Kapitel 63

Gut gelaunt schlenderte Rhana über den Markt von Savrana. Immer wieder bemerkte sie ein Geschäft, das sie kannte und erzählte Idris davon. Dieser hörte zu, als wäre er wirklich interessiert, doch ob es ihn wirklich Freude bereitete, mit ihr ihre Heimat zu erkunden, konnte Rhana nur schwer sagen.

Trotzdem wollte sie, dass Idris ein bisschen von der Welt sah, die er nicht kannte. Zumindest hatte er ihr gegenüber geäußert, dass er noch nie hier gewesen war.

Rhana wollte ihm ein paar schöne Stunden schenken, wo sein Leben doch auf der Kippe stand.

Schnell verwarf sie diesen Gedanken wieder, denn sie wollte einfach nicht daran denken müssen, dass er bald vielleicht nicht mehr da war.

»Lass uns eine Pause machen«, schlug Rhana vor, die Idris zu einem kleinen Cafe unter Palmen führte. Hier gab es wunderbare Mischgetränke aus den hiesigen Früchten, weshalb das Cafe auch ein beliebter Ort für Besucher war.

Rhana war mit dem Inhaber bekannt, der sofort aufsah, als sie das Lokal betrat.

Der kleine, eher untersetzte Mann kam hinter der Theke vor und direkt auf Rhana zu. »So eine Überraschung, dich hat man hier lange nicht mehr gesehen«, sagte er und zog Rhana in eine kurze Umarmung, wie er es gern machte.

Nach dem vermeintlichen Tod ihrer Eltern, hatte sie oft Stunden in diesem Cafe zugetragen. Die ersten Wochen hatte sie immer wieder Löcher in die Luft gestarrt, während sie an ihre Eltern gedacht hatte. Irgendwann war es dann zum Gespräch mit dem Mann gekommen, den alle nur Buri nannten.

»Buri«, lachte Rhana, der durch die Umarmung ein wenig die Luft wegblieb. Er drückte viel zu stark, doch er meinte es nicht böse, das wusste Rhana.

»Wie immer viel zu überschwänglich. Du erdrückst sie ja noch«, erklang eine ruhiger, aber trotzdem tadelnde Stimme und aus der Küche trat eine großgewachsene Frau mit Kuchenschaufel. Wäre es ein Messer hätte sie vermutlich bedrohlich wirken können, auch wenn die bunte Schürze und die Schleife im Haar dazu da waren, ihre imposante Gestalt etwas abzumildern.

Sofort ließ Buri sie los und lachte verlegen. »Entschuldige«, sagte er und rieb sich am Hinterkopf. »Ich freue mich nur so, dass du wieder da bist. Dein Bruder war schon hier und hat erzählt, dass du auf eine gute Schule außerhalb von Savrana gehst, aber wir haben und trotzdem Sorgen gemacht«, erklärte er noch immer überschwänglich.

Rhana lächelte, während sie sich willkommen und wohl fühlte. Ihr war gar nicht klargewesen, wie sehr sie die Leute aus Savrana vermisst hatte.

»Lass sie sich doch erst einmal setzen«, mischte sich Lucy ein, die auf ihren Mann hinabblickte. Viele waren von ihr eingeschüchtert, weil sie so groß war, doch Lucy hatte ein gutes Herz.

Buri zog ein Stück den Kopf ein, was Lucy dazu verleitete, sich Rhana zuzudrehen. »Komm, Liebes«, sagte sie und nahm ihre Hand. »Setz dich und erzähl«, forderte sie mit einem leichten Zug.

Rhana aber griff nach Idris, der ein wenig verloren herumstand und beobachtete.

»Ich habe einen Freund mitgebracht«, sagte Rhana schnell, da sie nicht wollte, dass Idris einfach zurückgelassen wurde.

Sofort hielten die beiden Cafe-Besitzer inne und blickten zu Idris, um ihn zuerst skeptisch, dann überrascht zu mustern.

Noch immer hielt Rhana seine Hand und ließ nicht los, weshalb Lucy damit aufhörte, sie mit sich ziehen zu wollen. Rhana schätzte, dass sie es sowieso nicht geschafft hätte, wenn Idris dagegenhalten wollte.

»Das ausgerechnet du jemanden mitbringst«, sagte Lucy gab überrascht und aus dem Häuschen. »Wer ist denn der werte Herr?«, fragte sie mit einem mütterlichen Lachen, deutete den beiden dann aber, ihr zu folgen.

Rhana sah Idris entschuldigend an, der jedoch nur lächelte. Dabei hatte er einen Ausdruck von duldsamer Zurückhaltung, vermischt mit einer leichten Belustigung.

»Mein Name ist Idris. Ich gehe mit Rhana auf die Schule«, stellte er sich vor, wobei Rhana bemerkte, dass seine Stimme einen leicht tieferen Klang hatte als sonst.

Lucy wurde ein wenig rot um die Nase und lachte, als wäre sie eine junge Frau und nicht Mutter von fünf Kindern. »Was für ein charmanter Mann«, behauptete sie, dabei hatte Idris bisher noch nichts getan, das Rhana wirklich als charmant einstufen würde.

Aber die Reaktion überraschte sie, da Lucy und Buri sonst eigentlich eher misstrauisch gegenüber Rhanas Freunden waren. Oder zumindest Lewin gegenüber.

Die beiden Inhaber führten sie schließlich zu einem kleinen Tisch und servierten das Spezialgetränk der Gegend. Es war aus dem Samen einer Frucht gewonnen und hatte einen erfrischenden Geschmack. Gleichzeitig galt es auch als Muntermacher. Fast wie Kaffee.

Während sich Buri wieder der Arbeit widmete, blieb Lucy noch eine Weile da und löcherte Rhana förmlich.

Diese versuchte ein bisschen zu erzählen, doch da sie vieles einfach nicht verraten durfte, fiel es ihr schwer, die richtigen Worte zu finden. Daher war sie auch erleichtert, als sich Idris einmischte und ein bisschen vom Unterricht erzählte. Neben den Drachenreiterstunden hatten sie immerhin auch normalen Unterricht, der in anderen Schulen gelehrt wurde. Auch, wenn viele der Themen doch sehr mit den Drachen zusammenhingen.

Schließlich hatte Lucy genug gehört und kehrte zu ihrer Arbeit zurück. Rhana schnappte auf, dass sie die Informationen begeistert an Buri weitergab, was sie schief lächeln ließ. So hatte sie sich das sicher nicht vorgestellt.

»Die Leute in deiner Heimat scheinen sehr liebevoll«, bemerkte Idris und nahm einen Schluck von seinem Getränk.

Rhana blickte von Lucy zu Idris zurück und schmunzelte. »Sie sind Freunde der Familie«, sagte sie, wobei sie nicht ganz wusste, ob das stimmte. Ihre Eltern hatten dem Cafe oft unter die Arme gegriffen. Zumindest in der Anfangszeit.

»Vermisst du deine Heimat?«, fragte Idris leise und irgendwie schuldbewusst.

Rhana zuckte die Schultern. »Bisher war es nicht so. Jetzt, wo ich wieder hier bin ... Es ist schön, aber ich würde nicht sagen, dass ich sie so sehr vermisse, dass ich nicht mehr auf der Schule sein will«, erklärte Rhana. Sie wusste jedoch, dass der Grund dafür gerade ihr gegenübersaß. Ohne Idris sähe die Sache vermutlich sogar ganz anders aus. Gerade jetzt, wo die Sache mit Lewin so eskalierte.

Rhanas Blick wurde ein wenig besorgt und traurig, da legte Idris seine Hände auf ihre. »Wenn du öfter heim möchtest, können wir das sicher arrangieren«, sagte er sanft, der ihren Blick wohl missverstand.

Rhana versuchte sich an einem Lächeln. »Das ist es nicht. Es ist mehr die Sache mit Lewin und der Hochzeit«, erklärte sie und stieß den Atem aus.

Dass sie jetzt Zeit für einen solchen Ausflug hatten, lag auch nur daran, dass sie sich mit ihrer Familie treffen musste. Wenn Lewin davon erfuhr, würde er sicherlich wütend werden.

»Du musst die Sache klarstellen«, sagte Idris eindringlich, der seine Hände wieder zurückzog. Fast so, als hätte er sich bei etwas erwischt, dass er nicht tun sollte.

Das sorgte dafür, dass Rhana seine Hände nun genauer betrachtete. Diese zitterten, obwohl er sie auf den Tisch gelegt hatte.

Sofort stieg Sorge in ihr aus und nun war es an ihr, ihre Hände auf seine zu legen. »Hast du Schmerzen?«, fragte sie leise.

»Es ist nicht so schlimm«, erwiderte Idris, der Rhanas Blick jedoch auswich.

Das sorgte für einen Schmerz in ihrem Herzen, den sie nicht ganz zuordnen konnte. Es wirkte alles so surreal, dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Allein bei der Vorstellung, dass Idris bald nicht mehr da sein würde ... Rhana blockierte diesen Gedanken, denn er ließ kalten Schweiß ausbrechen und ihr Herz panisch raßen.

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