Kapitel 33
Als Kisa nach einigen Stunden Flug landete, hatte Rhana das Gefühl, ihre Beine würden abfallen. Sie zitterten so sehr, weil sie diese so angespannt hatte, dass sie Angst hatte, von Kisa abzusteigen.
Erst, als Idris unten stand und seine Arme aufhielt, entschied sie sich dazu, langsam hinabzurutschen.
Als sie den Boden berührte, geschah genau das, was Rhana erwartet hatte. Ihre Beine gaben nach und sie fiel Idris förmlich entgegen.
Dieser lachte leise, bevor er sie vorsichtig hochhob. »Das passiert«, meinte er schmunzelnd. »Auf einem Drachen zu reiten ist doch etwas anderes, als auf einem Kamel.«
»Stimmt wohl«, murmelte Rhana, als sich Idris mit ihr im Arm zu den Tunneln umdrehte.
Dort nahm sie eine Bewegung wahr und erkannte Lewin, der sich abwandte und davon stapfte. Er wirkte verärgert, regelrecht wütend, zumindest soweit Rhana den kurzen Moment, den sie sein Gesicht sehen konnte, einschätzen konnte.
Sofort fühlte sich Rhana schlecht. Sie war mit Lewin verlobt und sollte sich nicht so von einem anderen Mann tragen lassen. Allerdings wäre sie auf den Boden gefallen, hätte Idris sie nicht gefangen.
»Würdest du mich bitte absetzen?«, fragte sie und blickte zu Boden. Dadurch konnte sie nicht sehen, wie Idris sie musterte und eine Augenbraue hob.
»Na gut, aber mach vorsichtig«, bat er, bevor er sie langsam absetzte, sie aber noch hielt.
Rhanas Beine zitterten und Schmerzen machten sich in ihnen breit. Sie hatte diese so sehr beansprucht, dass Rhana nicht einmal wusste, ob sie es schaffte, noch einen Schritt zu gehen. Dennoch nahm sie all ihre Kraft zusammen und versuchte es.
»Wir haben es mit dem Fliegen vielleicht ein wenig übertrieben«, bemerkte Idris, der sie noch immer stützte und führte, aber er respektierte ihren Wunsch, allein zu laufen.
»Lewin sah auch nicht aus, als würde er gleich zusammenbrechen«, brummte Rhana, die das Gefühl hatte, viele Kilometer gerannt zu sein und ihre Beine nun zwingen zu müssen.
»Vermutlich ist er auch nicht ansatzweise so lange geflogen wie wir«, bemerkte Idris nüchtern.
Mittlerweile war es fast Zeit zum Abendessen, was hieß, sie waren fast den gesamten Tag in der Luft gewesen.
»Warum sind wir so lange geflogen?«, fragte Rhana, um sich von ihrer Erschöpfung abzulenken. Auch der Hunger wurde immer schlimmer, weshalb sie sich langsam in Richtung Speiseraum bewegte. Allerdings drehte Idris sie in die Richtung ihres Zimmers.
»Ich bringe dir das Essen«, sagte er, statt auf ihre Frage einzugehen. Rhana störte es nicht unbedingt, den sie hatte nicht wirklich Lust, den langen Weg zu gehen.
Gerade, als sie in den Tunnel abbiegen wollten, der zu den Schlafzimmern führte, tauchte eine junge Frau auf.
Das hellblaue Haar fiel ihr in sanften Wellen auf die Schulter und die sanften, blauen Augen weiteten sich einen kurzen Moment. Die vollen, roten Lippen, die in dem puppenhaften Gesicht lagen, verzogen sich zu einem Lächeln, bevor sie den Rock ihres weiten, blauen Kleides packte und einen Knicks machte. »Hallo, mein Name ist Lotta«, stellte sie sich mit sanfter Stimme vor.
Rhana spürte, dass sie von der bloßen Präsenz der Frau förmlich überwältigt wurde. Sie war schön, sanft und elegant. So sehr, dass Rhana ein wenig Neid in sich aufsteigen spürte. Trotzdem riss sie sich zusammen und neigte grüßend den Kopf. »Hallo Lotta«, sagte sie freundlich, da sie sich die Frau nicht gleich zur Feindin machen wollte. Sie musste neu hier sein. »Ich heiße Rhana.«
»Idris«, erwiderte er lediglich und klang dabei in Rhanas Ohren kalt. Als sie sich jedoch zu ihm umwandte, bemerkte sie, dass er Lotta anstarrte.
»Würdet ihr mir vielleicht die Akademie zeigen? Ich bin gerade erst angekommen«, sagte sie und blickte zwischen beiden mit großen, unschuldigen Augen hin und her.
»Wenn du einen Moment warst. Wir kommen gerade von den Flugübungen und ich bringe Rhana auf ihr Zimmer«, erklärte Idris mit angespannter Stimme.
Rhana fragte sich, was los war. Lotta schien neu hier zu sein und aufgrund der Tatsache wie man sie begrüßt hatte, als sie angekommen war, hatte sie angenommen, dass Idris wusste, dass sie neu hier war. Seine Reaktion wirkte auf Rhana allerdings eher angespannt.
Lotta schlug in einer freudigen Geste die Hände zusammen und strahlte. »Vielen Dank«, erwiderte sie voller Vorfreude.
Idris hingegen nahm Rhanas Arm, um sie etwas zu stützen, bevor er sie weiter führte.
Rhana warf einen kurzen Blick zu Lotta, die den beiden folgte. Allerdings mit ein wenig Abstand und einem Blick, der ständig hin und her ging. Rhana verstand die Aufregung der jungen Frau. Ihr war es auch so ergangen. Hier war alles neu und anders. Vermutlich war sie von allem hier auch gerade erschlagen und freute sich über Gesellschaft.
Vor Rhanas Zimmertür blieb Idris schließlich stehen. »Ruh dich etwas aus. Ich bringe dir gleich das Essen«, bot er an, was bei Rhana ein zwiegespaltenes Gefühl hinterließ. Sie freute sich sehr darüber, doch Idris hatte als Lehrer auch Aufgabe und sie war sich sicher, dass dazu auch das Herumführen der neuen Schuler gehörte. So, wie er es bei ihr getan hatte.
»Das musst du nicht«, versicherte Rhana. Sie würde sich einfach eine Weile ausruhen und hoffen, dass dann noch etwas da war.
Idris winkte ab. »Ich habe es angeboten, also werde ich es tun«, erwiderte er ungerührt, was Rhana doch ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Er war wirklich sehr zuvorkommend.
Als Idris mit Lotta losging, zog sich Rhana in ihr Zimmer zurück. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und atmete tief aus. Idris hatte wohl Recht. So würde sie es nicht bis zum Speißesaal schaffen. Sie spürte die Erschöpfung in ihren Knochen, dabei hatte Kisa die ganze Arbeit gemacht. Daher fiel es ihr auch schwer, zu verstehen, woher die Schmerzen in ihren Beinen kamen. War es wirklich nur deshalb, weil sie sich panisch damit festgeklammert hatte?
Gedankenverloren starrte sie zum Fenster hinaus, während sie den Tag revue passieren ließ. Es hatte wirklich Spaß gemacht.
Ein leises Klopfen zog ihre Aufmerksamkeit auf die Tür, als diese auch schon geöffnet wurde. Idris trat ein. In der Hand einen vollen Teller mit diversen Fleischspiesen. »Für dich«, sagte er und stellte den Teller auf ihren Nachttisch ab.
Rhana lächelte ihm zu. Sie war froh, dass er ihr Essen brachte, denn sie fühlte sich immer weniger dazu in der Lage, erneut aufzustehen.
»Danke. Möchtest du nicht auch was essen?«, wollte sie wissen, denn irgendwie hatte sie das Bedürfnis, weiter Zeit mit Idris zu verbringen.
»Ich esse dann gleich. Erst zeige ich Lotta noch die Schule«, bemerkte er und wandte sich wieder ab, um zur Tür zu gehen.
Rhana spürte ein leichtes Stechen in ihrer Brust, das sie nicht sofort einordnen konnte.
Bevor er ihr Zimmer verließ, wandte er sich noch einmal zu Rhana um. »Erhol dich gut. Wir machen morgen weiter.«
Rhana nickte und beobachtete dann, wie Idris den Raum verließ. Dabei erhaschte sie einen Blick auf Lotta, die sich an Idris Arm klammerte.
Erneut war da dieser Schmerz in ihrer Brust. Dieses Mal verstand sie jedoch, was es war.
Eifersucht.
Sie verbrannte gern Zeit mit Idris, doch wann war es dazu gekommen, dass sie so viel für ihn empfand?
Rhana legte sich eine Hand an ihr unruhig schlagendes Herz.
Sie durfte sich nicht in ihn verlieben. Er war einfach nur nett zu ihr und brachte ihr das Drachenreiten bei. Mehr war da nicht. Sie waren nicht zusammen, noch schien er mehr Interesse an ihr zu haben, als ein Lehrer, der sich um seine Schüler kümmerte.
Oder?
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