeist, doch es aufrechtzuerhalten, beraubte auch sie viel ihrer Kraft.

Wenn sie weglief, dann schaffte sie das nur allein, doch sie würde Idris nicht hier zurücklassen. Allein die Vorstellung, diese Verrückten würden auf Idris einschlagen und ihn zu Tode prügeln ...

Rhana schüttelte ihren Kopf, um dieses Bild loszuwerden. Nein. Das würde sie nicht zulassen. Auf gar keinen Fall.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf einen Angreifer. Eine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren und seltsamen Ausdruck im Gesicht. Schweiß rann ihr über die Stirn, während sie immer weiter und weiter auf das Schild einschlug. An ihren Händen lief Blut hinab, während ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen waren, das Rhana das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie wirkte wie ein Raubtier im Rausch.

Was war nur mit diesen Leuten los? Warum waren sie so versessen darauf, den Befehlen dieses Mannes zu folgen? Waren sie vielleicht irgendwie verzaubert? Vielleicht sogar besessen?

Rhana konnte es nicht sagen, doch sie verstand durchaus, dass dieses Verhalten nicht normal war. Darum fühlte sie sich auch sehr schlecht, als sie der Frau ein Schild um den Kopf legte, um auch sie unschädlich zu machen. Daran, dass sie den Mann vermutlich getötet hatte, wollte sie lieber nicht denken. Das würde sie nicht ertragen.

Rhana hatte große Mühe, sich zu wehren, doch die Hoffnung, dass sie Idris damit helfen konnte, trieb sie an.

Nach und nach fielen die Angreifer, bis nur noch einer übrig war. Obwohl er gesehen hatte, wie seine Kumpanen einer nach dem anderen umfielen, schien er sich nicht daran zu stören.

Sein einziges Augenmerk lag darauf, den Schild zu zerstören.

Rhana verstand es nicht, doch als sie auch diesen unschädlich machte, wurde es plötzlich ruhig um sie herum. Nur noch der Wind rauschte durch die Berge.

Erleichtert stieß Rhana die Luft aus. »Jetzt sind wir sicher«, flüsterte sie Idris zu und fuhr ihn durch die Haare.

Würde sie nicht spüren, dass er noch atmete, hätte sie ihn vielleicht für tot gehalten.

Rhana wollte erneut aufstehen und versuchen, Idris wegzutragen, doch dieses Mal schaffte sie es nicht einmal, aufzustehen.

Stattdessen brach sogar ihr Schild zusammen, während ihre Sicht verschwamm.

Innerlich fluchte sie, als ihr klar wurde, dass sie zu viel Kraft verbracht hatte.

Sie versuchte ihren Blick zu klären und musterte Idris. Ihr Artefakt steckte noch in seiner Hand, doch sie spürte, dass die Kraft, die von Idris in diese übergegangen war, verschwunden war.

Vielleicht sollte sie sich einen Moment ausruhen und neue Kraft schöpfen.

Rhana spürte, wie ihr die Augen zufielen, doch so richtig entspannen konnte sie sich nicht. Was, wenn die Minenarbeiter wieder aufstanden?

Ein Geräusch erklang, das Rhana nicht gleich zuordnen konnte. Ungelenkig drehte sie sich in die Richtung, aus der sie das Kratzen hörte. Waren das Schritte?

Panik stieg in ihr auf und dann erkannte sie aus den Augenwinkel eine kleine Gruppe an Männern. Darunter Fürst Javar, der entsetzt stehenblieb und das Geschehen beobachtete.

»Was bei allen Göttern ist hier los?«, fragte er, wobei seine Stimme wütend klang.

Rhana spürte die Kälte, die ihr durch die Glieder fuhren, während sie versuchte, ihr Schild erneut zu aktivieren. Allerdings reagierte ihr Artefakt nicht.

Sie war schutzlos.

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