Kapitel 18

Als die Glocke erklang, welche die Schüler zum Essen rief, befand sich Rhana schon auf den Weg durch die Tunnel. Kaza hielt sie im Arm, da sie diese nicht allein lassen wollte. Gleichzeitig wusste sie auch, dass sie ohne den Drachen niemals in diesem Labyrinth zurechtkommen würde.

Kaza schnupperte die ganze Zeit in der Luft und durch ihre Versuche von ihrem Arm zu springen, konnte sie eine grobe Richtung ausmachen.

Jedes Mal, wenn sie eine Brücke erreichte, drehte sie um und suchte einen neuen Weg. Was dazu führte, dass sie die große Halle recht spät erreichte.

Diese war mit langen Tischen ausgestattet und auf einem Tisch standen die Speisen. Was Rhana aber mehr irritierte, waren die einzigen beiden Männer im Raum. Sie saßen so weit auseinander, wie es möglich war. Jetzt, wo Rhana in den Raum trat, sahen sie beide auf.

Der junge Mann, der ihr am nächsten war hatte weiche, jungenhafte Gesichtszüge und intensive nussgrüne Augen, die Rhana von oben bis unten musterten.

Seine wilden, blonden Locken hatten einige dunkle Strähnen und ließen ihn verwegen, vielleicht sogar ein wenig unordentlich aussehen.

Rhana bemerkte das kunstvolle Diadem in seinen Haaren. Es zeigte vermutlich seinen Stand, doch Rhana konnte es nicht einordnen. Vielleicht war es auch einfach nur ein Schmuckstück wie das Band von Ruonir, das er immer trug.

Er sprang förmlich auf und kam auf Rhana zugerannt. »Was für ein Glück. Ich dachte schon ich bekomme während meiner Schulzeit hier kein schönes Mädchen mehr zu Gesicht«, begrüßte er sie. Er wollte schon ihre Hände packen, als er Kaza in ihrem Arm bemerkte und innehielt.

Kaza knurrte ihn an und spreizte ihre Flügel, was Rhana jedoch nicht wirklich beruhigte. Stattdessen machte sie einen Schritt zurück, da der Mann ihr doch ein wenig zu aufdringlich war. »Ähm, hallo«, sagte sie überfordert. War sie wirklich so spät, das alle schon weg waren?

Er fuhr dich durch die blonden Locken und lächelte charmant. Es hatte etwas Anziehendes, das musste Rhana zugeben, doch seine überschwängliche Art hatte sie ein wenig verschreckt.

»Tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Ich bin Yuvan. Freut mich«, sagte er und reichte ihr eine Hand.

Allerdings kam Rhana nicht dazu, diese zu nehmen, denn Kaza beugte sich vor und begann diese abzuschnuppern.

Yuvan schien verwirrt, doch er bewegte die Hand nicht.

Kaza schnupperte weiter und schnaubte schließlich, bevor sie sich von ihm wegdrehte.

Rhana musste schmunzeln, griff aber nach Yuvans Hand. »Rhana«, sagte sie und deutete mit dem Kinn auf Kaza. »Das ist Kaza«, fügte sie hinzu. Scheinbar hatte diese entschlossen, dass Yuvan nicht gefährlich war, doch richtig mögen tat sie ihn wohl auch nicht.

Yuvan strahlte sie nun wieder an und packte ihre Hand. »Da du neu hier bist, zeige ich dir alles«, bot er an und zog sie zum Tisch mit dem Essen. »Nimm dir aber erstmal. Du musst Hunger haben. Ich hab noch nie ein Drachenbaby gesehen. Wo hast du sie her?«, fragte er drauflos, während Rhana sich das Essen betrachtete. Es roch sehr lecker, doch sie kannte derartige Speisen nicht. Trotzdem nahm sie sich etwas von dem Fleischeintopf. Kaza schnupperte daran und für einen Moment überlegte sie, ihr etwas davon zu geben, doch zuerst suchte sie den Tisch nach rohem Fleisch ab. Als sie keines fand, entschied sie sich dafür, einen zweiten Teller zu nehmen, um auch Kaza etwas zu geben. Allerdings war das nicht so leicht, da sie die Drachin runterlassen musste.

Sofort begann Kaza ihre Umgebung zu untersuchen und alles zu beschnuppern, das ihr vor die Schnauze kam.

Überfordert zuckte Rhana die Schultern. »Ich hab sie in meiner Heimat gefunden«, erwiderte sie, während sie Yuvan zu seinem Tisch folgte. Er hatte sein Essen einfach stehengelassen, als er zu ihr geeilt war.

Ihr Blick wanderte zu dem zweiten Mann im Raum. Er saß ruhig in seiner Ecke und aß.

Das schwarze, lange Haar fiel ihm ins Gesicht, obwohl es zu einem lockeren Zopf gebunden worden war. Rhana erkannte nicht viel und trotzdem kam er ihr vertraut vor. Als hätte sie ihn schon einmal gesehen, doch sie konnte ihn nicht zuordnen.

»Vergiss Idris«, meinte Yuvan plötzlich. »Der ist ein totaler Eigenbrötler«, winkte er ab, als wäre es nicht richtig, dem Mann seine Aufmerksamkeit zu widmen.

Als Rhana jedoch den Namen hörte, hatte sie erneut das Gefühl ihn zu kennen, doch ihr wollte einfach nicht einfallen, woher.

Weil Rhana ihn nicht die ganze Zeit anstarren wollte, wandte sie sich wieder ihrem Essen zu, um es zu probieren.

Überrascht stellte sie fest, dass es wirklich lecker war. Es war auch Fleisch darin, was sie bei sich zuhause eher selten gehabt hatte. Nur als Trockenfleisch, da es so leichter haltbar war.

Als Rhana kurz aufsah, bemerkte sie, dass Yuvan gar nicht aß, sondern die Arme auf den Tisch abgestützt hatte und sein Kinn hielt, während er sie beobachtete.

Sofort fühlte sie sich unwohl. Warum starrte er sie an? »Erzähl mir was über dich. Wo kommst du her, wie bist du zu Kaza gekommen«, bat er, wobei er sie interessiert beobachtete.

»Ähm, also«, setzte Rhana an, die gar nicht wusste, was genau sie eigentlich erzählen sollte. Was durfte sie sagen und wo sollte sie sich vielleicht zurückhalten? Immerhin durften sie nicht einmal ihren Nachnamen nennen.

»Ich komme aus den Nordlanden«, meinte Yuvan, wobei seine Augen funkelten, als er das sagte.

Rhana hörte auf. »Aus den Nordlanden?«, fragte sie atemlos, denn es war das erste Mal, dass sie einen Nordländer traf. Sie hatte sich immer vorgestellt, dass sie vom Aussehen her viel unterschiedlicher waren, doch bis auf seine sehr blasse Haut schien sie nichts zu unterscheiden.

»Ja, richtig«, bestätigte Yuvan stolz. »Du kommst aus den Südlanden, oder? Das sieht man dir an«, bemerkte er, was Rhana dazu veranlasste, eine Hand zu heben und über ihre Wange zu fahren, als könnte sie damit feststellen, ob dem wirklich so war.

Yuvan lachte leise. »Deine Haut ist sonnengebräunt.«

War es das, woran Yuvan das festmachte?

Rhana verzog ein wenig das Gesicht. »Gibt es bei euch keine sonnengebräunte Haut?«, fragte sie, denn für sie war das normal. Selbst in Naytan war es normal, dass die Menschen dort recht gebräunte Haut hatten, weil es einfach sehr warm war.

»Nein. Nicht unbedingt. In den Nordlanden ist es eher kühl und wir haben viel Gebirge. Für dich muss das alles seltsam hier sein, oder? Für mich fühlt es sich fast an wie Heimat«, erzählte er gut gelaunt.

»Es ist schon nicht so einfach hier«, stimmte Rhana ihm zu, denn sie hatte noch immer große Angst, wenn sie sich den Brücken näherte. Doch das würde sie ihm nicht verraten. Nicht jetzt. Immerhin kannte sie ihn nicht.

»Keine Sorge, ich werde mich dir annehmen und dir alles zeigen«, versicherte Yuvan, was Rhana schief lächeln ließ.

»Danke«, erwiderte sie und widmete sich wieder ihrem Essen, bevor es kalt wurde.

Yuvan sah kurz auf und blickte zum Eingang, doch Rhana war zu faul, sich zu drehen. Dazu war das Essen einfach zu gut.

»Was willst du denn hier?«, fragte Yuvan plötzlich, was Rhana nun doch dazu veranlasste, aufzusehen. Allerdings setzte sich da bereits Lewin neben sie und legte ihr den Arm um.

Sein Blick war auf Yuvan gerichtet. »Was machst du da mit meiner Verlobten?«, fragte er, was Yuvan nicht gerade zu gefallen schien.

Beide starrten sich an wie wilde Raubtiere und Rhana fühlte sich zunehmend unwohler.

Kannten sich die beiden überhaupt?

Yuvan stieß die Luft aus. »Sei nicht albern«, winkte er ab, als würde er Lewins Worte nicht für wahr erachten. »Als wäre jemand wie du mit einer Frau wie Rhana verlobt.«

Rhana wusste nicht, ob sie sich davon angegriffen fühlen sollte, oder nicht. Sie verstand nicht, wie Yuvan das meinte.

»Lewin, bitte«, bat Rhana leise, die keine Lust darauf hatte, dass die beiden sich an die Gurgel sprangen.

Allerdings hörte Lewin nicht auf sie, nahm seinen Arm von ihr und schlug die Hände auf den Tisch. »Was fällt dir ein?«

Rhana stieß die Luft aus und aß schnell ihre letzten Reste Gulasch, bevor sie sich erhob.

Als sie sich jedoch umdrehte, um zu gehe, stand da plötzlich Idris vor ihr. Mit der Hand um den Nacken von Kaza, die ruhig in seiner Hand hing wie eine Katze. »Du solltest dich lieber um deinen Drachen kümmern. Sie hat Hunger«, bemerkte er nüchtern.

Rhana blickte zu Lewin, der jedoch immer noch mit Yuvan beschäftigt war. Dann sah sie wieder zu Kaza. War es gut, dass er sie so hielt? »Danke«, murmelte sie und nahm Kaza entgegen.

Idris wandte sich fast sofort wieder ab und schritt zu seinem Tisch zurück, als hätte er alles getan, weshalb er aufgestanden war.

Rhana sah ihm hinterher und streichelte Kaza beruhigend. Wieso hatte er das getan?

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