6. Miss Akello

Es wäre einfacher um die Mittagszeit. Das redete er sich zumindest ein. Die Zentrale von Spring Rabbit war schnell gefunden und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.

Rund um das alte Gebäude standen gefühlt hunderte Fahrräder und viele junge Menschen. Drinnen herrschte geschäftiges Treiben. Pakete wurden abgegeben und übernommen.

An den Wänden standen Spinde für die Mitarbeiter und ein Tischfußballtisch sowie ein Airhockeytisch wurden von unzähligen Leuten umkämpft. Die Lautstärke hielt sich dennoch in Grenzen. Die Belegschaft schien auffällig jung zu sein, nur eine einzige Person würde er als älter bezeichnen.

Ein Mann in seinen Fünfzigern, der hinter einem Tresen, Akten und Papiere sowie einen neumodischen Computer beherbergte, hielt ein Paket in die Luft und rief eine Adresse. Sofort sprang einer der jungen Menschen auf und lief auf ihn zu. Musste wohl der Chef hier sein. Vorsichtig trat er näher. Der ältere Mann beäugte ihn skeptisch.

"Lass mich raten, du suchst einen Job." "Äh, nein, nicht unbedingt." "Was willst du dann hier? Das ist keine Bar und auch keine Spielhalle, auch wenn sie so aussieht.", grummelte er griesgrämig, die Monobraue tief in die eisblauen Augen gezogen.

"Jo, Albert, hast du was Dringendes für den dritten Bezirk?", ein junger Mann drängte sich an Jay vorbei und hielt auffordernd die Hände hoch. Der Besitzer, Albert, drehte sich nur kurz um und reichte ihm das gerade eingelangte Paket.

"Aber vorsichtig sein. Ich will keine Beschwerden bekommen." "Ganz sicher nicht." "Und richte deiner Freundin schöne Grüße aus." Der junge Mann grinste breit und verschwand durch die Tür. "Lebt seine Freundin im dritten?"

"Das geht dich gar nichts an.", erwiderte Albert und verschränkte die Arme, "also was willst du hier. Machs schnell. Ich hab viel zu tun." "Offensichtlich. Also ich suche eine junge Frau Oona Akello. Arbeitet sie zufällig hier."

"Wer will das wissen." "Das nehme ich als ja. Mein Name ist Jay. Ich bin ein Freund von ihr." "Dann würdest du wissen, dass sie hier arbeitet. Und das schon seit einer Weile. Was willst du von ihr?" Jay verzog das Gesicht. Die Wahrheit war gefährlich und Albert zu vertrauen war ein zu großes Risiko. Aber Lügen würde zweifellos in die Hose gehen. Jay seufzte und machte den Mund auf.

Just in diesem Moment hörte er jemanden Oona schreien. Nicht nur irgendjemanden. Eine Gruppe an Menschen rund um den Airhockeytisch riefen ihren Namen. Dem Jubel nachzuschließen, hatte sie gerade gewonnen.

Jay lächelte Albert noch verlegen zu und verzog sich Richtung Airhockeytisch. Durch die Masse an Menschen beobachtete er das Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie grinste stolz und klimperte mit den langen Wimpern. Auf ihrer dunkelbraunen Haut glänzte ein leichter Schweißfilm. Die blaue Latzhose, die sie trug, betonte ihre auffälligen Kurven.

"Endlich! Endlich hab ich dich geschlagen!", tönte sie laut und zeigte dabei auf eine zierliche Blondine mit Pixiehaarschnitt. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, aber Oona zog ihn vollkommen in den Bann. Ihre Gestik wirkte sorgenfrei und lebendig, das breite Grinsen hypnotisierend.

Lachend ließ sie sich von den andern bejubeln und umarmte ihre Gegnerin schließlich freundlich. Diese ließ es steif über sich ergehen.

"Nicht böse sein Mina. Du bleibst die zweitbeste bei Spring Rabbit." "Ich werde üben, Oonalein, und dann mach ich dich fertig."

"Bitte, probier es ruhig." Die Szene hätte für viele feindselig gewirkt, aber Jay sah die Zuneigung in ihren Augen. Albert begann Zahlen zu schreien und mit einem Mal stob die Gruppe auseinander. Wie eine gute geölte Maschine schnappte sich jeder ein Paket und seinen Fahrradhelm, danach ging es hinaus. Oona holte sich ebenfalls ein Paket, aber rannte noch mal zu ihrem Spind. Das war die Gelegenheit.

"Oona?", zaghaft trat er auf sie zu. Sein Ziel war es so harmlos wie möglich zu wirken. Die junge Frau drehte sich zu ihm, ihre wilden Locken wippten um das ebenmäßige Gesicht. Sie hatte wunderschöne, dunkle Augen und große Lippen, die ein verspieltes Lächeln zeigten.

"Ja, kenne ich dich?" "Nein,..ähm,...ich bin Jay." "Hi Jay. Ich würde ja noch gerne tratschen, aber ich hab einen Auftrag und Albert mag es gar nicht, wenn wir zu lange brauchen." Albert räusperte sich hinter seinem Tresen und zeigte auf die Uhr.

"Das kann ich mir vorstellen. Aber vielleicht können wir später-" "-belästigt dich dieser Kerl, Oona?" Die junge Frau mit dem Pixiehaarschnitt trat neben sie. Ihre stechend blauen Augen wanderten über ihn und irgendwie hatte er das Gefühl inspiziert zu werden. Oona schüttelte den Kopf.

"Nein, er wollte nur reden. Schüchterner Kerl.", erwiderte sie leise und lächelte ihn dann wieder an, "ich hab um drei aus. Wenn du Lust hast, können wir uns hier treffen und einen Kaffee trinken gehen."

Ein Date. Oona glaubte, er wollte mit ihr auf ein Date gehen. Naja, unter normalen Umständen hätte er das auch auf jeden Fall getan. Ihre Art hatte etwas Einnehmendes.

"Ja, das klingt super.", vielleicht war dies die beste Möglichkeit ihr von der Gefahr, in der sie sich befand zu erzählen. Ihre Freundin starrte ihn misstrauisch an.

"Kenne ich dich nicht von irgendwo her?" "Glaub ich nicht." Jay lächelte Oona noch einmal an und verabschiedete sich. Mina wurde ihm zu unangenehm.

"Ich hab um dieselbe Uhrzeit aus und bleib in deiner Nähe, okay? Du kennst ihn nicht und wer weiß." "Das ist nicht nötig, Mina. Ich glaub, er ist nett."

"Nett?", hörte er Mina beim Hinausgehen grunzen. Er mochte diese Frau nicht. Kaum trat er aus dem Gebäude, atmete er tief aus und holte sein Handy aus der Jackentasche. Beim Checken seiner Nachrichten ließ er den Blick schweifen und bemerkte mehrere Männer, die dasselbe taten wie er. Gänsehaut breitete sich auf seinem Nacken aus. Oona und Mina kamen aus dem Gebäude und sahen ihn verwirrt an.

"Hast du nichts zu tun, Junge?", giftete Mina und zog Oona weiter. "Ich hab nur-" "bis später, Jay. Ich freu mich.", unterbrach Oona gut gelaunt und schnappte sich ihr Fahrrad. Die Frauen waren schnell davon und die Beobachter ihnen hinterher. Aber nicht alle. Einige blieben zurück. Vielleicht wussten sie noch nicht zu hundert Prozent, wer der Saki war.

Er hatte nun etwas Zeit zu vertrödeln. Am besten sah er bei Amir vorbei. Sein Freund hatte ihm bereits mehrmals wegen dem Uniprojekt geschrieben. Die anderen Studenten dürften mit einigem Eifer an der Sache dran sein und sie konnten es sich nicht leisten hinterher zu fallen. Er fuhr schweren Herzens zu Amirs WG und läutete.

Der junge Mann wohnte in einem dieser richtig alten Gebäude in Wien. Furchtbar für eine Familie, aber als WG einfach genial. Seine Wohngenossen und er hatten die verwinkelte Wohnung renoviert und aufgewertet. Nur die Tatsache, dass sie im vierten Stock wohnten und es keinen Aufzug gab, würde ihn stören.

Die Wocheneinkäufe hinaufzuschleppen musste eine Tortur sein. Oben angekommen, öffnete Amir die reich verzierte Holztür. "Hey. Die anderen sind in der Küche." Das Herzstück der WG und ein gemütliches Fleckchen, um viele Nachmittage zu vertrödeln. Auf einem breiten, roten Sofa saßen Leo und Markus, eng aneinander gekuschelt.

Amelia schnitt Gemüse für eine Pizza und warf dabei immer wieder einen Blick auf den Laptop neben ihr. "Warum? Warum tust du das?", murmelte sie vor sich hin. Eine Angewohnheit die Jay immer geliebt hatte. Ihr violettes Rüschenkleid knallte mit den Rottönen der Küche. Zum Sofa kam noch ein orangener Teppich und gelbe Schränke.

"Leute, schaut mal wen ich gefunden hab.", verkündete Amir laut und zeigte auf Jay. Die Truppe registrierte seine Ankunft nur durch gleichmäßige Grunzlaute. Wenig überrascht setzte Jay sich an den alten Holztisch, den Amir von seiner Oma geschenkt bekommen hatte und packte seinen Laptop aus. Leo stand auf und drehte seinen eigenen Laptop so, dass Jay die Mail lesen konnte, die darauf geöffnet war.

Es war eine persönliche Mail an ihr Team von Professor Morosan. Er wunderte sich über den schleppenden Fortschritt, trotz des guten Rufs, den seine Freunde und er besaßen. Amelia bemerkte seine zusammengebissenen Lippen.

"Klingt nicht gut, oder?" "Es sind kaum ein paar Tage vergangen, was will er? Ein Wunder?"

"Mehr Ambition und Imitative.", warf Amir ein und kratze sich am Bart. Markus schüttelte nur den Kopf. "Als hättet ihr nichts anderes zu tun als dieses Projekt."

"Also eigentlich stimmt das. Mit dem Deal könnten wir die anderen Kurs einfach ignorieren." "Trotzdem, ihr habt auch ein privates Leben. Er sollte nicht so viel verlangen.", Leos Freund verschränkte wütend die Arme. Das Problem war, dass er viel verlangen durfte. Morosan war Teil der Regierung.

"Woran arbeitest du gerade?", fragte er Amelia, um das Thema zu wechseln. Die Blondine seufzte theatralisch und zeigte auf den Laptop neben sich. Jay stand auf und sah sich die Herausforderung an.

Währenddessen schnitt Amelia weiter ihr Gemüse und Amir knetete Teig. Wie immer bei solchen Arbeitstreffen gab es Amirs berühmte Pizza. Es war Tradition. Leo programmierte weiter, stück für stück, besah sich die Teile, die Jay ihm bereits geschickt hatte und brachte sie in Einklang mit dem Rest. Seine Auffassungsgabe war fast schon gruselig.

Markus ließ sich nicht stören. Er arbeitete im Social Media Bereich und studierte dasselbe an der Uni Wien. Seine Arbeit war sein Handy. Durch die Küche strömte leise die Jazzmusik, die Amir zum Arbeiten besonders mochte.

"Aha!", rief Jay aus, er hatte das Problem gefunden, "schau, wenn du das hier änderst." "Ah, ich sehs. Okay. Schicks Leo. Das können wir so verwenden. Amir, lass Jay den Teig ausrollen. Schau dir das mit Leo an.", den Befehlen Amelias wurde immer folge geleistet. Sie war in vielen Punkten ihre Managerin. Und während seine Freunde über den Geräten hockten, rollte er den Pizzateig aus.

Sein Magen grummelte bereits, aber die Sorgen um Oona und dieses Projekt machten ihn unruhig. Bald müsste er zu seinem Date und das Leben einer Person zerstören. Sie würde nie wieder so sorglos Airhockey spielen und höchst wahrscheinlich ihr gesamtes Leben verlieren.

"Woran denkst du?", Amelia legte den Belag der Pizza auf den Teig, sie sah die Unruhe in ihm. Jay schüttelte den Kopf. Wie sollte er es erklären? "Ich muss etwas tun. Ich muss einem Menschen sehr schlechte Nachrichten überbringen und ich weiß nicht, wie ich das tun soll."

"Schnell." "Schnell? Das ist dein Rat? Sonst nichts?" Amelia zog die Augenbrauen zusammen.

"Mehr solltest du nicht brauchen. Tu es schnell und direkt. Wenn die schlechten Nachrichten raus müssen, dann tu es ohne viel um den heißen Brei herumzureden."

In ihrer Mimik erkannte er Eigenerfahrung und beließ es dabei. Es gab so einiges über das Amelia nicht reden wollte und konnte. Aber ihr Rat war vielleicht gar nicht dumm. Nervös schaute er auf die Uhr. Er sollte los, zu spät kommen war eine furchtbare Angewohnheit.

"Kommt ihr klar? Ich müsste wieder-" "los. Geh schon. War klar, dass dein Besuch nicht lange wird.", scherzte Leo mit einem kleinen Stich. Amir legte den Kopf schief.

"Bist du verabredet?" "Ähm..." "Du lässt uns wegen einer Frau sitzen? Schäm dich.", lachte Amelia. "Also es ist nicht so wie...sie ist nur....ich...okay, ich geh dann mal.", keine seiner Worte würde ihn aus diesem Fettnäpfchen raushelfen.

"Wir machen noch ein bisschen weiter und dann auch Schluss.", Amir begleitete ihn zur Tür. "Und wenn ich dir irgendwie helfen kann...?" Sein Freund ließ die Worte in der Luft hängen. Amir war ein Bote in der Taube. Er bekam Nachrichten und sendete sie weiter. Er wusste nie was in den Nachrichten stand und welche Auswirkungen sie hatten.

Manchmal sah Jay Mut in seinem Blick, den Willen mehr zu tun, aber er war flüchtig und schnell durch Angst ersetzt. "Nein, alles gut. Ich mach das schon. Wir schreiben."

"Alles klar. Pass auf dich auf.", nickend lief er davon. Seine schwitzenden Hände und das Flattern in der Magengrube trieben ihn voran. Wegen den schlechten Nachrichten für Oona, natürlich. Nicht etwa, weil er sich freute sie wiederzusehen.

Nervös starrte er aufs Handy. Evelyn hatte ihm ein Bild von sich beim Fußballtraining geschickt. Wie würde er reagieren, wenn man ihm diese Geschwisterliebe wegnahm? Seine Vorfreude wurde durch ein grausiges schlechtes Gewissen gedämpft. Fünfzehn Minuten zu früh stand er bei Spring Rabbit und wartete auf sein Date.

Oona, dicht gefolgt von Mina bog rasant um die Ecke. Sie lachte dabei laut und zum ersten Mal sah Jay ein kleines Lächeln auf Minas Gesicht. Als würde die Freude Oonas eine andere Seite in ihr zum Vorschein bringen. Es war ein merkwürdiger Anblick. Als Oona ihn bemerkte blieb sie mit quietschenden Reifen stehen.

"Du bist schon da!", sie war ein wenig außer Atem. Mina, die neben ihr hielt, versteckte das Lächeln wieder hinter einer ärgerlichen Maske. "Ja, ich hab die Schnelligkeit der Öffis unterschätzt. Aber ich kann warten, wenn du noch nicht fertig bist. Mach dir wegen mir keinen Stress."

"Ach was. Mina kann meinen Schein mit hineinnehmen, oder?" Oona sah ihre Freundin hoffnungsvoll an. Deren gequältes Stöhnen wirkte fast so, als hätte Oona sie gerade für eine Blinddarmoperation angemeldet.

"Nur wenn du mir sagst, wohin ihr geht.", die Bedingung war gestellt und Oona nickte zufrieden. "Ich dachte ans OC.", sie wandte sich an ihn, "Ich kenne da ein tolles kleines Café um die Ecke. Dort gibt es wahnsinnig guten Karottenkuchen. Hast du Lust?" Was für eine Frage!

"Natürlich." Karottenkuchen war eines seiner liebsten Mehlspeisen. Oona händigte Mina ihren Lieferschein und begann ihr Fahrrad in Richtung Café zu schieben. Jay ging an ihrer Seite.

"War noch viel zu tun?" Oona schüttelte den Kopf. "Es ist kaum der Rede wert. Das Wetter ist gut und ich mag das Fahrradfahren. Mina und ich haben auf dem Weg zurück einen süßen Second-hand Laden gefunden. Da wollen wir am Samstag vielleicht hin."

Das Wetter war vergleichsweise wirklich gut. Kein Regen, hin und wieder ließ sich sogar die Sonne zwischen den Wolken blicken. "Die Arbeit an der frischen Luft kann sicher nett sein."

Oona warf ihm einen neugierigen Blick zu. "Heißt du arbeitest eher indoor? Oh nein, bist du etwa einer dieser Bürohengste?" Jay lachte laut und schüttelte den Kopf.

"Vielleicht könnte man mich so nennen. Stubenhocker oder Vampire passen auch noch." Sie kamen dem Café näher. Ein kleines, recht eigentümliches Geschäft mit bunten Farben. Der Name war "Otis und Clara". Jay besah sich die Speisekarte auf der Tafel vor der Eingangstür. Interessante neuartige Snacks und viele Getränke mit Matcha.

"Hört sich gut an, oder? In der Gegend nennt man es nur das OC. Komm wir gehen rein." Kaum waren sie drinnen, wurde Oona von einer Kellnerin herzlich umarmt und zu einem Tisch in der hintersten Ecke gebracht. Mit gemütlichen Sesseln und verspielter, fantasydekoration konnte man hier sicher Stunden verbringen. Sie nahmen Platz und bestellten den Karottenkuchen und Kaffee. "Ich liebe es herzukommen."

"Kann ich nachvollziehen. Ist wirklich gemütlich." Oona schenkte ihm ein erfreutes Lächeln. "Mina und ich sind hier beinahe Stammkunden." "Ist deine Freundin immer so beschützend?"

Oona lachte. "Ja, leider schon." "Ist das nicht anstrengend auf Dauer.", zumindest stellte er es sich anstrengend vor. Die junge Frau neben ihm wackelte mit dem Kopf von der einen Seite zur anderen.

"Manchmal ist es nervig, aber sie ist eine gute Freundin. Die Zeiten sind nicht einfach und es ist gut jemanden zu haben, der dir den Rücken freihält und glaub mir, Mina ist tough." Das glaubte er sofort. "Aber Mina interessiert mich momentan nicht. Ich will mehr über dich wissen. Also Jay. Was tust du so?"

"Äh..", was hatte Amelia gesagt? Schnell und direkt. Ob er das wirklich tun sollte. Er könnte Oona alles erklären, ihr Leben mit seinen Worten in tausend kleine Fetzen reißen oder...ihre warmen, dunklen Augen sahen ihn verheißungsvoll an. Die Lippen leicht gespitzt, glitzerte der blaue Liedschatten. Sie war wunderschön.

Ach, nur ein wenig Spaß haben, was sollte schon groß passieren. "Ich studiere Informatik an der Uni Wien und nebenbei helfe ich im Blumenladen meiner Familie aus."

"Deine Familie hat einen Blumenladen? Das ist ja schön. Ich liebe Blumen, auch wenn die Pollenallergie nicht immer einfach ist."

"Kann ich verstehen. Wie bist du zu dem Job bei Spring Rabbit gekommen? Machst du noch was anderes?" Oona legte den Kopf schief.

"Weil die Arbeit bei einem Lieferdienst nicht gut genug ist?" "Das ist nicht das-" "schon gut." "Nein, ", Jay beugte sich vor, "so hab ich das nicht gemeint. Ich weiß nur, dass diese Jobs meistens von Studenten gemacht werden. Deshalb hab ich so dumm gefragt. Entschuldige, wenn ich deine Gefühle verletzt habe."

Sein Gegenüber nickte. "Ich verstehe deinen Gedankengang, aber nein. Ich mache nichts anderes. Vor einem Jahr noch hätte die Antwort anderes gelautet. Ich wollte Lehrerin werden. Aber die Uni...da war zu viel Druck."

Ein Trauma spiegelte sich in ihrer Mimik wider. Die Fehlerkultur in ihrer Gesellschaft war keine gute. Weder wurden sie akzeptiert, noch wurde die Gelegenheit geboten aus ihnen zu lernen. Viel zu schnell hatte man einen Stempel auf der Stirn.

"Das tut mir leid. Wirklich." "Ach das ist lange her und ich bin glücklich als Lieferantin. Zumindest zurzeit. Wer weiß was die Zukunft bringt." "Karottenkuchen und zwei Kaffee.", verkündete die Kellnerin und stellte sie vor ihnen ab. Der Kuchen sah fantastisch aus. Jay lief das Wasser im Mund zusammen. Oona aß ein Stück und stöhnte selig.

"Er ist jedes Mal ein Hammer. Aber Jay, eine Frage geistert mir noch im Kopf herum." "Nur eine? Ich hab etwa hundert an dich." Sie lachte und legte die Gabel weg.

"Woher wusstest du meinen Namen?" Jay fühlte sich ertappt und spürte, wie seine Wangen rot wurden. "Ähm, ich hab ihn bei den anderen gehört. Als sie dich angefeuert haben.", das war technisch gesehen keine Lüge. Aber auch nicht wirklich die Wahrheit.

Die Tür des Cafés ging auf und Mina trat ein. Zielstrebig kam sie auf sie zu. Jay atmete erleichtert aus, die Aufmerksamkeit wanderte zu dem Eindringling. Mina stellte sich breitbeinig vor sie hin. Die enge Lederhose betonte stahlharte Oberschenkel, das bauchfreie Top ein beeindruckendes Sixpack.

"Alles okay?"

"Ja, Mina, alles gut. Setz dich doch an einen anderen Tisch." Die Blondine warf ihm einen misstrauischen Blick zu und seufzte angesäuert. Wie ein böser Geist setzte sie sich an die Bar und bestellte einen Milkshake. Ihre Anwesenheit machte ihn nervös.

"Kennt ihr euch schon lange?" Oona schüttelte den Kopf und nickte dann. "Etwa ein Jahr. Sie arbeitet schon lange bei Spring Rabbit, ich glaub seit der Gründung vor drei Jahren. Als ich anfing hat sie mir alles beigebracht. Danach haben wir uns über das Kochen angefreundet. Sie versteht echt was vom Backen, obwohl sie es nicht gerne macht."

"Du kochst gerne?", lenkte er das Gespräch auf Oona. Er wollte mehr über sie wissen. Errötend nickte die junge Frau. "Ich liebe kochen. Die unterschiedlichen Gewürze und Geschmäcker. Kochst du auch?"

"Nur wenn ich muss. Nein, ich könnte mich stundenlang in meinen Technikprojekten vergraben, aber die Küche bleibt mir ein Mysterium. Das heißt nicht, dass ich es nicht gerne lernen würde. Also vielleicht könnten wir mal gemeinsam was kochen."

"Gerne. Ich-"

"Es wird spät.", unterbrach Mina, "wir sollten langsam heim." Ihr Blick fiel durch die hohen Fenster des Cafés nach draußen. Jay erkannte die Beobachter. Jeder Idiot würde sie als das erkennen, was sie waren. So wohl auch Mina.

"Wir? Wohnt ihr zusammen?", es würde die intensive Frauenfreundschaft erklären. "Nein, wir wohnen im selben Haus.", hauchte Mina, ihre Anspannung machte ihn nervös. "Meine Mutter und ich brauchten eine Wohnung und zufällig war die neben Mina gerade frei geworden."

"Was für ein Zufall. Da hast du Glück gehabt." "Das war kein Glück.", meinte Oona lächelnd, "Mina hat mit dem Vermieter gesprochen und uns beim Einzug geholfen. Sie war echt eine Lebensretterin."

"Das war nichts. Oona, ich finde, wir sollten jetzt wirklich gehen.", mit zusammengebissenen Zähnen verschränkte Mina die Arme. "Was ist nur los mit dir? Ich unterhalte mich gerade und es gibt keinen Grund zu gehen." Im Zwiespalt sah Oona zwischen ihnen hin und her.

Es war ziemlich offensichtlich, dass Mina ihre Verfolger gesehen und nun entsprechend handeln wollte, doch Oona schien nichts davon zu realisieren. Sie sollten keine Szene machen und auch auf keinen Fall die Beobachter von ihrem Wissen in Kenntnis setzen.

"Es ist wirklich spät. Darf ich dich morgen sehen? Ich könnte bei deiner Arbeit vorbeischauen.", bot er sowohl Mina als auch sich selbst einen Ausweg. Oona sah in dankbar an.

"Das würde mich sehr freuen." Ihre Freundin genervt grunzte. Aber sie bekam ihren Willen. Jay bezahlte ihr Essen und gemeinsam traten sie aus dem Geschäft. Die Beobachter gingen ihren nichtigen Beschäftigungen nach. Nun ja nichts Auffälliges tun. Kein Grund zur Skepsis bieten. Mina hatte dafür schon genug.

Vorsichtig nahm er Oonas Hand und hauchte einen zarten Kuss auf ihre Wange. Sie lächelte mit rosigem Gesicht.

"Ich hab um vier aus." "Ich werde da sein." Er nickte Mina kurz zu und machte sich auf dem Weg zur Straßenbahn. Trotz der Umstände, ein dümmliches Grinsen im Gesicht. 

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