Kapitel 14

Der Flug war so lang, dass es Rhana tatsächlich gelang, sich wieder zu beruhigen. Obwohl sie es noch immer nicht genoss, konnte sie sich zumindest dazu durchdringen, sich langsam aufzusetzen und über den Rand des Korbes zu linsen.

Rhana wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch enttäuscht stellte sie fest, dass alles um sie herum dunkel war.

»Es sollte bald hell werden«, bemerkte Lewin, der recht ruhig am Rand lehnte. Fast so, als kannte er gar nichts anderes.

Seine ruhe beruhigte Rhana tatsächlich etwas. Es gab ihr das Gefühl, dass alles in Ordnung war und nichts passieren konnte. Rhana fragte sich oft, wie er das machte. Manchmal hatte sie das Gefühl, nichts konnte ihn aus der Ruhe bringen. Es sei denn er wurde wütend.

Wenn er jedoch keine seiner Wutausbrüche hatte, konnte er ganz umgänglich sein. Rhana empfang seine Gegenwart im Moment sogar als recht angenehm. Es war auf alle Fälle besser, als allein zu sein.

»Sieh mal«, bemerkte er und deutete hinaus in die Dunkelheit, die plötzlich nicht mehr ganz so dunkel war.

Rhana sah in ie Richtung und schnappte nach Luft. Sie erkannte die ersten, sanften Strahlen der Sonne und konnte dann sehen, wie sie langsam die Welt erhellte.

Begeistert von dem Anblick stand sie völlig auf und betrachtete die Umgebung unter sich. Sie flogen so hoch, dass es ihr noch gelang die Umgebung wahrzunehmen, doch sie war sich nicht sicher, ob die schwarzen Punkte unter ihnen Menschen waren oder nur Felsen.

Die Wüste ließen sie gerade hinter sich und Rhana erkannte noch ein paar der typischen Palmen ihrer Heimat, als sich die Vegetation änderte.

»Wir sollten in der Nähe von Naytan sein«, erklärte Lewin, der sich auf dem Rand des Korbes abgestützt hatte und entspannt das Spektakel beobachtete.

»Was sind das für Pflanzen?«, fragte sie, denn viele davon hatte sie noch nie gesehen und von oben konnte sie diese auch nicht den Bildern aus den Büchern zuordnen.

»Schwer zu sagen«, erwiderte Lewin, dem es scheinbar genauso ging. Was nicht verwunderlich war, immerhin waren beide das erste Mal so hoch in der Luft und diese Art des Ausblicks war völlig anders.

Unter ihnen zogen Flüsse, Wiesen und Felder hinweg, deren Anblick Rhana so sehr faszinierten, dass sie kaum wahrnahm, wie lange sie mittlerweile eigentlich flogen. Erst, als die Bergkette, welche die Nord- und Südlande voneinander trennte, in ihr Sichtfeld kam, wurde ihr klar, dass es bald schon wieder Nacht werden würde.

»Denkst du, wir sind bald da?«, fragte Rhana, die zwar Hunger hatte, sich aber nicht traute, etwas zu essen. Noch immer war ihr Magen ein wenig unruhig.

»Da wir schon am Gebirge sind, denke ich schon«, erwiderte Lewin, der jedoch unsicher klang. Rhana verstand auch warum. Immerhin war er noch nie hier gewesen und wusste vermutlich nicht einmal, wo sich die Schule überhaupt befand.

»Was ist das denn?«, fragte Lewin, der mittlerweile Richtung Gebirge blickte.

Rhana kniff die Augen zusammen. Mittlerweile war es zwar hell, doch das, was Lewin sah, war weiter entfernt und daher unklar. Allerdings erkannte sie bald schon eine riesige Gestalt, die sich ihnen in der Luft näherte.

Es war unschwer zu erkennen, dass es sich um einen anderen Drachen handelte. Ein wunderschöner, blauer Drache, der im Licht der Sonne leuchtete.

Rhana versteifte sich bei dem Anblick etwas. Er kam aus dem Gebirge, weshalb sie davon ausging, dass es sich um einen freundlich gesinnten Drachen handelte. Dennoch war es seltsam, einen von ihnen zu begegnen. Vor allem, da er eine gewisse Macht ausstrahlte, die Rhana bei Skargo nicht ausmachen konnte. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein.

Dann kam der Drache ihnen Sonate dass Rhana erkennen konnte, dass jemand auf seinem Rücken saß.

Ein eleganter, braunhaairger Mann, der wirkte, als wäre Drschenfliegen sein zweites Element.

Er hielt sich nicht einmal wirklich fest und winkte ihnen zu, als glaubte er, dass er gar nicht fallen konnte.

Rhana war fasziniert. War es anders direkt auf einen Drachen zu fliegen? Könnte ihr das vielleicht such gefallen?

Der blaue Drache machte kurz vor ihnen eine Drehung und zeigte ihnen dann den Weg zwischen die Klippen der Gebirge.

Rhana spürte in ihrem Bauch, dass sie langsam immer tiefer flogen, doch die Umgebung faszinierte sie so sehr, dass sie ihren Blick einfach nicht abwenden konnte. Trotzdem spürte sie die Übelkeit in sich aufsteigen, die es ihr nicht leicht machte.

Vorbei an scharfen Klippen und weiten Hängen kamen sie schließlich zu einem Teil, der aussah als hätte jemand mit einem riesigen Schwert einfach eine der Spitzen geköpft.

Der Platz war so groß, dass sicherlich mehrere Drachen darauf Platz hatten. Diesen steuerten sie an.

Zuerst landete der blaue Drache und sein Reiter rutsche sanft hinab. Als Skargo den Korb abstellte, hob der blaue Drache erneut ab und verschwand überraschend schnell zischen den Klippen nach unten.

»Willkommen auf der Drachenakademie«, grüßte der Mann, der Rhana sogar eine Hand reichte, um ihr hinauszuhelfen. Was Lewin mit einem unwilligen Blick bedachte. Er war davon definitiv nicht erfreut. »Ich bin Lir. Der stellvertretende Direktor und euer Lehrer für Flugstunden«, stellte er sich mit einem charmanten Lächeln vor, das Rhana ebenfalls ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel entlockte, auch wenn ihre Beine heftig zitterten und sie unglaublich erleichtert war, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

»Rhana«, erwiderte sie kurz angebunden, weil sie ihrer Stimme nicht ganz traute.

Auch Lewin stellte sich vor, Rhana hörte aber, dass er fast seinen Nachnamen preisgegeben hätte, obwohl Königin Suna deutlich gemacht hatte, dass sie das nicht sollten.

Lir ließ das lediglich belustigt lächeln.

»Bitte folgt mir«, wies Lira n, was Lewin nachdenklich zu Skargo blicken ließ. »Das schließt eure Drachen ein«, fügte ihr Lehrer hinzu, was den großen Drachen dazu veranlasste, von dem Gestell zu springen.

Seine Klauen klapperten auf dem Gestein, was Rhana eine Gänsehaut bescherte. Es war viel lauter als das von Kaza. Was bei diesem Größenunterschied jedoch nicht verwunderlich war.

Rhana wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte. Alles war so ganz anders als in der Wüste. Allein der ständige, recht kühle Wind, der durch die Berge rauschte und dabei seltsame Geräusche machte, verlangte ihr einiges ab.

Dann waren da die riesigen Berge, die sie umgaben.

An den Berghängen wuchsen ein paar Pflanzen, doch das eigentlich Interessante waren riesige Höhlen, in die Lir sie nun führte.

»Das hier ist der Schulkomplex«, erklärte er, als wäre das selbstverständlich. »Es gibt größere Höhlen und Tunnel. Einige der kleineren Höhlen sind als Zimmer eingerichtet.«

Rhana hörte ihm zwar zu, doch so richtig verstehen, was der Lehrer damit meinte, konnte sie nicht.

Sie kannte Höhlen, doch so riesige hatte sie noch nie gesehen. Außerdem waren selbst die Tunnel sehr groß. An den Wänden waren in regelmäßigen Abständen kleine Gegenstände eingearbeitet, die Licht abgaben.

Plötzlich blieb Lir stehen und wandte sich an Lewin. »Skargo hat bereits eine Höhle. Du kannst ihm also folgen, um in dein Zimmer zu gelangen«, erklärte er, was Lewin allerdings nicht sonderlich beeindruckte.

Stattdessen stellte er sich neben Rhana. »Mir ist es wichtiger, Rhana zuerst in ihr Zimmer zu begleiten«, erwiderte er, was Lir seine Augenbraue ein Stück heben ließ.

»Die Direktorin will sie sehen. Da sie mit einem Baby anreist, müssen wir zuerst eine passende Bleibe für sie finden.« Rhana konnte Lir anhören, dass er nicht begeistert von Lewins Worten war, doch er schien ihm noch die Möglichkeit zu geben, den Wink zu verstehen.

Allerdings war Lewin nicht gerade gut darin, das wusste Rhana. Immerhin verstand er ihre Winks auch nur selten. Oder eher: Er wollte sie nicht verstehen. Immerhin war er es gewohnt, Dinge zu bekommen, die er wollte.

Rhana wandte sich an ihn und schenkte ihm ein Lächeln. »Ich komm schon klar. Mach bitte deshalb kein Aufheben«, bat sie, um ihm noch einmal zu verdeutlichen, dass es nicht gut enden würde, wenn er sich gleich mit einem Lehrer anlegte.

Lewin presste die Lippen zusammen und für einen Moment glaubte sie, dass er widersprechen wollte, doch zum Glück wandte er sich Skargo zu. »Gut, dann werde ich mich jetzt nach meinem Zimmer umsehen«, erwiderte er nicht begeistert.

Erst, als Rhana sah, wie sich Lewin wirklich mit Skargo davonmachte, seufzte sie leise. Sollte sie sich bei Lir entschuldigen oder einfach schweigen? Hoffentlich fiel Lewins überhebliches Verhalten nicht auf sie zurück.

»Folg mir bitte«, sagte Lir, der sich wieder in Bewegung setzte.

Rhana wandte sich sofort zu ihm und lief ihm schnellen Schrittes hinterher. Sie fragte nicht, woher er wusste, dass sie ein Drachenbaby bei sich hatte. Vermutlich hatte Königin Suna ihn informiert. »Darf ich Kaza rauslassen?«, fragte sie, als die Drachin ihren Kopf versuchte aus der Tasche zu schieben. Allerdings wusste Rhana nicht, ob es gut war, sie frei herumrennen zu lassen. Was wenn sie sich verletzte?

»Ja, aber pass gut auf sie auf. Manche Tunnel haben Fenster direkt nach draußen in den Abgrund.«

Rhana schluckte. Das klang gar nicht gut und vor allem gefährlich. Fenster in den Abgrund? An einer Schule?

Obwohl Rhana langsam die Tasche öffnete, fühlte sie sich doch nicht so ganz wohl, als Kaza hinaussprang und begann, alles abzuschnuppern.

Sie entfernte sich jedoch nie so weit, dass Rhana sie aus den Augen verlieren würde. Darum beruhigte sie sich langsam wieder, beobachtete Kaza jedoch den ganzen Weg durch die Tunnel hinweg.

Manchmal bemerkte sie kaum, dass es sich um Stein handelte, durch den sie schritt. Es gab Teppiche an den Wänden und auf dem Boden. Manchmal sogar Bilder, welche die Wände schmückten.

Die meisten waren Drachen, doch ab und an kamen Personen unter den Portraits vor.

Rhana war jedoch von ihrer Aufmerksamkeit zwischen dern Umgebung und Kaza so hin und her gerissen, dass sie sich kaum auf die Bilder konzentrieren konnte.

Als sie einen schmaleren Gang erreichten, hob Rhana den kleinen Drachen hoch, denn links und rechts von ihnen waren große Löcher in den Stein gehauen. Es gab zwar eine kleine Mauer und alles in allem wirkte es sicher, doch Rhana traute Kaza zu, so hoch zu springen, wenn sie etwas Interessantes entdeckte.

Fasziniert von dem Anblick trat Rhana näher an die Brüstung heran und bereute es sogleich wieder. Sie konnte direkt auf einen Abgrund blicken, der so tief ging, dass sie den Boden nicht erkennen konnte.

Ihr Atem wurde schneller und ihre Beine begannen zu zittern. Das Gefühl zu fallen, obwohl sie auf festen Boden stand, drohte sie zu übermannen und erst, als sie ein paar Schritte zurück machte und den Boden nicht mehr sehen konnte, beruhigte sich ihr Puls langsam wieder.

Lir stand nur wenige Schritte entfernt und beobachtete sie genau. »Das passiert vielen, wenn sie das erste Mal über diese Brücke gehen«, beschwichtigte er sie, doch für Rhana machte es die Sache nicht leichter. Zu wissen, dass es sich um eine Brücke handelte und unter den Steinen nur Leere folgte, ließ ihren Puls wieder anschwillen.

Obwohl sie nicht mehr über den Rand blickte, hatte sie das Gefühl, ihre Sicht würde verschwimmen. Ihre Beine zitterten erneut, während sie langsam versuchte, Lir zu folgen. Es war nicht so einfach und Kaza, die ständig versuchte, aus ihren Armen zu entwischen, um sich weiter umzusehen, machte es nicht einfacher.

Rhana fragte sich das erste Mal, ob sie es hier überhaupt aushalten würde. Wenn sie diese Höhenangst nicht überwand, vermutlich nicht.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Drachenreiterin. Dabei liebte sie das Klettern, doch das hier war so ganz anders als bisher.

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