Kapitel 62

»Ist diese Stelle gut?«, fragte Idris, der mit Freya sanft in der Wüste, in der Nähe von Savrana landete.

Rhana nickte und ließ sich von dem Drachen gleiten. »Wir müssen ein ganzes Stück laufen, aber das sollte gehen«, erwiderte sie, denn sie wollte auf gar keinen Fall, auffallen. Darum hatte sie zum Landen auch einen Platz gewählt, der von vielen Felsen geschützt war, sodass Freya nicht so sehr auffiel.

Sie zog den Leinenumhang zurecht, nachdem sie den heißen Sand an ihren Füßen spürte. Mittlerweile hatte sich Rhana so sehr an die Kühle der Berge gewöhnt, dass die Hitze sie wie ein Schlag traf, aber gleichzeitig ein Gefühl von Geborgenheit vermittelte. Sie verband die Wüste eben mit ihrem Zuhause, weshalb diese eher ihre Vorfreude schürte. Bald würde sie ihren Bruder und Vater besuchen können.

Idris rutschte ebenfalls von Freya, bevor er ihr das Zeichen gab, wieder abzuheben. Als Pflanzendrache musste es Freya generell nicht leichtfallen, in einer solchen Hitze zu landen. Trotzdem blieb sie elegant und erhaben, als sie erneut in den Himmel abhob.

Rhana sah ihr einen Moment mit einem Lächeln hinterher, bevor sie sich wieder Idris zuwandte. »Weißt du eigentlich, was Nae die ganze Zeit mit Kaza macht?«, fragte Rhana, die sich wirklich schlecht fühlte, die Drachin ständig bei der Direktorin abzugeben. Allerdings war das meiste, was sie aktuell tat, viel zu gefährlich. Kaza war dazu auch zu auffällig, denn sie konnte nicht einfach zu einem Treffen mit Javar und dabei einen Babydrachen bei sich haben. Das würde nur unnötige Fragen aufwerfen.

»Mutter bildet sie aus. Es ist ihre Aufgabe«, erwiderte Idris, der wirkte wie immer. Nichts deutete daraufhin, dass die Hitze ihm zusetzte oder anderweitig unangenehm war.

Rhana gab einen nachdenklichen Laut von sich. Kaza ausbilden. Sollte das nicht ihre Aufgabe sein oder hatte sie das falsch verstanden?

»Ich mag es trotzdem nicht, sie so oft allein zu lassen«, bemerkte Rhana, die sich langsam drehte, um sich zu orientieren. Sie sollte vielleicht nicht mehr an Kaza denken, sonst würde sie noch von dieser sprechen. Ruonir hatte sie zwar schon gesehen, doch Unori wusste von nichts.

»Kann ich verstehen, aber bald wird es ruhiger«, versicherte Idris, der ihr sogar eine Hand auf die Schulter legte.

Noch immer trug er Handschuhe, was Rhana zu der Frage führte, ob es darunter nicht extrem heiß war. Wie hielt er das nur aus?

Rhana atmete tief ein, bevor sie sich in Bewegung setzte. Es war besser, wenn sie den Weg durch die Wüste schnell hinter sich brachten.

Zum Glück war das hier ein recht häufig genutzter Pfad der Karawanen und so gab es immer wieder kleinere Wegweisende Punkte. Darunter Felsen, die bearbeitet wurde, oder andere Markierungen, die vom Sand nicht so leicht verschüttet wurden.

Idris lief stumm neben ihr und so erreichten sie in wenigen Stunden die ersten Palmen von Savrana.

Die Luft, die ihnen entgegenkam war kühl und der Duft, der mit ihr getragen wurde, ließ Rhana warm ums Herz werden. Ob sie wohl die Zeit hatten, bei ihrer Lieblingsbäckerei vorbeizuschauen? Sie wollte Idris so gern ihre Heimat zeigen, doch sie wusste, dass es wichtigeres gab. Rhana musste mit ihrem Vater sprechen. Für diesen musste es so wirken, als hätte Rhana ihre Zeit auf der Schule genutzt, um Kontakte zu knüpfen, die für ihre Handelsgesellschaft wichtig waren. Was auch irgendwie der Fall war, doch vermutlich war es nur ein kurzfristiger Gewinn. Wobei sie, wenn sie Glück hatte, mit der Königin der Nordlande ein Handelsabkommen schließen konnte. Je nachdem, an wen später die Mienen gehen würden.

Aber das war etwas für die Zukunft.

»Eine wirklich sehr schöne Oase«, bemerkte Idris, der sich umsah.

Durch den Leinenstoff, den er trug, konnte Rhana sein Gesicht kaum erkennen, doch sie sah das Funkeln in seinen Augen. Er meinte, was er sagte und das ließ sie lächeln.

»Für mich der schönste Ort der Welt«, behauptete sie, als sie die Straßen betrat.

Es gab kein schützendes Tor oder einen Wall, wie sie es in den Städten der Nordlande gesehen hatte. Es gab zwar Wachen, die durch die Straßen streiften, doch von der Wüste kamen eher selten Eindringlinge. Die wenigsten schafften diese Strecke, weshalb die Besucher meist Karawanenführer waren und diese waren immer willkommen.

Durch die Kleiderwahl, die Rhana bewusst getroffen hatte, fielen sie kaum auf und so kamen sie unbehelligt und ungestört in die Gegend, in der Rhanas Ziehvater lebte.

Wenn sie Pech hatte, war dieser gerade mit Ruonir auf einer Handelsreise, doch dieses Risiko musste sie eingehen. Es war ihr nicht möglich gewesen, sich anzumelden, da dieser Ausflug eher spontan zustande gekommen war.

Rhana öffnete das kleine, hölzerne Tor, das in den Vorgarten eines zweistöckigen Steinhauses führte.

Idris sah sich neugierig um, doch bis auf ein paar Palmen, war der Garten recht pflanzenleer. Es war immerhin nicht einfach, weit vom See entfernt, etwas anzubauen.

Auch Gras wuchs hier nicht mehr, was aber auch daran lag, dass sie ein recht günstiges Grundstück bewohnten. Dafür war das Haus umso schöner.

Rhana klopfte, bevor sie ihren Schlüssel hervorzog und die Tür öffnete.

Eine kühle Brise kam ihnen entgegen, denn das Innere des Hauses war mit magischen Steinen versehen. Solche, wie sie aus den Nordlanden zu importieren gedachte. Aktuell waren diese extrem schwer in Savrana zu erhalten und ihre Eltern hatten sie von Handelsreisen mitgebracht. Zum Glück wusste kaum jemand davon, denn Rhana wollte nur ungern Opfer von Räubern werden. Obwohl sie das nur ungern zugab, wusste sie, dass es diese trotz des Reichtums der Stadt gab.

»Komm rein«, sagte Rhana, die ihre Schuhe abstreifte und auf das kleine Regal stellte.

Idris trat in den Flur, der recht schlicht gehalten war. Die Wände waren aus rotem Sandstein und mit einer helleren Schicht verputzt.

Links stand ein Schuhregal und rechts gab es Haken für die Mäntel, die sie sich abstreiften.

Dann ging es eine kleine Treppe nach oben, die aus zwei Stufen bestand. Hier erst begannen die feinen Teppiche und Bilder an den Wänden.

Idris folgte Rhana und blieb stehen, um sich eines der Bilder näher zu betrachten.

Überrascht darüber wandte sich Rhana um und lächelte, als ihr klar wurde, dass es das Bild war, das sie mit ihren Eltern zeigte. Darauf war sie ein kleines Kind, das strahlte.

»Ihr sehr glücklich aus«, bemerkte Idris, wobei seine Stimme einen Unterton hatte, den Rhana nicht einzuordnen wusste.

»Waren wir«, bestätigte sie. »Wir haben immer viel zusammen gemacht«, erinnerte sie sich. Allerdings waren die Erinnerungen mittlerweile verschwommen. Vieles wusste sie nur noch von ihrem Ziehvater, der immer wieder Geschichten aus ihrer Kindheit erzählt hatte.

Idris wandte sich ab und musterte den Flur. »Es scheint niemand da zu sein«, bemerkte er unschlüssig.

»Das macht nichts. Wir schauen in der Küche, ob ein Plan hängt, dann kann ich sehen, wann sie wiederkommen«, erklärte Rhana, die ihn weiter durch das Haus führte.

Sie war zuversichtlich, dass Ruonir diese Gewohnheit nicht abgelegt hatte. Schon seitdem Rhana klein war, hatte es diesen Plan gegeben. Darauf war notiert, wohin die Karawane unterwegs war und wann sie voraussichtlich wieder in Savrana sein würde.

Als Rhana jedoch in die Küche trat, entdeckte sie keinen solchen Plan, was sie misstrauisch machte. Das sollte eigentlich heißen, dass sie in Savrana waren.

Vielleicht waren sie unterwegs, denn die Küche sah aus, als wäre sie erst vor kurzem genutzt wurden. Es stand sogar noch eine dreckige Schüssel in der Spüle.

»Was ist?«, fragte Idris schließlich, als Rhana auf einen Schrank zuging und einen Zettel hervorholte.

»Sie scheinen da zu sein, aber nicht im Haus«, erklärte sie und suchte dann nach einem Stift, bevor sie eine Notiz hinterließ. »Ich würde dir gern die Stadt zeigen, während wir warten«, erklärte sie und legte den Zettel auf den Tisch, wo ihr Bruder ihn hoffentlich sehen konnte. Darauf erwähnte sie auch, dass sie mit einem Schulfreund hier war, dem sie die Stadt zeigte. Hoffentlich konnten sie heute Abend zusammen essen. Rhana wollte zu gern ihren Bruder und Vater wiedersehen.

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