Kapitel 25
Unruhig trat Rhana hinaus auf den Landeplatz. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und sie zog den Mantel etwas enger um sich.
Es ging ihr besser, doch sie hatte noch einmal geschlafen, sodass es jetzt schon der nächste Morgen war. Ziemlich früh, doch schon hell.
»Ich habe mit Direktorin Nae geredet. Sie hat gesagt, dass du dir gleich noch die ein oder andere Kleidung kaufen solltest«, erklärte Idris, der sie gerade aus ihrem Zimmer abgeholt hatte.
»Das ist wirklich nicht nötig«, bemerkte Rhana, die sich absolut nicht wohlfühlte. Sie kannte Idris nicht, obwohl er sich sehr gut um sie gekümmert hatte. Hätte die Direktorin ihr nicht gesagt, sie sollte zu ihm bezüglich Kazas Leine, hätte sie ihn vermutlich gar nicht angesprochen.
»Doch, ist es. Deine Kleider passen hier nicht her«, bemerkte er, bevor er pfiff.
Es dauerte nicht lange, da legte sich ein Schatten über sie und kurz darauf landete Freya vor ihnen. In einer eleganten Anmut, die Rhana kurz die Spracheverschlug. Würde Kaza irgendwann auch so groß werden?
Die kleine Drachin befand sich bei der Direktorin, damit Rhana in Ruhe mit Idris einkaufen gehen konnte. Was sich nicht richtig anfühlte. Sie sollte das Geld für Kaza aufbringen und sich nicht aushalten lassen.
»Komm«, sagte Idris, der Rhanas Hand nahm und sie Richtung Freya zog.
Rhana hielt Ausschau nach dem Korb, doch als sie ihn nicht fand, wurde ihr klar, dass sie auf der Drachin reiten würden.
Ein Schauer rann ihr über den Rücken und sie blieb stehen. »Ich kann nicht«, bemerkte sie, doch Idris bemerkte nicht, dass sie stehenblieb und zog an ihren Arm. Er war so stark, dass sie ihm hinterherstolperte.
Irritiert über ihre Worte, sah er zu ihr zurück, bevor er sie losließ. »Entschuldige«, sagte er, bevor er die Hand sogar hinter seinen Rücken nahm, als wolle er ihr so zeigen, dass er sie nicht verletzen wollte, doch das war nicht Rhanas Problem. »Ich kann nicht. Ich weiß nicht, wie man auf einem Drachen reitet«, sagte Rhana, um ihre Worte zu erklären. Dabei blickte sie ein bisschen ängstlich nach oben zu Freya. Wie sollte sie dort hochkommen? Was musste sie machen?
»Du musst keine Angst haben«, versicherte Idris, der nun doch wieder auf Rhana zutrat und ihr ganz vorsichtig eine Hand auf den Arm legte. Dabei spürte sie, dass er leicht zitterte, was sie nicht einordnen konnte. »Du wirst später noch Flugstunden bekommen, aber ich kann dir die Grundlagen gern schon beibringen. Das geht schnell«, versicherte er und pfiff erneut leise.
Freya streckte die Flügel aus und legte sich dann so zu Boden, dass sie viel leichter hinaufklettern konnten.
Rhana war jedoch nicht ganz so sicher, ob sie das konnte.
Idris drängte sie dieses Mal nicht, blieb aber an ihrer Seite. »Kletter einfach auf ihren Hals«, wies Idris sie an, als wäre nichts dabei, auf einen Drachen zu klettern.
Rhana atmete tief durch und suchte mit den Augen nach Punkten, an denen sie sich festhalten konnte. Als sie einen fand, machte sie einen Schritt auf die Flügel, was Rhana selbst jedoch nicht sonderlich gefiel. Tat es dem Drachen auch nicht weh? Sie wollte Freya nicht treten.
»Das machst du gut«, bemerkte Idris, der noch immer an ihrer Seite war. Als würde er hinter ihr warten, damit sie nicht zu weit fiel, sollte sie es doch nicht schaffen.
Rhana schluckte, während sie versuchte, sich nach oben zu ziehen und ein Bein über den Hals zu schwingen.
Als sie saß, spürte sie ein leises Vibrieren unter sich, was sie überraschte. War das ein Schnurren?
Rhana sah zu Idris und lächelte ihn vorsichtig an.
Dieser kam ihr entgegen, bevor er ein Bein hinter sie schwang. Dabei war er so selbstsicher, als hätte er das schon viele hundert Male gemacht.
Rhana erstarrte, als sie spürte, dass er die Arme um sie lag, um sich vor ihr festzuhalten.
Sie beobachtete seine Finger, doch die plötzliche Wärme an ihrem Rücken blieb ihr nicht verborgen.
»Halt dich fest«, wies Idris sie an, weshalb Rhana versuchte, ihn nachzuahmen, doch einem guten Griff zu finden war nicht gerade einfach. Sagte die Direktorin nicht etwas von Sätteln? Diese konnte
Rhana nicht sehen.
»So?«, fragte sie unschlüssig, denn so richtig sicher fühlte sie sich nicht.
Idris griff nach ihren Händen, bevor er diese an eine Ranke mit Blumen legte, welche in ihrer Nähe an Freya wuchs. »Nimm das als Leine«, schlug er vor.
Rhana spürte das sanfte Kribbeln, das die Berührung seiner Hände hinterlassen hatte. Sie waren nicht nur überraschend groß, andern auch rau. Er schien viel damit zu machen. Ob er wohl auch kletterte?
Hinter ihnen erklang die Glocke, die zum Essen rief.
Da Idris gesagt hatte, er hätte alles geklärt, hoffte sie, dass niemand sie vermisste.
Rhana wollte sich lieber nicht vorstellen, was für einen Aufstand Lewin veranstalten würde, wenn er herausfand, dass sie mit Idris unterwegs war. Er machte sich nur wieder unnötige Sorgen.
Rhana hielt die provisorische Leine fester, als sie bemerkte, dass sich Freya unter ihr bewegte.
Ein überraschter Laut verließ ihre Lippen, als Freya plötzlich losstürmte. Vermutlich wäre sie nach hinten gefallen, wäre da nicht Idris feste Brust, die sie hielt. Er bewegte sich kein Stückchen und saß fest auf seiner Position.
Wie konnte er das, wenn es so wackelte?
Rhana schnappte nach Luft, als Freya über den Abhang sprang. Sie stieß sogar ein leises Quietschen aus, weil ihr Magen plötzlich unnatürlich kribbelt und Panik sie packte.
Idris legte den Arm fester um ihre Taille und kurz darauf spürte sie seinen heißen Atem an ihrem Ohr. »Keine Angst. Es passiert nichts«, versicherte er. Dank des Windes konnte es Rhana aber nur gerade so verstehen, da streckte Freya auch schon ihre Flügel aus und drehte sich in den Wind.
Plötzlich wurde der Fall zu einem Gleitflug, bevor der Drache mit den Flügeln schlug und dabei höher stieg.
Rhana spürte die Panik, die sie im Korb gehabt hatte nicht. Stattdessen gab ihr das Gefühl des warmen, lebendigen Drachen unter ihr Zuversicht und Sicherheit.
Überrascht stieß sie den Atem aus, als sie die kleinen Schmetterlinge in ihrem Magen bemerkte.
Obwohl Adrenalin durch ihren Körper schwappte, hatte sie ein plötzliches Gefühl von Freiheit.
Idris lockeren seinen Griff um sie etwas, als hätte er bemerkt, dass sie sich nicht mehr so unwohl fühlte. Er war ein überraschend einfühlsamer Mann. Zumindest wirkte es auf Rhana so. Gleichzeitig hatte sie aber auch das Gefühl, dass er sehr harsch sein konnte, ohne verletzend zu sein. Wenn er glaubte etwas war nötig, dann tat er es und fragte nicht. Wie in dem Moment, als er sie ins Zimmer getragen oder ihr die Medizin gebracht hatte. Rhana hatte beides abgelehnt und es war ihm egal gewesen. In dem Falle war das gut, doch was, wenn er auch in anderen Dingen so war?
Rhana kannte es aus der Beziehung zu Lewin nicht anders, doch mit Idris war sie nicht verlobt. Er könnte aber vielleicht ein guter Freund werden.
»Schau mal dort«, erklang Idris Stimme an ihrem Ohr und erst jetzt realisierte Rhana, dass er mit seiner Hand auf etwas zeigte.
Sie folgte seiner Deutung, wofür sie sich etwas zur Seite lehnen musste. Obwohl sich vor ihr der Abgrund und darunter das zackige, unheilvoll spitze Gebirge abzeichnete, hatte sie doch keine Amgst zu fallen. Sie war sich sicher, Idris würde sie festhalten.
Als sie erblickte, was Idris ihr zeigte, schnappte sie staunend nach Luft. Unter ihnen lag die Akademie. Die Höhlen, Brücken und Landeplätze bildeten ein kleines Labyrinth, das aus der Luft sehr faszinierend aussah. Sie waren hoch genug, damit sie ruhig fliegen konnten, doch niedrig genug, um genug zu erkennen.
»Wahnsinn«, hauchte Rhana, als sie einen Weg bemerkte, der zu einem kleinen Tal führte. Dort schimmerte ein See, der sie förmlich anzog.
»Was ist das da?«, fragte Rhana und deutete auf den See. Sie bemerkte jedoch, dass sie sich selbst kaum hörte und ging davon aus, dass Idris sie erst recht nicht hören konnte. Gerade, als sie erneut laut wiederholen wollte, hörte sie Idris.
»Für die Drachen ist der See eine Trinkstelle. Aber es gibt such Gerüchte, dass dir Königin der Drachen selbst diesen See mit Kraft versorgt und er eine heilende Wirkung hat«, erklärte Idris an ihr Ohr.
Rhana fragte sich nicht, wie er in der Lage gewesen war, sie zu hören, sondern nur, ob dir Magie der Drachenkönigin den See so schön leuchten ließ.
»Es gibt Gerüchte, dass die Königin der Drachen nicht einfach nur ein Drache ist, sondern das Göttertier selbst. Weißt du etwas darüber?«, wollte Rhana wissen. Immerhin gehörte sie zum Clan der Drachen uns verehrte den Götterdrachen.
Rhana spürte, dass sich Idris anspannte. »Nicht unbedingt«, erwiderte er, wobei die sanfte Stimme an ihrem Ohr klang, als fühle er sich dabei unwohl.
Rhana fragte sich wieso, doch bereute es auch, gefragt zu haben.
»Nicht so wichtig. Ich war nur neugierig, weil du ja hier mit den Drachen lebst«, erklärte sie und ließ das Thema fallen. Es lag ihr fern über etwas zu sprechen, das Idris Laune trübte oder worüber er nicht sprechen wollte. Dazu kannten sie sich auch noch nicht gut genug.
Idris klopfte Freya auf die Seite, was Rhana nicht ganz verstand. Als der Drache jedoch etwas abdrehte und näher an den See herankam, verstand sie, dass es ein Kommando gewesen sein musste.
Freya umkreiste den See, bevor sie sich plötzlich so drehte, dass ihr Flügel das Wasser berührte.
Rhana keuchte erschrocken auf, als sie plötzlich zur Seite geneigt wurde. Allerdings verlor sie nicht ihren Halt. Was auch Idris zu verdanken war.
Stattdessen spürte sie ganz feines Wasser auf ihrem Gesicht, das durch Freyas Flügel aufgewirbelt wurde. Es kitzelte, weshalb Rhana ein leises Lachen ausstieß.
Nur wenige Sekunden später drehte sich Freya wieder so, dass Rhana keine Angst haben musste, zu fallen, bevor sie mit kräftigen Flügelschlägen aufstieg. Direkt an einer Bergwand entlang.
Ein aufgeregtes Kribbeln machte sich in Rhana breit. Wann würde sie so mit Kaza fliegen können? Wäre das überhaupt möglich oder würde Kaza ihr ganzes Leben lang ein Kind bleiben, weil sie als Mensch nicht alt genug wurde? Rhana wusste nichts über Drachen.
»Was ist das da?«, fragte Rhana nach einer Weile.
Sie hatten sich von der Schule entfernt, flogen aber immer noch durch das Gebirge.
»Was meinst du?«, wollte Idris wissen, der Rhanas Deutung folgte.
Diese zeigte auf einige Löcher in den Bergen, die mit hölzernen Stützen ausgekleidet waren. Immer wieder sah sie, klein wie Ameisen, Menschen hineingehen oder Karren herausschieben.
»Ach das. Das sind die Bergwerke des Nordclans«, erklärte Idris, als hätte sie das wissen müssen.
»Oh ... ich sehe das erste Mal Bergwerke«, staunte Rhana, die gern den Männern weiter zugesehen hätte.
»Willst du es die näher ansehen?«, fragte Idris, wobei Rhana leicht schauderte. Sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, seine Stimme so nah an ihrem Ohr zu hören, dass sie sogar seinen Atem spüren konnte.
»Ich weiß nicht. Dürfen die Freya denn sehen?« Rhana hatte sich so daran gewöhnt, dass Idris sie scheinbar auch so verstand, dass sie normal sprach und gar nicht mehr gegen den Wind anschrie. Dabei hatte sich dieser in seiner Stärke gar nicht verändert.
Freya flog noch immer so schnell und elegant, dass Rhanas Haare die ganze Zeit wild tanzten. Zumindest das, was nicht mehr in dem geflochtenen Zopf steckte.
»An sich wissen sie, dass die Drachen hier leben«, erwiderte Idris nachdenklich. »Sie sind aber mit Drachenreitern nicht vertraut. Es wäre also besser, wenn sie uns nicht sehen.«
Rhana gab einen nachdenklichen Laut von sich. Sie wollte es schon gern näher betrachten, doch auch die Drachen nicht in Gefahr bringen. »Dann ein anderes Mal.«
Rhana spürte Idris nicken und als hätte es auch Freya verstanden, drehte sie etwas ab und setzte ihren Weg fort, statt weiter über den Bergarbeitern zu kreisen.
Rhana ließ das Thema jedoch nicht los. »Was bauen Sie denn in den Bergen ab?«, fragte sie, da sie kaum eine Vorstellung hatte, für was Bergwerke eigentlich da waren.
»Das ist ganz unterschiedlich. Aktuell wohl Steine, welche Magie besonders gut speichern. Die aktuelle Königin der Raenacs ist ein großer Freund davon, Magie mit der einfachen Bevölkerung zu teilen«, erklärte Idris, was Rhana sehr überraschten. Sie hatte nicht erwartet, dass er sich so gut in dieser Gegend auskannte. Was er wohl noch wusste?
»Ich dachte immer die Raenacs sind sehr ... frauenfeindlich«, bemerkte Rhana unschlüssig.
Idris schnaubte. »Sind sie nicht und waren sie nie«, erwiderte er ein wenig beleidigt.
»So wird es bei uns erzählt«, verteidigte sie sich schnell, denn sie wollte nicht, dass Idris glaubte, sie hätte Vorurteile.
Erneut schnaubte er. »Sie behandeln Frauen anders als ihr im Süden. Das ist alles.«
Rhana gab einen nachdenklichen Laut von sich. »Kannst du mir das erklären?«, wollte sie wissen, auch wenn sie sich nicht ganz so viel davon erhoffte.
»Du wirst es sehen. Wir gehen in der Hauptstadt der Raenacs einkaufen.«
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