Kapitel 12
Lewin schulterte den kleinen Rucksack und blickte auf die felsigen Wände der riesigen Klippen, die wie gigantische Monster in den Himmel aufragten.
Je näher Lewin diesen kam, desto kleiner und unbedeutender fühlte er sich. Es fühlte sich seltsam an durch die schmalen Wege zwischen den großen Felsen zu gehen. Links und rechts ragten die Steine hinauf in den Himmel, als hätte Gott selbst sie in die Welt gehauen.
Es war nicht so, dass Lewin an Götter glaubte, doch wenn er diese riesigen Felsformationen sah, glaubte er wirklich, dass die Göttertiere selbst bei ihrer Schaffung dabei gewesen sein musste.
Der Wind, der immer wieder zwischen den Felsen wehte, klang in Lewins Ohren immer wie ein wildes Tier, weshalb er permanent angespannt war. Diese Umgebung war ihm völlig fremd, weshalb er die Gefahren hier auch nicht einschätzen konnte.
Der Boden unter seinen Füßen war rau und uneben, während die langen Schatten, welche die meiste Umgebung einhüllte, machten es Lewin schwer, die Umgebung völlig zu erkennen.
Wenn er an sein Leben in der Wüste zurückdachte, gab es auch kleinere Gebiete in denen hohe Felsmassive aus dem Sand wuchsen, doch sie waren kaum ein Vergleich. Das hier war so groß, dass Lewin es kaum fassen konnte.
Wind fegte über den schmalen Pfad, was Lewin straucheln ließ. Er zog sich den Schal weiter ins Gesicht, während er sich an einem Felsen festhielt, um nicht völlig aus dem Gleichgewicht zu geraten. Wenn er wirklich vorhatte, einen Drachen zu finden, musste er ihnen näherkommen. Was hieß, dass er vermutlich nicht darum herumkam, einen Felsen hinaufzuklettern. Die Frage war nur wie.
Wenn er davorstand und an ihnen hochblickte, erkannte er keine Vorsprünge oder andere Dinge, die ihm dabei halfen, zu klettern.
Warum war Rhana nicht mitgekommen? Sie war immerhin diejenige, die Erfahrung im Klettern hatte. Schon als Kind war sie jeden Felsen hinaufgeklettert, den sie gesehen hatte.
Lewin stieß die Luft aus. Es brachte nichts, hier zu versauern und sich darüber zu ärgern, dass er nicht wirklich klettern konnte. Es war schon besser, dass Rhana nicht hier war. Wenn er seinen Drachen gefunden hatte, würde er ihr helfen. Denn dann konnte er auf sie aufpassen. Es lag ihm fern Rhana in Gefahr zu bringen, weshalb er sie auch lieber in seiner Nähe hätte. Nur war seine Nähe gerade sehr gefährlich.
Lewin blieb vor der Wand aus Felsen stehen und blickte hinauf. Er konnte das Ende nicht sehen, denn dieses war zwischen den Wolken versteckt und die Sonne blendete immer wieder.
Frustriert streckte Lewin seine Hand nach der Spitze aus, als das Armband begann zu pulsieren.
Er wollte sie gerade zurückziehen, als er etwas kribbeln spürte. Als würde etwas über seine Hand wandern.
Als er auf diese sah, bemerkte er, wie sich das Armband bewegte. Jeder der Teile, die aussahen, als wären sie zusammengesetzt, lösten sich voneinander. Auf den ersten Blick sah es so aus, als wären es kleine Schlangen, bis sie plötzlich nach oben schossen.
Lewin keuchte und machte einen Schritt zurück. Dabei trat er ungünstig auf einen Stein und rutschte ab. Er stürzte, doch etwas hielt seinen Arm und sorgte dafür, dass er nicht fiel.
Überrascht blickte Lewin auf und rappelte sich dann auf. Das Armband sah aus, als hätte es Seile geschossen, die nun irgendwo oben an den Felsen festhingen.
Lewin zog etwas an seinem Arm, doch nichts bewegte sich. Hing er jetzt hier fest?
Erneut zog Lewin, als er einen Rück spürte.
Keuchend knallte er gegen den Felsen und wurde dann von seinem Artefakt an diesem nach oben gezogen.
Panisch versuchte er, sich nicht zu sehr zu verletzen. Es war ein sehr gruseliges Gefühl, keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben und sein Arm schmerzte nach kurzer Zeit. Es war, als hätte jemand seine Hand gegriffen und würde ihn nun einen unendlichen Weg nach oben ziehen.
Lewin traute sich nicht, nach unten zu blicken, sondern sah nur auf, um zu sehen, wann er endlich am Ziel war.
Schließlich brach er durch die Wolkendecke und mit Schwung wurde er auf in Plateau gezogen, auf dem er hart landete.
Keuchend rappelte er sich auf, um zu sehen, wo er eigentlich war und wie er hierhergekommen war.
Das Plateau der Felsklippe war vielleicht breit genug, dass er sich ausgestreckt hinlegen konnte, doch sonderlich breit war das nicht.
Lewin schluckte und krabbelte langsam zum Rand, um hinabzusehen. Sein Kopf dröhnte, während er das Gefühl hatte, kaum noch Luft zu bekommen. Als er jedoch sah, dass kein Boden zu sehen war, weil er in den Wolken war, legte er sich hin. Er fühlte sich auf einmal so erschöpft. Lag das daran, dass er das Artefakt genutzt hatte?
Lewin griff sich an den Kopf, wobei er bemerkte, dass an seiner Nase etwas Warmes lief.
Als er mit den Fingern darüberwischte und die Finger mühsam hob, entdeckte er Blut.
Er blutete aus der Nase? Hatte er sich verletzt? An sich tat ihm nur sein Kopf weh und er fühlte sich schlapp.
Als er sich etwas aufsetzte, wurde ihm schwindlig und sogar schlecht, weshalb er sich wieder zurücklegte.
Er schloss die Augen und spürte, wie sein Körper aufgab. Es war definitiv zu viel gewesen, obwohl er nicht einmal selbst geklettert war.
Der Nebel des Schlafes um Lewin löste sich langsam auf, als er spürte, wie sich an seinem Arm ein Schmerz breit machte, der sich anfühlte, als würde ihn jemand schlagen.
Irritiert blinzelte er und blickte direkt in den blauen Himmel.
Wo war er hier? Was war überhaupt passiert?
Lewin stöhnte leise und drehte ein Stück den Kopf. In die Richtung der Schmerzen. Eine echsenartige Schnauze mit bronzefarbenen Schuppen stupste seinen Arm an. Die Schnauze war jedoch größer als ein Oberkörper, was Lewin dazu brachte, sich zu versteifen. Vor allem, als er sah, wie kleine Flammen über das Wesen huschten.
Lewins Augen weiteten sich, als er die Statur des riesigen Drachen erkannte.
Der Körper wirkte auf den ersten Blick, als wäre er aus den Felsen gehauen, doch immer wieder wurde er durch blauen Schimmer durchzogen und manchmal huschte Feuer über die teilweise rötlichen Schuppen.
Lewin hielt die Luft an und suchte den Blick, was ihn jedoch erschaudern ließen. Die Augen des Drachen glühten wie Feuer.
Skargo.
Lewin wusste nicht wieso, doch dieser Name kam ihn in den Sinn.
»Bist du ...«, setzte Lewin an, doch seine Stimme war so rau, dass sie brach und er sich räuspern musste. Noch immer dröhnte sein Kopf und er fühlte sich schlapp. Gleichzeitig gab ihm die Faszination so viel Kraft, dass er sich vorsichtig aufsetzte.
Der Drache zog seine Schnauze zurück und erst jetzt bemerkte Lewin, dass sich die riesigen Klauen in den wenigen Fels gegraben hatten, damit er sich bei ihm halten konnte.
Ein tiefes Grollen erklang und aus dem Maul des Tieres kam bedrohlich wirkender Rauch.
Für einen Moment glaubte Lewin, dass der Drache ihn mit Feuer angreifen würde, doch so richtig wollte sich keine Angst bei ihm breit machen. Da war eher eine Art von Erkennen. »Bist du, mein Drache, Skargo?«, fragte er leise, da er seiner Stimme noch immer nicht richtig traute.
Erneut erklang ein tiefes Grollen, doch dieses Mal erinnerte es Lewin eher an ein seltsames Schnurren. Es klang angenehm, weshalb er die Hand hob, um den Drachen zu berühren.
Dieser senkte den Kopf und drückte seine Schnauze vorsichtig an seine Hand.
Sie war weich und erinnerte Lewin an die Nüstern eines Pferdes. Gleichzeitig war der Drache aber viel wärmer, fast schon heiß.
Erleichterung machte sich in Lewin breit. Er hatte es tatsächlich geschafft und seinen Drachen gefunden. Nun konnte er sich darüber Gedanken machen, wie er wieder von diesem Felsen kam.
Lewin hoffte wirklich, dass er nicht einfach nur träumte.
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