Kapitel 44
Rhana fühlt sich zunehmend unwohler, während sie mit Lewin hinter Yuvan herlief. Die Menschen, die ihnen entgegenkamen grüßten Yuvan sehr höflich, doch Rhana konnte nur schwer sagen, welchen Stand sie in den Nordlanden innehatten. Sie konnte sich auch nicht genug darauf konzentrieren, denn langsam machte sich Angst in ihr breit.
Ihre Hand, mit der sie sich bei Lewin festhielt, zitterte leicht. Sie war noch nervöser als bei ihrem ersten Besuch bei Königin Suna.
Alles, was sie über Königin Lumire Raenac wusste, war, dass sie die erste Königin war und von einem sehr berühmten Königspaar abstammte. Ein Teil ihres Blutes kam aus den Südlanden. Königin Zunae Naytas, die um Frieden zu stiften von den Südlanden in die Nordlande gezogen war und dort König Yelir geheiratet hatte.
Jeder in den Südlande kannte diese Geschichte, denn dank Königin Zunae war der Krieg schließlich beendet worden. Auch soll sie eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, einen weiteren, größeren Feind von außerhalb zu bezwingen.
Also bestand irgendwo sogar eine Verwandtschaft zwischen Königin Suna und Königin Lumire. Rhana wusste jedoch nicht, wie die Zusammenarbeit der beiden war. Darüber hatte sie noch nie etwas gehört, was aber auch daran lag, dass sie keine große Rolle im Adel spielte. Ob wohl Lewin etwas wusste? Immerhin rühmte er sich immer damit, mit Königin Suna verwandt zu sein. Wenn auch nur über Ecken.
Ob sie ihn danach fragen sollte? Hier war vermutlich nicht der beste Ort dafür, doch sie wusste generell nicht, was sie tun sollte.
Dann betraten sie den Saal, der für diesen Ball gedacht war.
Rhana hatte das Gefühl, in eine ganz andere Welt zu treten.
Tanzende, bunte Lichter, die von einem Kronleuchter an der Decke stammten, tauchten die edlen Kleider der Gäste in einen Schleier, der magisch wirkte.
Atemlos beobachtete Rhana, die die Gäste miteinander sprachen, lachten und tanzten. Sofort fühlte sie sich unwohl. Sie gehörte hier einfach nicht rein. Trotzdem fand sie gefallen an der Musik, die so ganz anders war als die Oud in Savrana.
Rhana spannte die Schultern an. Sie hatte eine Aufgabe und der würde sie nachkommen müssen.
Rhana rief sich in Erinnerung, dass sie sich unter die Gäste mischen und nicht auffallen sollte. Was schwierig war, denn Yuvan führte sie direkt durch den Raum.
Ein Fürst traf auf ihn zu und wollte ihn ansprechen, doch Yuvan wehrte ihn mit einer kurzen Handbewegung ab. Dabei wurde nicht gesprochen und Yuvan hielt auch nicht inne, weshalb Rhana sich fragte, was das bedeutete. War das hier die Art, wie man miteinander umging?
Es fühlte sich kalt und abweisend an und gefiel ihr gar nicht.
Schließlich brachte Yuvan die kleine Gruppe zu einer Sitzecke, in der eine Frau saß, die Rhana nur als strahlend bezeichnen konnte. Das schwarze Haar fiel ihr sanft über die Schulter und endete in blauen Spitzen. Diese schienen zu schimmern, wie es sonst nur die Magie tat, die Rhana bei den Drachen gesehen hatte.
Ihr sanfter Blick aus goldfarbenen Augen sorgte dafür, dass sich Rhana zunehmend entspannte und sogar knicksen konnte, ohne dabei zu zittern.
Lewin hingegen wirkte noch angespannter, jetzt wo Yuvan aauf die Königin zutrat und diese begrüßte. Überraschenderweise mit einem sanften Wangenkuss. Was Rhana mehr verwirrt hätte, wenn sie nicht mittlerweile wüsste, dass Königin Lumire Yuvans Tante war.
»Yuvan, mein Lieber«, sagte sie sanft. Ihre Stimme war nicht rau oder dunkle, doch trotzdem strahlte sie eine Ruhe aus, die Rhana ihre Einschätzung der Frau überdenken ließ. Sie wirkte sehr jung, doch so hoheitlich, dass sich Rhana fragte, ob sie viel durchgemacht hatte. Vielleicht hatte sie aber auch einen Weg gefunden, um jünger auszusehen, als sie war. Denn so, wie sie vom Aussehen her wirkte, hätte Rhana sie in ihrem Alter geschätzt. Maximal zwei Jahre älter. »Wen hast du mir da mitgebracht?«, fragte sie und deutete auf Lotta, die bisher eher ein stilles Anhängsel gewesen war.
Rhana hatte ihre Gegenwart schon fast wieder vergessen, so unauffällig hatte sie sich verhalten.
Nun knickste sie jedoch höflich. »Mein Name ist Lotta Silber«, stellte sie sich vor. Dabei klang ihre Stimme ruhiger, als Rhana sie in Erinnerung hatte. Als würde Lotta versuchen, möglichst unauffällig zu sein, was nicht so ganz zu dem Verhalten passen wollte, dass Rhana von der Schule kannte.
Königin Lumire lächelte und blickte dann zu Rhana und Lewin. »Sind das deine Gäste, von denen mir berichtet wurde?«, wollte sie wissen, wobei Rhana ein leichtes Funkeln in den goldenen Augen erkennen konnte.
Yuvan neigte den Kopf. »Richtig«, sagte er und nickte den beiden dann zu.
Es war Lewin, der zuerst einen Schritt auf sie zu machte. »Mein Name ist Lewin Sunrena, Eure Hoheit«, grüßte er ehrerbietig.
Lumire musterte Lewin nachdenklich. »Sunrena. Ist das nicht der Nachname des Ehemanns von Königin Senari?«, fragte sie und zeigte damit, dass sie informierter war, als Rhana angenommen hatte.
Lewin hob nur wenig den Blick. »Das ist richtig. Mein Vater ist der Bruder des Königs.«
Rhana erinnerte sich schwach daran, doch soweit sie wusste, hatte der König mit seinem Bruder kein all zu gutes Verhältnis. Zumindest war es das, was sich die Bevölkerung erzählte.
Königin Lumire neigte leicht den Kopf. »Herzlich willkommen in den Nordlanden. Ich hoffe sehr, du wirst deinen Aufenthalt hier genießen«, sagte sie. Ihre Worte klangen freundlich und so, als wäre sie erfreut darüber, dass er in ihr Reich gekommen war, doch Rhana kam nicht umhin ein gewisses Desinteresse zu vernehmen. Ob das noch anderen auffiel?
»Habt Dank, Eure Hoheit«, sagte er, bevor er sich erhob und zurücktrat.
Nun wanderte der Blick der Königin zu Rhana, womit dieser unverhohlenes Interesse entgegenschlug.
Sofort knickste Rhana. »Mein Name ist Rhana Tavanis. Ich bin die Erbin der Tavanis-Handelsgesellschaft«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. Sie war wirklich diejenige, die sozial am niedrigsten stand. Eine Tatsache, die sie am liebsten wieder vergessen würde, doch so leicht würde das nicht werden.
»Oh. Ich habe von ihr gehört«, sagte Lumire mit Neugier in der Stimme. »Meine Mutter hat wohl mit ihnen gehandelt.«
Rhana versuchte sich daran zu erinnern, denn dass die Könige der Raenacs dort erwähnt waren, war ihr nicht aufgefallen. Allerdings erinnerte sie sich an einen Namen, bei dem sie sich schon gewundert hatte, ob das Zufall sein könnte.
»Das ist richtig. Eure werte Mutter hat regelmäßig bei uns Aufträge aufgegeben«, erwiderte Rhana, die jedoch nicht sagen würde, um welche Art der Aufträge es sich handelte. Sie konnte es zwar herausfinden, hatte sich damit aber bisher noch nicht befasst.
Rhana ignorierte die überraschten Blick von Lewin und Yuvan, die scheinbar beide keine Ahnung davon gehabt hatten.
Yuvan fing sich zuerst wieder und räusperte sich leise. »Davon wusste ich gar nichts«, bemerkte er und blickte zu Lumire.
Diese lachte leise. »Natürlich nicht. Die wenigsten wissen davon«, erwiderte sie mit einer abwinkenden Handbewegung. »Aber ich bin froh, wieder in Kontakt treten zu können. Irgendwann wurden die Briefe einfach nicht mehr beantwortet«, erklärte sie, wobei ihr goldener Blick bohrend auf Rhana lag.
Diese schluckte leicht und befeuchtete sich ihre Lippen. »Leider sind meine Eltern beide verstorben, als ich noch sehr jung war. Ich war zu jung, um die Handelsgesellschaft zu übernehmen, weshalb ein Bekannter sie übernahm, um sie für mich aufzubewahren«, erklärte sie, ohne dass sie sich dabei Sorgen machte, zu viel zu verraten.
Für einen Moment schielte Rhana hoch und bemerkte einen Schatten über das Gesicht der Königin wandern. »Das tut mir sehr leid«, erwiderte sie. Rhana konnte ihr das sogar glauben, denn in ihrer Stimme schwang Mitleid mit. »Es würde mich freuen, wenn wir in Kontakt bleiben würden«, erwiderte Königin Lumire, was Rhana überraschte. Allerdings würde sie das Angebot annehmen. Vielleicht war sie wegen eines Auftrages als Drachenreiterin hier, doch es war sicher auch nicht verkehrt, ihren Einfluss als Kauffrau auszubauen. Gerade in den Nordlanden konnte das sicher einige Türen öffnen.
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