Kapitel 27

Das Essen in der Taverne war überraschend gut, konnte aber nicht mit dem mithalten, das sie auf der Akademie gegessen hatte. Trotzdem bemerkte sie die Ähnlichkeit der beiden Gerichte und fragte sich, ob der Koch der Akademie auch aus den Nordlanden kam.

»Machen wir uns auf den Weg in die Stadt und besorgen das Leder«, sagte Idris, der einen kleinen Rucksack schulterte, als er die Taverne verließ.

Rhanas Blick glitt in den Himmel. Kleine, weiße Flauschewolken verdeckten ab und an die Sonne, trotzdem konnte sie ausmachen, dass sie eine Weile in der Taverne verbracht hatten.

»Gibt es etwas, das ich wissen müsste?«, fragte Rhana, denn ihr war durchaus aufgefallen, dass er in der Taverne nicht bezahlt hatte und das den Wirt nicht einmal gestört hatte. Rhana verstand nicht, wieso, doch da sie keinen Ärger bekommen hatten, sollte sie sich wohl nicht so viele Gedanken darum machen.

»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Idris, während sie in der Ferne bereits die ersten Häuser ausmachen konnten. »Außer, dass Kavalare bekannt für seine feine Lederverarbeitung ist. Sie haben sich nach dem Krieg darauf spezialisiert.«

Das erklärte auch, warum Idris unbedingt in den Nordlanden einkaufen wollte.

Wenn Rhana so darüber nachdachte, hatte Unori ihr einmal erzählt, dass er versucht hatte, Leder aus den Nordlanden zu erstehen, um damit in Savrana zu handeln. Allerdings war der Preis und die Gefährlichkeit des Transports zu hoch gewesen.

»Es gibt auch in den Südlanden gute Lederer«, bemerkte Rhana, die dort einige ihrer Stammverkäufer hatte. Daher wusste sie sehr genau, dass die Qualität gut war. Hier konnte sie nur von Hören-Sagen bestimmen, wie gut sie waren. Nur, weil es hieß, sie wären gut, musste das noch nicht stimmen.

»Das ist richtig, aber nicht, wenn es um Drachen geht«, erwiderte Idris gut gelaunt. Er schien die Reise wirklich zu genießen. Ob er viel aus den Bergen kam oder den Großteil seiner Zeit dort zubrachte?

»Wissen sie, dass diese Tiere existieren?«, wollte Rhana überrascht wissen, war aber nicht verwundert, als Idris den Kopf schüttelte. »Nein. Aber sie haben gelernt die riesigen Echsen zu zähmen, die im Süden der Nordlande vorkommen. Für die machen sie Sättel und Leinen. Ihre Schuppenpanzer ähneln denen der Drachen in vielen Belangen, weshalb das Leder perfekt ist.«

»Wirklich?«, fragte Rhana begeistert. Ob sie wohl einige von diesen Echsen sehen würde? Sie hatte davon gehört, doch gesehen hatte sie noch nie welche. Die Umgebung in Savrana war für sie nicht geeignet.

»Wenn die Zeit da ist, können wir bei einem Züchter vorbeischauen«, bot Idris an, als sie die Stadt betraten. Sie unterschied sich in der Architektur sehr von Savrana. Die Häuser waren zwar ähnlich klein, doch aus Holz gebaut, was man in Savrana eher nicht fand. Außerdem war es oft so, dass die Häuser an der Straße unten eine Art Ladenlokal hatten.

Über Bäcker, Schneider zu Schmieden gab es hier alles, was man für eine florierende Stadt brauchte und doch schienen die Häuser eher weit voneinander entfernt zu stehen, wie es Rhana nur von den Randgebieten von Savrana kannte. Platzmangel kannte man hier wohl nicht, aber diese Stadt musste sich auch nicht nah an einer Oase halten.

Rhana atmete den Geruch der Brötchen ein. Er ähnelte dem von Zuhause, auch wenn die Geräusche sehr anders waren. Es herrschte reges Treiben auf den Straßen, die gepflastert waren. Die Karren und Pferde machten klappernde Geräusche, die immer wieder von Stimmen vermischt wurden. Musik, wie es in ihrer Heimat üblich war, konnte sie jedoch nicht wahrnehmen. Zudem mischte sich immer wieder ein unangenehmer Geruch unter die Backwaren. Erst glaubte sie, dass es an den Gerbereien und Schmieden lag, die es hier auch gab, doch dann sah sie, wie eine Frau ein Fenster öffnete und ihren Müll einfach auf die Straße zwischen den Häusern kippte.

Rhana verzog den Mund. Das gefiel ihr gar nicht, auch wenn sie jemanden sah, der die Straßen reinigte. Hygienisch war das nicht gerade.

»Hier müssen wir hin«, bemerkte Idris, der Rhana in eine Gasse führte.

Rhana fühlte sich sofort unwohl, da sie Angst hatte, dass von oben etwas auf sie drauffiel, doch sie schafften es zu einem Ladengeschäft, ohne dass derartiges geschah. Was nicht hieß, dass sich Rhana hier wirklich wohlfühlte.

Sie vermisste ihre Heimat und spürte die Müdigkeit in sich aufsteigen. Als sie das Geschäft jedoch betraten und der Duft von gegerbten Leder in ihre Nase stieg, erwachte ihr Handelssinn. Den hatte sie vermutlich von ihren Eltern, doch sie erkannte gute Ware, wenn sie diese sah. Darum trat sie auch recht zügig auf ein Gestell mit diversen Lederarten zu, um diese zu begutachten.

Obwohl sie die Qualität sah, konnte sie kaum einschätzen, was davon für Kaza geeignet war, weshalb sie auf Idris wartete.

Als sie zu ihm sah, bemerkte sie, dass er sie beobachtete und erst jetzt langsam auf sie zukam. »Das Leder muss robust, aber auch elastisch sein«, erklärte er, bevor auch er prüfend über die Auswahl fuhr. Es gab neben normalen Rinderleder auch Echsenleder und andere Tiere, denen man die Haut abziehen konnte, um sie zu verarbeiten. Auch diverse Felle waren in einer Ecke ausgestellt.

»Kann ich euch behilflich sein?«, erklang die Stimme eines jungen Mannes, der auf Idris und Rhana zuging. Er trug ein ledernes Wams, was über eine edlere Weste gezogen war. Rhana konnte nur schwer einschätzen, in welcher sozialen Schicht er wohl zuhause war, doch vermutlich handelte es sich um den Ladeninhaber, oder dessen Sohn.

»Wir brauchen Leder für robuste Sättel. Es darf nicht leicht abgenutzt werden, auch wenn es auf Schuppen liegt«, erklärte Idris professionell, als hätte er das schon mehrere Male getan. Rhana blieb einfach ruhig und lauschte.

»Ah, ihr braucht sie für die Echsen«, bemerkte er Mann, ohne es großartig zu hinterfragen.

Idris nickte leicht, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Rhana verstand durchaus, dass er nicht sagen konnte, dass es sich um einen Drachen handelte.

»Wir haben gerade ganz besonderes Leder reinbekommen. Es heißt, dass es sich um Leder von Echsen aus den Bergen handelt«, erklärte er und führte die beiden zu einem speziellen Gestell.

Das Leder, das sie dort sahen, war grünlich und wirkte schimmernd.

Rhana griff danach und fuhr mit den Fingern darüber. »Es ist elastisch und trotzdem robust.«

Idris trat an sie heran und griff an ihr vorbei an das Leder, wodurch sich beide sehr nahe kamen.

Rhana spürte seine Wärme an ihrer Seite und wurde ein wenig rot. Sein Duft wehte ihr in die Nase und das Gefühl von Geborgenheit, das sie auch schon beim Fliegen gehabt hatte, kehrte zurück. Als würde er irgendeine eigenartige Macht ausstrahlen, die sie schützend umgab. »Ja, es fühlt sich gut an«, sagte er zustimmend, was Rhana aus ihrer Starre riss.

»Dann ... nehmen wir das?«, wollte leise wissen, denn es war Idris Entscheidung.

Dieser nickte. »Testweise. Allerdings hätte ich gern noch das Leder, das ich sonst immer nehme«, erklärte er und wandte sich von dem Leder ab, um den Verkäufer anzusehen. »Mein Vater hat früher hier Leder von Ohreulen gekauft«, sagte er, worauf der Mann blass wurde.

»Ohreulen? Ihr meint diese vogelartigen Monster, die man auch Strix nennt?«, wollte er wissen, wobei Angst in seiner Stimme mitschwang.

Selbst Rhana stieß ein Keuchen aus. Solches Leder wollte er benutzen?

»Richtig. Ich weiß, dass es selten ist, aber früher habt Ihr hier sowas geführt«, bemerkte er, was den Mann leicht den Kopf schütteln ließ.

»Selbst wenn ... Es ist nur für das Königshaus bestimmt«, winkte er ab und schien froh darüber, sich aus der Affäre reden zu können.

»Oh«, machte Idris, bevor er erneut dieses glänzende Ding aus seiner Tasche zog. Dieses Mal konnte Rhana es besser erkennen. Es war eine handgroße Münze mit einem Emblem einer Katze. Auf der Rückseite mit einem Drachen. Die Wappen der jeweiligen Herrscherclans.

Stimmte es, das beide Clans die Schule in den Bergen unterstützten. Es lag nahe, da Königin Suna sie sogar persönlich dafür ausgesucht hatte.

Der Mann starrte die Siegelmünze einen Moment lang an, bevor er sich leise räusperte. »Nun. Das ändert einiges. Bitte folgt mir in den Lagerraum«, bat er und deutete Idris an, ihm zu folgen.

Dieser nahm Rhanas Hand und zog sie sanft hinter sich her, als würde er sie nicht allein lassen wollen.

Idris Wärme an ihrer Hand zu spüren, fühlte sich gut an und so stolperte sie Idris hinterher. Neugierig darauf, was noch so auf sie wartete.

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