3. Ein Spaziergang im Park

Jay war genau zwei Minuten auf dem Sofa und schon weggenickt. Im Traum wurde er verfolgt, er musste rennen immer weiter und weiter. Schneller, die Muskeln brannten, er bekam nicht genügend Sauerstoff. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Es gab kein Entrinnen.

Schweißgebadet wurde er von seinem Handy geweckt. Das rhythmische Vibrieren hatte ihn davor bewahrt zu schreien. Dankbar hob er ab und rieb sich währenddessen die Augen.

"Liebling. Es ist drei Uhr. Ich müsste jetzt los und dein Vater übernimmt den Laden. Kommst du und holst Sumi?" "Ähm..ja...ja. Ich bin gleich da.", stammelte er vor sich hin und sah auf die Uhr. Schon so spät. Wie hatte er den gesamten Vormittag verschlafen können? Und dann war es noch nicht mal erholsamer Schlaf gewesen.

"Alles in Ordnung? Geht es dir nicht gut?", er sah die besorgte Miene seiner Mutter praktisch vor sich. Hastig räusperte er und setzte sich auf.

"Nein, Mama. Alles gut. Ich zieh mich an und bin in zwei Minuten da." "Danke, Liebling. Das hilft uns sehr." "Klar, kein Problem." Jay seufzte müde, schälte sich schwerfällig von der Couch und dehnte die Muskeln seines verspannten Rückens.

Er hätte besser im Bett schlafen sollen. Auf dem Sofa brummte sein Laptop im Ruhemodus. Zum Programmieren war er nicht gekommen. Mal wieder. Seit er mehr Arbeit bei der Taube übernahm, wurde seine Freizeit langsam davon aufgefressen. Keine Zeit für eigene Programmierarbeit, keine Zeit für Freunde. Schnell verwarf er den Gedanken wieder.

Er half Menschen, das war das einzige, was wirklich zählte. In einer unruhigen Zeit wie dieser spielten Hobbys keine Rolle. Hastig packte er Handy, Geldbörse und Schlüssel in seine Jackentaschen und rannte das Stiegenhaus hinunter.

Vor der Haustür seiner Eltern blieb er stehen und klingelte. Keine zwei Sekunden später öffnete Young-Ho mit einem quengeligen Kleinkind im Arm.

"Hast du gut geschlafen?", sein Vater mochte es gar nicht, wenn man während des Tages ein Schläfchen hielt. Zeitverschwendung, schimpfte er dann oft. Jay zuckte mit den Achseln.

"Irgendwie ja." "Das freut mich. Ihr müsst nämlich dringend raus in den Park. Sie klettert mir hier drin die Wände hoch. Viel zu viel Energie. Mach sie müde.", mit diesem Befehl wurde das Kleinkind in seine Arme geschoben. Sumi lachte ihn an und drückte ihr Gesicht an seinen Hals. Ihre ehrliche Freude in zu sehen, vertrieb die letzten bösen Wolken seines Albtraums.

Ein bisschen frische Luft würde ihm sicher guttun. Wenn er aus dem Fenster sah, kamen ihm sogar ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen entgegen. Sonne und Sumi. Einen besseren Nachmittag konnte es nicht geben.

"Wo ist ihr Kinderwagen?" "Hier. Ich hab dir auch schon alles gepackt. Windeln, einen kleinen Snack, Wasser und Wechselwäsche."

Young-Ho reichte ihm eine große Babytasche und schob einen Buggy aus der Wohnung. Ein handliches, blaues Teil mit dicken Rädern und einem Sonnenschutz. Es war Jays alter Kinderwagen, den später Evelyn benutzt hatte und offensichtlich hatte seine Mutter ihn für ihre Enkelkinder aufbewahrt. Jay zog Sumi warm an.

"Wir gehen in den Park.", er untermalte seine Worte an Sumi mit großspuriger Gestik. Vertraute Bewegungen, die Sumi einen Plan von seinem Vorgehen geben sollten. Das Mädchen nickte und nahm seine Hand.

"Du kannst das wirklich gut.", meinte sein Vater. Mit gerunzelter Stirn bemerkte er, dass sein sonst so vitaler, starker Vater müde wirkte. Etwas das nicht oft vorkam. "Alles okay?"

"Ja, ja. Der Laden ist momentan nur etwas anstrengend und Sumi...naja, sie ist ein Kleinkind. Sie braucht viel Aufmerksamkeit und jetzt kommen diese neuen Kurse dazu.", verdutzt hielt Jay inne.

"Neue Kurse?" Sein Vater nickte schwerfällig und deutete ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie die Stiegen hinunter in den Laden. "Es gibt da so neuartige Kurse für Eltern mit gehörlosen Kindern. Besondere Förderprogramme. Sehr spannend, aber immer am Abend und dafür hab ich einfach nicht mehr die Kraft."

Jay nickte langsam und überlegte dabei fieberhaft, wie er seinem Vater diese Aufgabe abnehmen konnte. Aber in seinem Wochenplan war kein Platz dafür. Egal wie er drehte. Er musste mit seinem Boss bei der Taube reden. Vielleicht ließe sich doch etwas machen.

Young-Ho betrat mit Jay im Schlepptau das Geschäft und begrüßte Katarina mit einem leichten Kuss auf die Wange. Mehrere Kunden standen bei diversen Blumen und sahen sich neugierig um. Es dürfte wieder ein belebter Tag werden.

"Na, Schlafmütze, auch schon wach?", merkte seine Mutter an, "ich dachte schon, du hast es vergessen." "Das hab ich auch. Danke für den Anruf. Ich werde jetzt mit ihr in den Park und danach vielleicht essen gehen. Mal sehen."

"Schau, dass sie um sieben wieder da ist. Wir wollen kein übermüdetes Kleinkind. Sie soll einfach schön müde sein.", seine Mutter machte eine sanfte Handbewegung. An in ihren Augen sah er die Anstrengung der letzten Tage. Er musste ihnen Sumi mehr abnehmen. Lächelnd verließ er mit seiner kleinen Schwester das Geschäft.

Kaum waren sie aus dem Gebäude, gab es kein Halten mehr. Sumi hüpfte von Lacke zu Lacke und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Ihr Anblick ließ Jays Herz wärmer werden. In all dem Trubel gab es noch Gutes. Jubelnd sprang er ihr hinterher.

Als die Lacken genügend erforscht waren, spazierten sie weiter über die Straße und eine kleine Gasse hinunter durch ein Wohngebiet. Dahinter lag ein großzügiger Park mit vielen Klettergerüsten und Spielmöglichkeiten. Sumi kannte den Weg und den Park gut.

Er war die erste Anlaufstelle jedes Spaziergangs sowohl mit seinen Eltern als auch mit Evelyn. Schon vor zwanzig Jahren hatten er und Evelyn in diesem Park ihr Unwesen getrieben. Durch die Vertrautheit war sie weitaus selbstständiger als sie es in einer neuen Umgebung wäre und Jay ließ ihr ein wenig Freiraum zum Laufen und hüpfen.

Seit dem Autounfall vor einem Jahr war sie gehörlos. Und jeder Tag war eine kleine Herausforderung für sie und für seine Eltern. Das kleine Mädchen war adoptiert, ob sie ihre leibliche Mutter Young-Hos kleine Schwester Dan-bi vermisste war unmöglich festzustellen.

Die Umstellung von Seoul zu Wien war schon hart gewesen, sie hatte viel geweint und auch das Essen nicht sofort vertragen. Jay konnte sich an die langen Nächte erinnern. Seine gesamte Familie hatte sich um das Baby gekümmert, abwechselnd behütet und gepflegt.

Zusätzlich dazu kam die Trauer. Dan-Bi war eine freche, eigensinnige Frau gewesen. Sie hatte ihm unzählige Karten geschickt, zum Geburtstag, zu Feiertagen und zwischendurch. Fast jede Woche war Post für ihn gekommen und noch heute dachte er an sie, wann immer er an einem Postkasten vorbeilief. Ihr allein war sein gutes Koreanisch zu verdanken. Sein Vater war zu beschäftigt Deutsch zu lernen und seine Großeltern wollte nichts mit ihm zu tun haben.

Also blieb nur noch Dan-bi. Der Beziehung zu ihr war seine Neugierde für Korea geschuldet und die langen Telefonate hatten eine enge Bindung geschaffen.

Er hatte eine Reise zu ihr geplant, doch nach ihrem Unfall kam alles anders. Ihr Mann, sie und Sumi waren im Auto gesessen. Nur Sumi hatte überlebt. Und das auch nur mit furchtbaren Narben. Jedes Mal, wenn er über ihren Kopf strich spürte er sie.

Die Frage wohin Sumi kam, gab es nicht. Die Großeltern waren zu alt für ein kleines Kind und andere Geschwister gab es nicht. Young-Ho hätte es niemals zugelassen, dass seine Nichte in einem Pflegeheim aufwuchs, deshalb war sie zu ihnen gekommen.

Seine Eltern hatten mit tatkräftiger Unterstützung von Jay und Evelyn gerechnet und sie bekommen. Jedes Mal, wenn Sumi lachte, sah er seine Tante. Und Sumi war in jedem Fall seine kleine Schwester, ein Kind, für das er alles tun würde.

Der Park kam in Aussicht. Nass und glücklich spielten dort bereits einige Kinder. Jay öffnete das Tor und ließ Sumi hinein. Bevor sie verschwinden konnte, stellte er Augenkontakt her.

"Warte auf mich. Ich lege unsere Sachen ab. Bleib bei mir.", begleitet mit Gestik. Das kleine Mädchen verstand und griff nach seiner Hose. Er schob den Buggy an eine Parkbank und legte die Babytasche ab.

Sumi trat von einem Fuß auf den anderen und beobachtete die anderen Kinder. Ihre Neugierde war mit Händen zu fassen. Er nahm ihre kleine Hand und lief los. Gemeinsam rannten sie zum erstbesten Klettergerüst.

In Windeseile wurde es erklommen und zum Schloss der mutigen Entdeckerin Sumi Haller gemacht. Das kleine Mädchen lachte ihm vom höchsten Punkt aus zu und winkte enthusiastisch.

Jay winkte zurück. Motorisch war Sumi unglaublich geschickt. Sie brauchte seine Hilfe nur geringfügig, verständigte sich auch mit den anderen Kindern auf ihre eigene interessante Art. Dennoch behielt Jay sie gut im Auge.

Es kam immer mal wieder vor, dass sie ein anderes Kind nicht wahrnahm oder Warnrufe nicht verstand. Das konnte durchaus unangenehm enden und schließlich war es seine Pflicht die möglichen Traumata so gering wie möglich zu halten.

"Wow. Die ist ja geschickt.", hörte er eine junge Frau am anderen Ende des Klettergerüsts staunen. Jay lächelte stolz. "Ist sie. Fast schon unheimlich." Die Fremde, eine gutaussende Brünette mit Brille und bequemer Kleidung trat näher. Ihre Augen wanderten immer wieder zu einem kleinen Jungen, etwa ein Jahr älter als Sumi.

"Kommst du öfter mit ihr in diesen Park?" "Ja, sie liebt ihn und er bietet viel Abwechselung. Ist das euer erstes Mal?"

"Bruno und ich wollten mal was Neues ausprobieren. Zugegeben nicht das beste Wetter dafür, aber frische Luft musste sein. Er war heute so aufgedreht."

"Sumi auch. Muss am Mond liegen." Die Fremde lachte und hielt ihm die Hand hin. "Meine Mutter sagt das auch immer. Ich bin Melanie."

"Jay." "Schön dich kennenzulernen. Man trifft nicht oft Väter hier." Sumi fiel hin und stand sofort wieder auf. Er hatte gar keine Chance ihr zu helfen. "Ähm, ich bin nicht der Vater. Das ist meine kleine Schwester Sumi." Erstaunt hob Melanie die Augenbrauen.

"Deine Schwester? Wow, das ist ja ein Altersunterschied." "Stimmt. Aber das macht mich immerhin zum besten großen Bruder." Sein Gegenüber lachte und rückte die Brille gerade. Ihre Augen wanderten wieder zu Bruno. Der kleine Junge hatte Sumi an der Hand und zeigte ihr mit großen Augen die sich windenden Regenwürmer in Gras.

"Kinder sehen die Welt so voller Wunder.", murmelte Melanie und schenkte ihm ein warmes Lächeln. Jay erwiderte es, doch in seinem Kopf sah er nur die vielen Gesetze und Einschränkungen, die Korruption und die wachsende Unruhe in der Gesellschaft.

Zu Bruno und Sumi gesellte sich ein weiteres Mädchen in Brunos Alter. Ihre langen, dunklen Zöpfe wackelten hin und her als sie mit den anderen Kindern über den Spielplatz lief.

Instinktiv stellten sie Sumi zwischen sich, um ihr optimal helfen zu können. Wie problemlos Kinder Schwächen von anderen nicht nur akzeptierten, sondern sie auszugleichen versuchten. Für Bruno und dieses Mädchen war Sumi nicht behindert, sie war bloß anders. Ohne Wertung. Jay beneidete seine Schwester für diese Akzeptanz.

"Hey, gehören der Junge und das kleine Mädchen zu euch?", fragte ein Mann plötzlich hinter ihnen. Er war ein paar Jahre älter als er und schick angezogen. Mit Anzug und Lederhandschuhen. Ein bisschen zu Schick für einen Spaziergang im Park.

"Ja, das kleine Mädchen gehört zu mir. Der Junge zu ihr.", meinte er beiläufig und erntete ein strahlendes Lächeln.

"Die Drei spielen ja wunderbar miteinander. Einfach toll. Anna freut sich immer-"

"was ist das?!", rief Melanie erschrocken aus. Jay fuhr zusammen, er hatte eine solche Lautstärke nicht von der zierlichen Frau erwartete. Mit ängstlichem Blick zeigte sie auf eine rote Karte, die an die Brust des Fremden geheftet war. Sie wies ihn als Saki aus. Als Serum-betroffenen. Als Mutant und als Sonderling. Der Fremde trat einen Schritt zurück und senkte den Blick.

"Ich kann das erklären." "Das müssen Sie nicht. Bruno, komm weg von dem Mädchen. Schnell." Melanie lief über den Spielplatz zu ihrem Sohn und hob das Kind hoch. "Ich verschwinde und ich hoffe du tust dasselbe Jay. So jemand bringt deine Schwester nur in Gefahr."

Jay rührte sich nicht, sagte kein Wort auch als Sumi ihrem neuen Spielgefährten hinterherlief und ihm deutete zurückzukommen. Melanie verschwand mit Bruno und durch ihr Geschrei waren nun auch die anderen Menschen auf den Saki und seine Tochter aufmerksam geworden.

Viele verließen den Spielplatz sofort, einige blieben noch, doch hielten abstand. Der Fremde neben Jay seufzte bekümmert. Seine kleine Tochter rannte mit Sumi im Schlepptau zu ihnen.

"Papa, okay?" "Alles okay, mein Engel.", er wandte sich an Jay, "das tut mir leid. Ich wollte nicht unterbrechen, ich wollte nur...keine Ahnung." Die Sorge und Scham um seine Stellung als Saki standen ihm ins Gesicht geschrieben und spiegelten sich in seiner gebückten Haltung wider. Jay winkte ab.

"Schon in Ordnung. Sumi freundet sich schnell mit anderen an und vergisst sie auch schnell wieder. Anna zeigst du Sumi die Rutsche?" Das Mädchen nickte ihm ernst zu, nahm die Verantwortung für das jüngere Kind stoisch entgegen und drückte Sumis Hand.

"Komm mit Sumi. Rutschen.", dabei zeigte sie auf die nasse Rutsche und Jay war froh, dass sein Vater an eine Gatschhose gedacht hatte. Die Mädchen liefen davon. Vergessen war die Unruhe und weiter ging es mit der Entdeckungsreise. Der Fremde warf ihm einen ungläubigen Blick zu. "Bist du dir sicher?" Nickend reichte er ihm die Hand.

"Ich bin Jay." "Andi. Dir macht das nichts aus? Dass ich ein Saki bin?"

"Nein, dafür kannst du nichts. Aber ich bin neugierig. Was ist deine Fähigkeit?" Andi senkte erneut den Blick und zog die Schultern hoch.

"Ach so, du bist einer von diesen merkwürdigen Gruppies. Ich bin kein Wolverine oder Deadpool und will auch nicht so behandelt werden." Jay zog eine Grimasse, daran hätte er denken müssen. Neben denen die Sakis für Monster hielten, gab es auch diejenigen, die sie zu Göttern machten. Ihnen huldigten und folgten. Beides war keine angenehme Situation.

"Tut mir leid, das kam falsch rüber. Manchmal vergesse ich, dass nicht alle Sakis eine rote Karte tragen."

"Nicht alle Sakis...? Was?" Jay tat so, als würde er sich den Schuh zubinden und ließ eine Rose zu seinen Füßen wachsen. Andi klappte erstaunt der Mund auf.

"Du bist-" "-nichts Besonders. Nur jemand der Glück hatte nicht entdeckt worden zu sein. Das kannst du wohl nicht sagen." Sein Freund schüttelte langsam den Kopf und griff automatisch nach seiner Karte.

"Ich hatte nie eine Chance.", er zeigte auf seine behandschuhten Hände, "in meinen Händen schmilz jedes Material. Metall, Stein...Fleisch." Jay hielt den Atem an, die Mimik seines Gegenübers ließ nichts Gutes vermuten. "Sie haben dich registriert?"

"Als einen der ersten. Ich habe meine Frau...Annas Mutter verletzt. Nach einem halben Jahr in Haft und Training darf ich sie jetzt wieder sehen. Für zwei Stunden jeden Samstag darf ich mein kleines Mädchen sehen und ihr sagen, wie lieb ich sie habe."

Andi schluckte hart. Diese Fähigkeiten konnten Leben zerstören. IZANAGA hatte sein Leben in tausend kleine Teile gesprengt und war nun nicht mal bereit die Scherben aufzuklauben. Dafür war die Taube da. Jays Leute halfen den Zurückgelassenen.

"Deshalb bin ich auch so schick angezogen. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch, auch wenn ich den Job nicht kriegen werde, musste ich hin und betteln. Das machen sie gerne. Einen zu diesen Vorstellungsgesprächen zwingen obwohl nie eine Chance besteht, dass man ihn kriegt. Einfach nur um uns zu quälen."

Andi hatte nicht unrecht. Die Chancen für einen registrierten Saki mit einer gefährlichen Gabe und einer Vorstrafe einen Job zu kriegen, standen gleich null. Egal welche Branche. Niemand konnte es sich leisten mit den gewalttätigen Sonderlingen assoziiert zu werden.

Offiziell durften sie einen nicht aus diesem Grund feuern, aber Firmen fanden immer irgendwelche Schlupflöcher und wenn nicht bezahlten sie die Politiker, um welche zu bauen. Jay ballte die Fäuste, das System war kaputt. Es machte aus Unschuldigen Schuldige und zerriss Familien.

"Dieses sinnlose Gespräch hat mich zwanzig Minuten von meiner Zeit mit Anna gekostet. Zwanzig Minuten!", der ältere Mann ballte die Fäuste und schüttelte den Kopf, "ich hab doch so wenig Zeit mit ihr."

"Das muss hart sein.", er legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sofort entspannte Andi sich, als wäre er seit Jahren nicht berührt worden. Er atmete tief durch und sah Jay entschuldigend an.

"Ich wollte dir diesen Mist nicht aufhalsen. Wir kennen uns nicht und meine Probleme sind nicht deine." "Aber das wären sie, hätte ich nicht Glück gehabt. Nur ein wenig Glück trennt unsere Situationen. Wir müssen zusammenhalten. Ich kann verstehen, dass es nicht leicht sein kann, mit den Gesetzen der Regierung zu leben."

"Die Regierung zwingt mich in eine Selbsthilfegruppe zu gehen, aber keiner der Sakis dort erzählt von seinen wahren Gefühlen. Nicht, solange eine Kamera alles aufzeichnet. Es ist schwer, da seinen Frust loszuwerden." Kameras? So ein Blödsinn! Warum dann diese Farce aufrechterhalten? Die Bevölkerung Europas wusste, was es hieß ein Saki zu sein, weshalb so tun, als wäre die Regierung immer noch an einer friedlichen Lösung interessiert? "Ich kann das Verstehen, mach dir keine Gedanken."

"Und jetzt verliere ich vermutlich meine Wohnung. Ich kann mir die Miete nicht mehr leisten. Aber das bedeutet auch, dass ich Anna nicht mehr so oft sehen kann. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalte."

Die Verzweiflung waberte um seinen Körper wie ein übelriechendes Parfüm. Andi war am Ende seiner Kraft und Jay hatte eine Idee. "Was hast du früher gearbeitet?" Sein Gegenüber lächelte bekümmert.

"Ich war Architekt in einer der Top Agenturen. Sogar gar nicht schlecht." Also sehr gut. "Viel Kundenkontakt?"

"Ja, das war dann der erste Grund, warum sie mich gefeuert haben." Dagegen konnte er nicht einmal klagen. Die Firma hatte wesentliches finanzielles Interesse. In diesem Fall würde das Gericht immer im Sinne der Firma entscheiden.

"Ich hätte da eine Idee.", Jay hob spitzbübisch die Augenbrauen. "Eine Idee?" "Ein Freund von mir hat eine Bäckerei. Und ich glaube sie könnten jemanden im Verkauf brauchen. Es ist nicht viel-"

"-du denkst, er würde mich einstellen?", Skepsis stahl sich in die müden Augen des anderen Sakis. Er hatte zu viele Enttäuschungen erlebt. Jay fasste ihn an den Schultern.

"Hey, das hier ist eine Chance, okay? Eine echte Chance, kein sinnloses Gespräch mit irgendwelchen Aktenschlichtern. Ich werde mit Karl reden. Wenn er jemanden braucht, wird er dir eine Chance geben. Überzeugen musst du ihn selbst, aber dein Status als Saki wird dir dabei nicht im Weg stehen. Gib mir deine Nummer. Ich ruf dich an, sobald ich Karl von dir erzählt habe." Er legte den Kopf schief und zog eine Grimasse.

"Ich weiß nicht." "Mit einer Schürze vor der Karte würde es sich besser leben, oder?" Just in diesem Moment rannten Anna und Sumi auf sie zu. Anna warf sich in die Arme ihres Vaters und küsste ihn schmatzend. Lachend drückte Andi seine Tochter an sich und wischte eine Träne von seiner Wange.

"Okay. Okay, ich gebe dir meine Nummer. Danke." Jay hob die Hände. "Dank mir noch nicht. Erst wenn du den Job hast." Mit ungeschickten Händen holte Andi eine zerknitterte Businesskarte aus der Jackentasche und drückte sie Jay in die Hand.

"Trotzdem danke. Das ist die erste gute Sache, die mir passiert, seit ich dieses verdammte Serum bekommen habe."

"Kann ich mir vorstellen.", murmelte Jay, auf der Businesskarte stand noch das Architektenbüro in dem Andi wohl gearbeitet hatte. Es donnerte über ihnen und Jay beschloss den Rest des Nachmittags drinnen zu verbringen. Er schnappte sich Sumi und verabschiedete sich von seinem neuen Freund.

In seinem Kopf ratterten bereits die Zahnräder. Erst Karl, dann musste er seinem Boss Bescheid sagen. Es war immer gut Sakis mit nützlichen Fähigkeiten zu begegnen. Vielleicht würde Andi ihnen einmal nützlich sein. 

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